Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Rechtsbeschwerde ist bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, grds. binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. |
2. |
Für die Wirksamkeit der Einlegung ist die Bezeichnung des Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer nicht entscheidend. |
3. |
Hat der Beschwerdeführer vor der Rechtsmitteleinlegung einen Rechtsmittelverzicht erklärt, kann die Einlegung unwirksam sein. |
4. |
Der Verteidiger sollte bei der Einlegung eines Rechtsmittels noch keine Rechtsbeschwerdebegründung anbringen. |
Rdn 1093
Literaturhinweise:
Berndt, Neue Tendenzen im Recht der Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen?, StraFo 2003, 112
Burhoff, Verteidigerfehler in der Tatsachen- und Revisionsinstanz, StV 1997, 432
s. auch die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1053.
Rdn 1094
1. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, der die Vorschriften der StPO über die Revision für entsprechend anwendbar erklärt, führt dazu, dass die Rechtsbeschwerde gem. § 341 Abs. 1 bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird ("iudex a quo"), grds. binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden muss. Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Betroffenen stattgefunden und war dieser auch nicht durch einen gem. § 73 Abs. 3 OWiG schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten, beginnt die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 4 OWiG erst mit der Zustellung; das Gleiche gilt, wenn ein Beschluss nach § 72 OWiG ergangen ist (Einzelh. zu Form und Frist der Rechtsbeschwerdeeinlegung s. → Rechtsbeschwerde, Form, Teil A Rdn 1115 und → Rechtsbeschwerde, Frist, Teil A Rdn 1129; zum Kreis der Anfechtungsberechtigten s. → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1053). Die notwendige Schriftform oder Protokollerklärung kann grds. nur durch eine Rechtsmitteleinlegung beim Ausgangsgericht gewahrt werden, nicht durch eine solche bei einem anderen AG oder dem Rechtsbeschwerdegericht (vgl. BayObLG, Beschl. v. 12.3.1999 – 1 St RR 38/99; OLG Bamberg, Beschl. v. 7.10.2009 – 3 Ss 74/09). Eine Ausnahme gilt nur bei inhaftierten Betroffenen: Diese können ihre Rechtsbeschwerde gemäß § 46 Abs. 1 i.V.m. § 299 Abs. 1 und 2 StPO auch zu Protokoll des AG, in dessen Bezirk die JVA liegt, einlegen.
Rdn 1095
2. Für die Wirksamkeit der Einlegung ist die Bezeichnung des Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer nicht entscheidend (BGHSt 23, 233, 235; BGH NStZ-RR 1999, 262; OLG Düsseldorf VRS 80, 281; 75, 221, 222). Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist gem. § 300 i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG unschädlich. Das gilt sowohl für die fehlende als auch für die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 300 Rn 2). Das Ziel des Beschwerdeführers ist aus dem Gesamtwortlaut der Eingabe zu ermitteln (BayObLG wistra 1995, 76). Erforderlich ist nur, dass sich aus der Eingabe deutlich der Wille ergibt, die ergangene Entscheidung anzufechten (KK-OWiG/Senge, § 79 Rn 75).
☆ Hingegen scheiden bloße Missfallensäußerungen über die amtsrichterliche Entscheidung oder die bloße Ankündigung, einen Rechtsanwalt beauftragen zu wollen, als wirksame Rechtsmitteleinlegung aus, weil sich hieraus noch nicht der unbedingte Wille ergibt, die Entscheidung nicht bestehen lassen zu wollen (vgl. KK-OWiG/ Senge , § 79 Rn 75).unbedingte Wille ergibt, die Entscheidung nicht bestehen lassen zu wollen (vgl. KK-OWiG/Senge, § 79 Rn 75).
Rdn 1096
Die Erklärung des Beschwerdeführers ist stets unter dem Gesichtspunkt auszulegen, dass der mutmaßliche Wille dahin geht, mit der Eingabe möglichst weitgehend Erfolg zu haben (RGSt 67, 123, 125; BGH NJW 1956, 756; OLG Düsseldorf VRS 59, 358; OLG Hamburg NJW 1970, 1467, 1468; OLG Koblenz VRS 65, 45). Hieraus folgen zwei Schritte:
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Zunächst hat das Gericht festzustellen, welches Rechtsmittel zulässig ist; |
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anschließend ist zu prüfen, ob die Erklärung des Beschwerdeführers die Merkmale der zulässigen Rechtsmitteleinlegung zu erfüllen imstande ist (KK-OWiG/Senge, § 79 Rn 75). |
Rdn 1097
3. Hat der Beschwerdeführer vor der Rechtsmitteleinlegung einen Rechtsmittelverzicht erklärt, kann die Einlegung unwirksam sein (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 302). Ein solcher Rechtsmittelverzicht muss aber eindeutig und zweifelsfrei vorliegen (OLG Hamm NZV 1999, 182; OLG Koblenz VRS 61, 362; Einzelh. zum Rechtsmittelverzicht s. → Rechtsbeschwerde, Rechtsmittelverzicht, Teil A Rdn 1143; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Verzicht, Allgemeines, Teil A Rdn 1732 ff., m.w.N.).
Rdn 1098
4. Hinweise für den Verteidiger!
Rdn 1099
a) Der Verteidiger sollte bei der Einlegung eines Rechtsmittels noch keine Rechtsbeschwerdebegründung anbringen. Es ist problematisch, die Rechtsbeschwerdeeinlegung mit dem Zusatz zu versehen, "gerügt wird die Verletzung sachlichen Rechts". Sollen in der Folge auch noch Verfahrensrügen erhoben werden und versäumt der Verteidiger hierbei die 1-monatige Begründungsfri...