Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Bekanntmachung von Entscheidungen regelt § 35. Sie sind dem davon Betroffenen bekannt zu machen. |
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Adressaten der Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung sind zunächst die Verfahrenshauptbeteiligten. Aber auch Verfahrensnebenbeteiligte können von einer Entscheidung betroffen sein. |
3. |
Bekannt zu machen sind an erster Stelle Urteile und Beschlüsse, aber auch Prozess leitende Verfügungen, die sich auf das weitere Verfahren auswirken. |
4. |
Bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen ist für die Bekanntmachung ein Dolmetscher beizuziehen oder eine Übersetzung anzufertigen. |
Rdn 1484
Literaturhinweise:
s. → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1290, m.w.N.
→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Teil A Rdn 1846, m.w.N.
Rdn 1485
1.a) Im Rahmen des Strafverfahrens regelt § 35, auf welche Weise gerichtliche Entscheidungen und damit untrennbar zusammenhängende Erklärungen (z.B. §§ 35a, 268a, 268c, 268d) dem davon Betroffenen zur Kenntnis gebracht ("bekanntgemacht") werden. Dadurch erfüllt die Bekanntmachung in erster Linie die ihr zugrunde liegende Informationspflicht, die gewährleisten soll, dass der Entscheidungsadressat seinen verfassungsmäßig verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machen und – insbesondere durch Einlegung von Rechtsmitteln und/oder Rechtsbehelfen – durchsetzen kann. Dies gilt speziell für Konstellationen, in denen eine gerichtliche Entscheidung nicht in Anwesenheit des davon Betroffenen ergeht, weshalb die Erforderlichkeit besteht, die Information des Betroffenen zu dokumentieren und nachweisen zu können.
☆ Die Art und Weise der Bekanntmachung selbst ist nicht anfechtbar . Ob und wenn ja, in welchem Umfang gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel/Rechtsbehelf eingelegt werden kann und/oder soll, setzt aber nicht nur die Kenntnis der Entscheidung selbst voraus, sondern auch, ob sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bekannt gemacht wurde.Art und Weise der Bekanntmachung selbst ist nicht anfechtbar. Ob und wenn ja, in welchem Umfang gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel/Rechtsbehelf eingelegt werden kann und/oder soll, setzt aber nicht nur die Kenntnis der Entscheidung selbst voraus, sondern auch, ob sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bekannt gemacht wurde.
Rdn 1486
b) Schaubild: Art und Weise der Bekanntmachung gerichtlicher Entscheidungen
Rdn 1487
2. Adressaten der Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung sind zunächst die Verfahrenshauptbeteiligten, mithin sämtliche Personen, denen das Verfahrensrecht die Möglichkeit einräumt, als Prozesssubjekt gestaltend auf das Verfahren einzuwirken (Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn 71). Das sind der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte/Betroffene, dessen Verteidiger(in), die StA, der Nebenkläger, der Privatkläger.
Rdn 1488
Betroffen sein können aber auch Verfahrensnebenbeteiligte, so z.B. persönlich der Verletzte, der Einziehungs- und Verfallsbeteiligte, Juristische Personen oder Personenvereinigungen oder der Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter im Verfahren nach JGG (vgl. dazu → JGG-Besonderheiten, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 754 ff.). Institutionell können auch Behörden betroffen sein, so z.B. die Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren oder die Verwaltungsbehörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Rdn 1489
3. Bekannt zu machen sind Entscheidungen, an erster Stelle Urteile und Beschlüsse, aber auch prozessleitende Verfügungen, die sich auf das weitere Verfahren auswirken (Meyer-Goßner/Schmitt, § 35 Rn 1; weiter gehend, nämlich alle: AnwKomm-StPO/Rotsch, § 35 Rn 2), was jedenfalls die Bekanntmachung auch von solchen Entscheidungen erforderlich macht, die keine Frist in Lauf setzen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 35 Rn 10).
Rdn 1490
a) Bei Urteilen ist zwischen Anwesenheitsurteilen und Abwesenheitsurteilen zu unterscheiden.
Rdn 1491
aa) Urteile ergehen i.d.R. in Anwesenheit des Angeklagten/Betroffenen. Sie werden in der HV mündlich verkündet (§§ 268 Abs. 2, 35 Abs. 1 S. 1). Die Einlegungsfristen für Rechtsmittel beginnen deshalb am Tag der Verkündung zu laufen (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Allgemeines, Teil A Rdn 1549 ff.). Gegenüber einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten kann ein Urteil nicht wirksam verkündet werden, sofern kein Dolmetscher hinzugezogen worden war (KK-Maul, § 35 Rn 4; LR-Graalmann-Scheerer, § 35 Rn 7).
Rdn 1492
Entgegen § 35 Abs. 1 S. 1 sind auch Anwesenheitsurteile stets zuzustellen, wenn es auf die Kenntnis des Verurteilten und den Nachweis dieser Kenntnis hinsichtlich eines bestimmten Zeitpunkts ankommt (KK-Maul, § 35 Rn 4; LR-Graalmann-Scheerer, § 35 Rn 7), so bei
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Fahrverbot (§ 44 StGB), |
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Berufsverbot (§ 70 StGB), |
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Berufungsverwerfung des zwar körperlich anwesenden aber verhandlungsunfähig behandelten Angeklagten (§ 329 Abs. 1: BayObLG NStZ-RR 1998, 368). |
Rdn 1493
bb) Abwesenheitsurteile sind dem Angeklagten/Betroffenen immer zuzustellen (§ 35 Abs. 2 S. 1), weshal...