Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Gem. § 302 Abs. 2 bedarf die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger einer Ermächtigung durch den rechtsmittelbefugten Angeklagten. |
2. |
Zu Unklarheiten kann es bei widerstreitenden Erklärungen von Angeklagtem und Verteidiger kommen. |
Rdn 1670
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Rücknahme, Allgemeines, Teil A Rdn 1654.
Rdn 1671
1.a) Gem. § 302 Abs. 2 bedarf die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger einer Ermächtigung durch den rechtsmittelbefugten Angeklagten. Dies gilt auch für eine Teilrücknahme (OLG Düsseldorf NStZ 2010, 655; OLG Stuttgart StRR 2010, 442 [Ls.]).
☆ Im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff.) ist bei bestehender Prozessvollmacht eine gesonderte Ermächtigung nicht erforderlich. Der Verteidiger kann das Rechtsmittel sogar gegen die Weisung seines Auftraggebers zurücknehmen, da § 302 Abs. 2 nur strafprozessuale Rechtsmittel, nicht aber solche betrifft, die sich allein gegen den bürgerlich rechtlichen Teil eines Urteils richten (KG NStZ-RR 2010, 115).Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff.) ist bei bestehender Prozessvollmacht eine gesonderte Ermächtigung nicht erforderlich. Der Verteidiger kann das Rechtsmittel sogar gegen die Weisung seines Auftraggebers zurücknehmen, da § 302 Abs. 2 nur strafprozessuale Rechtsmittel, nicht aber solche betrifft, die sich allein gegen den bürgerlich rechtlichen Teil eines Urteils richten (KG NStZ-RR 2010, 115).
Rdn 1672
b) Wirksam ist die Ermächtigung, wenn der Ermächtigende prozessual handlungsfähig ist (BGH NStZ 1983, 280; vgl. NStZ-RR 2004, 341) und die Ermächtigung zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung besteht. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich (OLG Zweibrücken StraFo 2010, 252). Eine erteilte Ermächtigung darf auch nicht widerrufen sein (BGH NStZ-RR 2007, 151).
☆ Die Ermächtigung ist nicht erteilt , wenn der Angeklagte auf ein Schreiben des Verteidigers schweigt , in dem eine von diesem vorgeschlagene Rechtsmittelrücknahme für den Fall angekündigt wird, dass der Angeklagte nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht (OLG Oldenburg StraFo 2010, 347).nicht erteilt, wenn der Angeklagte auf ein Schreiben des Verteidigers schweigt, in dem eine von diesem vorgeschlagene Rechtsmittelrücknahme für den Fall angekündigt wird, dass der Angeklagte nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht (OLG Oldenburg StraFo 2010, 347).
Rdn 1673
c) Eine bestimmte Form für die Ermächtigung schreibt das Gesetz nicht vor. Die Ermächtigung kann daher nach allgemeiner Auffassung in Rspr. und Lit. auch mündlich oder fernmündlich erteilt werden (BGH NStZ-RR 2010, 55; 2007, 151; 2016, 24; Meyer-Goßner/Schmitt, § 302 Rn 32 m.w.N.).
Rdn 1674
d) Die schriftliche Ermächtigung braucht sich nicht bei der Akte befinden (OLG Oldenburg VRS 120, 337) und kann auch erst nach Abgabe der Verzichtserklärung nachgewiesen werden (BGH NStZ-RR 2010, 55).
Rdn 1675
e) Die in einer allgemeinen Verteidigervollmacht enthaltene Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln/Rechtsbehelfen reicht jedenfalls dann aus, wenn das Verteidigungsmandat erst/nur für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens erteilt wurde (BGH StraFo 2004, 98; OLG Hamm VRR 2010, 233 [Ls.]). Andernfalls muss die Ermächtigung das Rechtsmittel/den Rechtsbehelf konkret bezeichnen (BGH NStZ 2000, 665; Schifffahrtsobergericht Berlin NJW 2009, 1686; vgl. a. Burhoff, HV, Rn 3360).
☆ Die in der zu Beginn des Mandatsverhältnisses in einer allgemeinen Verteidigervollmach t erteilte Rücknahmeermächtigung reicht demzufolge nicht aus ( Burhoff , HV, a.a.O.; a.A. OLG Hamm VA 2005, 183 [Ls.], was sich nach BayVerfGH, Beschl. v. 27.10.2011 – Vf. 138-VI-10, jedoch in dem den Fachgericht eingeräumten Auslegungsspielraum hält).allgemeinen Verteidigervollmacht erteilte Rücknahmeermächtigung reicht demzufolge nicht aus (Burhoff, HV, a.a.O.; a.A. OLG Hamm VA 2005, 183 [Ls.], was sich nach BayVerfGH, Beschl. v. 27.10.2011 – Vf. 138-VI-10, jedoch in dem den Fachgericht eingeräumten Auslegungsspielraum hält).
Rdn 1676
2.a) Zu Unklarheiten kann es bei widerstreitenden Erklärungen kommen, wenn entweder sowohl der Angeklagte als auch für diesen dessen Verteidiger oder mehrere Verteidiger für den Angeklagten Rechtsmittel eingelegt und danach das vom einen eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen, das des anderen aber aufrechterhalten bleibt oder der einer das Rechtsmittel zurücknimmt und der andere dem widerspricht. Besteht eine Mehrheit von Verteidigern, die sämtlich für den Angeklagten Rechtsmittel eingelegt haben, kann dieses aber zugleich mit Wirkung für alle anderen von jedem Verteidiger zurückgenommen werden, der zur Rücknahme wirksam ermächtigt ist (BGH StraFo 2004, 98).
☆ Erklärt der Angeklagte bei eingelegtem Rechtsmittel dessen Rücknahme und geht ein Schreiben des Verteidigers, in dem die Rücknahmeerklärung widerrufen wird, vor Eingang der Rücknahmeerklärung bei Gericht ein, ist die durch den Angeklagten erklärte Rechtsmittelrücknahme unwirksam (OLG Hamm StraFo 2008, 33).Rücknahmeer...