Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Soll die Bevollmächtigung urkundlich dokumentiert werden, reicht es aus, dass sich aus dem Schriftstück ergibt, wer, wen, wozu bevollmächtigt. |
2. |
Jeder Wahlverteidiger ist befugt, Untervollmacht zu erteilen, sofern er in der ihm erteilten Vollmacht hierzu ermächtigt ist. |
Rdn 1794
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Vollmacht, Allgemeines, Teil A Rdn 1769.
Rdn 1795
1.a) Soll die Bevollmächtigung urkundlich dokumentiert werden, reicht es aus, dass sich aus dem Schriftstück ergibt, wer, wen, wozu bevollmächtigt.
Rdn 1796
b) Muster: Verteidigervollmacht (s.a. Burhoff, EV, Rn 4245)
Muster A.16: Verteidigervollmacht
Muster A.16: Verteidigervollmacht
In der Strafsache gegen mich bevollmächtige ich Frau Rechtsanwältin _________________________ mit meiner Verteidigung.
Rdn 1797
c) Jeder mit der Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt lässt sich ungeachtet des fehlenden Formzwangs vom Mandanten i.d.R. drei Vollmachtsformulare unterschreiben.
Rdn 1798
aa) Die Vollmachtsvorlage bei den Verfolgungsbehörden ist zwar nicht zwingend, weil das Fehlen einer Urkunde das Verteidigungsverhältnis selbst (Innenvollmacht) nicht berührt (s.a. BGHSt 36, 259, 260; NStZ 2005, 583 [für Rechtsmittelrücknahme]; StraFo 2010, 339; KG VRR 2012, 74 m. Anm. Burhoff; OLG Brandenburg VRS 117, 305 [an keine Form gebunden]; OLG Jena VRS 108, 276; OLG München StV 2008, 127; OLG Schleswig SchlHA 2010, 283 [Dö/Dr]; LG Ellwangen NStZ 2003, 331 [für AE]; LG Cottbus StraFo 2002, 233 [für AE]; Burhoff, EV, Rn 4231; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 137 Rn 9 m.w.N.; Meyer-Lohkamp/Venn StraFo 2009, 265, 267).
☆ Äußert das Gericht aber Zweifel an der Bevollmächtigung, kann es einen Nachweis verlangen (s. z.B. OLG München StV 2008, 127, 128; s. dazu auch BVerfG NJW 2012, 141 mit Anm. Burhoff StRR 2011, 426 [nachvollziehbare Gründe erforderlich]).Zweifel an der Bevollmächtigung, kann es einen Nachweis verlangen (s. z.B. OLG München StV 2008, 127, 128; s. dazu auch BVerfG NJW 2012, 141 mit Anm. Burhoff StRR 2011, 426 [nachvollziehbare Gründe erforderlich]).
Rdn 1799
bb) Befindet sich der Mandant in U-Haft oder (in anderer Sache) in Strafhaft, benötigt der Wahlverteidiger eine Vollmachtsurkunde, da er andernfalls (mit Ausnahme des durch Sprechschein genehmigten Anbahnungsgesprächs) in der JVA nicht als Verteidiger registriert werden wird (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 3897 ff.).
Rdn 1800
cc) Eine weitere Ausfertigung der Vollmacht sollte für den Fall erforderlicher Ermittlungen vorgehalten werden.
Rdn 1801
Beispiel:
Die Ehefrau des Mandanten ruft am Morgen des HV-Tages in der Kanzlei an und teilt mit, ihr Mann könne zum Termin nicht erscheinen, da er erkrankt sei. Bereits gestern sei der Arzt … da gewesen und habe ihn krankgeschrieben.
Schon weil hier aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeit sofortiges Handeln des Verteidigers geboten ist, wenn gerichtliche Zwangsmaßnahmen infolge des Ausbleibens vermieden werden sollen, befreit das Vorhandensein einer Vollmachtsurkunde – wenn er sich nicht bereits eine Entbindungserklärung zu Beginn seiner Tätigkeit hat unterzeichnen lassen – den Verteidiger hier von langwierigen Diskussionen mit dem behandelnden Arzt über dessen Verschwiegenheitsverpflichtung.
Rdn 1802
d) Im Handel erhältliche, vorgedruckte oder in Fachbüchern enthaltene Vollmachtsmuster (z.B. Burhoff, EV, Rn 4245) beinhalten für den Strafprozess eine Vielzahl von Ermächtigungen des Rechtsanwalts, die alle nur denkbaren Verfahrenskonstellationen abdecken. Ob der Mandant, wenn er das Formular unterschreibt, überhaupt erfasst, in welchem Umfang er seinen Verteidiger ermächtigt, ist schon im Hinblick auf die Ausgestaltung des Formulars als Katalog und die darin enthaltenen juristischen Fachbegriffe äußerst zweifelhaft. Speziell im Fall eines Verteidigerwechsels bei zuvor eingetretenen nachteiligen Rechtsfolgen für den Mandanten bekommt der neue Verteidiger immer wieder zu hören, dass der Mandant den früheren Verteidiger zu dieser oder jener (Prozess-)Handlung überhaupt nicht ermächtigen wollte.
☆ Vorformulierte Vollmachtsformulare stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar (BGH StraFo 2006, 454), sodass ihr Inhalt u.a. auch am Maßstab des § 305c BGB überprüft werden kann.Allgemeine Geschäftsbedingungen dar (BGH StraFo 2006, 454), sodass ihr Inhalt u.a. auch am Maßstab des § 305c BGB überprüft werden kann.
Rdn 1803
Jedenfalls müssen vorformulierte Vollmachtsformulare daraufhin durchgesehen werden, ob die erhaltenen Ermächtigungen im konkreten Einzelfall erforderlich sind oder sich nicht sogar zum Nachteil des Mandanten auswirken können.
Rdn 1804
Beispiel:
Steht fest, dass der Mandant – aus welchen Gründen auch immer – zu einem künftigen HV-Termin nicht erscheinen will/kann, darf nicht davon ausgegangen werden, dass er seinem Verteidiger auch zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigen will.
Rdn 1805
In dieser Konstellation muss der Verteidiger die in der vorgedruckten Vollmacht enthaltene Ermächtigun...