Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Eine Wohnung i.S.d. der Zustellungsvorschriften erfüllt nur dann die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung, wenn der Zustellungsempfänger in den Räumen lebt und insbesondere, wenn er dort schläft. Die Wohnung darf nicht aufgegeben sein. |
2. |
Ersatzpersonen sind erwachsene Familienangehörige und Mitbewohner sowie in der Familie beschäftigte Personen. |
Rdn 1989
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1846.
Rdn 1990
1.a) Eine Wohnung i.S.d. der Zustellungsvorschriften erfüllt nur dann die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung, wenn der Zustellungsempfänger in den Räumen lebt und insbesondere, wenn er dort schläft. Unwesentlich ist dagegen, ob sich in diesen Räumlichkeiten auch der Wohnsitz des Adressaten i.S.d. § 7 BGB befindet oder ob der Adressat in dieser Wohnung polizeilich gemeldet ist (OLG Jena, Beschl. v. 5.12.2007 – 1 Ss 262/07; Burhoff, HV, Rn 3632 m.w.N.). Dies gilt auch, wenn der Zustellungsadressat zwar gegenüber der Gemeinde die Erklärung abgegeben hat, dass er seinen bisherigen Wohnsitz aufgebe, wegen seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit jedoch noch keinen neuen Wohnsitz begründe, und er regelmäßig in die bisher von ihm zusammen mit seiner Mutter bewohnte Wohnung zurückkehrt, insbesondere weil er einer richterlichen Meldeauflage unterliegt (BayObLG, Beschl. v. 20.7.1994 – 3 ObOWi 59/94).
☆ Die tatsächliche Nutzung einer Räumlichkeit zu Wohnzwecken ist allerdings dann nicht Voraussetzung für eine wirksame Ersatzzustellung, wenn die Anschrift vom Zustellungsadressaten als Kontaktadresse genutzt wird, er insbesondere die dort für ihn eingehende Post abholt (BayObLGSt 2004, 33 = VRS 106, 452; OLG Hamm NZV 2004, 600; s. Rdn 1992 ).Kontaktadresse genutzt wird, er insbesondere die dort für ihn eingehende Post abholt (BayObLGSt 2004, 33 = VRS 106, 452; OLG Hamm NZV 2004, 600; s. Rdn 1992).
Rdn 1991
Studenten haben während des Semesters ihren Lebensmittelpunkt am Studienort, in den Semesterferien i.d.R. woanders, ggf. bei ihren Eltern (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996, 245; LG Ellwangen StV 1985, 496; Burhoff, HV, Rn 3632). Während eines Auslandssemesters wohnen sie i.S.d. Zustellvorschriften am ausländischen Aufenthaltsort (OLG Hamm VRR 2007, 403 [Ls.]).
Rdn 1992
b) Ist der Zustellungsadressat "ausgezogen", scheidet eine Ersatzzustellung aus (AG Eberswalde zfs 2007, 174), weil dann der räumliche Lebensmittelpunkt endgültig verlagert ist (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2006, 309) und eine Beziehung zur bisherigen Wohnung nicht mehr besteht. Es kommt nicht darauf an, ob sich der Adressat bei der Gemeinde auch ordnungsgemäß abgemeldet hat (LG Ravensburg StV 1993, 516 [Ls.]). Maßgeblich ist allein, ob der Zustellungsadressat in seine vormalige Wohnung zurückkehren will (OLG Zweibrücken Beschl. v. 28.1.1988 – 1 Ws 650/87). Auch demjenigen, der seine Wohnung aufgibt, um unterzutauchen, kann dort nicht mehr ersatzweise wirksam zugestellt werden (OLG Schleswig SchlHA 1992, 166 [L/T]); ggf. hat eine öffentliche Zustellung zu erfolgen (OLG Oldenburg Nds.Rpfl 1993, 75). Auch wer eine Wohnung lediglich zum Schein vorhält, sie sozusagen als "Bad Bank" für Zustellungen nutzt, um seine tatsächliche Wohnung zu verschleiern, kann sich dadurch vor einer wirksamen Ersatzzustellung nicht schützen (OLG Jena NStZ-RR 2006, 238; Burhoff, HV, Rn 3632 m.w.N.).
Rdn 1993
In den Fällen des Getrenntlebens durch Auszug aus der ursprünglich gemeinsamen Wohnung kommt es darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang noch eine Beziehung zu dieser besteht. Lebt und wohnt der Zustellungsadressat vom Ehepartner getrennt "in Scheidung", so ist die (Ersatz-)Zustellung an den Ehepartner nicht ordnungsgemäß (OLG Hamm MDR 1998, 182). Hat sich dagegen ein Fernfahrer von seiner Ehefrau getrennt und ist (zeitweilig) in einen Lkw "übergesiedelt", wodurch er keine neue Wohnung begründet hat, ist der ursprüngliche Lebensmittelpunkt noch nicht aufgegeben, wenn zwischen dem Adressaten und seiner Ehefrau nach wie vor telefonischer Kontakt besteht (OLG Hamburg NJW 2006, 1685).
Rdn 1994
c)aa) Nicht jede vorübergehende Abwesenheit, selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft der Räumlichkeit als Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (BGH NJW 1978, 1858); denn in diesem Fall wird die Räumlichkeit zum Zustellungszeitpunkt tatsächlich nicht (mehr) als Wohnung genutzt mit der Folge, dass die Ersatzzustellung unzulässig ist (Burhoff, HV, Rn 3632 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der Adressat sich nur unregelmäßig und allenfalls an Wochenenden in der Räumlichkeit aufhält, teilweise auch über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht. Auch das Fehlen eines Nachsendeantrags sowie die weitere Verwendung der Anschrift im Internetauftritt des Adressaten führt nicht zur Wirksamkeit der Ersa...