Rdn 2175

 

Literaturhinweise:

Leipold, Die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht, StraFo 2010, 353

s. auch die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006.

 

Rdn 2176

1. Die HV vor dem Revisionsgericht ist nicht vergleichbar mit der HV vor dem Tatgericht. Im Einzelnen gilt Folgendes:

 

Rdn 2177

2. Weder der Angeklagte noch der Verteidiger müssen geladen werden. Ausreichend ist es gem. § 350 Abs. 1, wenn ihnen Ort und Zeit der HV formlos mitgeteilt werden. Da eine förmliche Ladung nicht ergeht, sind die §§ 217, 218, 145a Abs. 2 nicht anwendbar, sodass Ladungsfristen nicht eingehalten werden müssen. Ist die Terminsmitteilung gänzlich unterblieben, soll dies nach verbreiteter Auffassung folgenlos bleiben (OLG Köln NJW 1957, 74; Meyer-Goßner/Schmitt, § 350 Rn 11 m.w.N.). Gem. § 350 Abs. 2 S. 1 kann der Angeklagte in der HV erscheinen, er ist hierzu aber nicht verpflichtet, sondern kann sich auch durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Da in der HV vor dem Revisionsgericht nur Rechtsfragen erörtert werden, ist ein persönlicher Eindruck ebenso wenig notwendig, wie eine Einlassung des Angeklagten zur Sache (vgl. BGHSt 41, 16, 19).

 

Rdn 2178

Auch der Wahlverteidiger ist, unabhängig davon, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt oder nicht, nach dem Wortlaut des § 350 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 grds. nicht zur Anwesenheit verpflichtet (Pfeiffer, § 350 Rn 2). Nach Auffassung des 2. Strafsenats des BGH genügt die Praxis, eine Revisions-HV ohne Anwesenheit des Angeklagten und seines gewählten Verteidigers durchzuführen, nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 Buchst. c) EMRK (BGH NJW 2014, 3527 m. Anm. Pießkalla StRR 2015, 25 und Anm. Meyer-Mews NJW 2014, 3527). Teilt ein Wahlverteidiger, dem der HV-Termin mitgeteilt worden ist, mit, dass er zur HV vor dem Revisionsgericht nicht erscheinen werde, ist er nach Auffassung des 2. Strafsenats des BGH in der Regel zum Pflichtverteidiger für die Revisions-HV zu bestellen (BGH NJW 2014, 3527). Ein nach § 350 Abs. 3 oder gem. § 140 Abs. 2 beigeordneter Pflichtverteidiger hat den HV-Termin wahrzunehmen. Bleibt er aus, muss die Sitzung vertagt und ein neuer Verteidiger bestimmt werden (BVerfG NJW 1984, 113; BGHSt 19, 258, 263). Für den Nebenkläger und den Vertreter der revisionsführenden örtlichen StA besteht ebenfalls keine Anwesenheitspflicht.

 

☆ Ein inhaftierter Angeklagter hat gem. § 350 Abs. 2 S. 2 keinen Anspruch auf Anwesenheit (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit s. BVerfGE 54, 100, 116; 65, 171, 177 und darauf Bezug nehmend BGH, Urt. v. 10.12.2013 – 5 StR 387/13). Hat ein inhaftierter Angeklagter keinen Verteidiger, ist ihm auf seinen Antrag ein Pflichtverteidiger beizuordnen (§ 350 Abs. 3; →  Revision, Pflichtverteidiger , Teil A Rdn  2187 ).inhaftierter Angeklagter hat gem. § 350 Abs. 2 S. 2 keinen Anspruch auf Anwesenheit (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit s. BVerfGE 54, 100, 116; 65, 171, 177 und darauf Bezug nehmend BGH, Urt. v. 10.12.2013 – 5 StR 387/13). Hat ein inhaftierter Angeklagter keinen Verteidiger, ist ihm auf seinen Antrag ein Pflichtverteidiger beizuordnen (§ 350 Abs. 3; → Revision, Pflichtverteidiger, Teil A Rdn 2187).

 

Rdn 2179

3. Der Ablauf der HV vor dem Revisionsgericht ist in § 351 geregelt. Er gestaltet sich wie folgt:

 

Rdn 2180

a) Zunächst werden im Vortrag des Berichterstatters der Ablauf und die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens dargelegt. Dies kann auch der Vorsitzende übernehmen.

 

Rdn 2181

I.d.R. werden in dem Bericht folgende Aspekte thematisiert:

die Formalitäten der Anfechtung,
die Feststellungen des tatrichterlichen Urteils, soweit sie für die Revision von Bedeutung sind; hiervon kann abgesehen werden, wenn alle Mitglieder des Gerichts das Urteil kennen,
die vom Revisionsführer erhobenen Verfahrensrügen mit allen dazugehörigen Unterlagen,
die wesentlichen Teile des tatrichterlichen HV-Protokolls,
etwaige im Freibeweisverfahren erhobene Beweisergebnisse.
 

Rdn 2182

b) Anschließend werden zuerst der Beschwerdeführer (ggf. auch der Nebenklägervertreter) und dann die StA beim Revisionsgericht gehört. Da der Berichterstatter i.d.R. bereits die Verfahrensrügen dargestellt hat, bleibt dem Verteidiger häufig nur die Begründung der Sachrüge. Da die Revision nur die rechtliche Überprüfung eines Urteils eröffnet, muss sich der Verteidiger auf Rechtsausführungen beschränken. Nicht selten sucht das Revisionsgericht ein Rechtsgespräch mit dem Verteidiger hinsichtlich der Fragen, die es für die Revisionsentscheidung als wesentlich ansieht und klopft mögliche "Schwachstellen" der Revision im Rahmen einer Diskussion ab.

 

☆ Der Verteidiger muss sich vor Augen halten, dass eine Revisions-HV regelmäßig nur dann anberaumt wird, wenn die Mitglieder des Revisionsgerichts keine Einstimmigkeit zu den in der Revision aufgeworfenen Fragen erzielt haben. Er muss deshalb zusätzliche , seine Revision stützende Argumente in das Rechtsgespräch einbringen bzw. Kritikpunkte ad hoc entkräften können, um ...

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