Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Revisionsgericht prüft die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler. |
2. |
Erfolg verspricht die Sachrüge gegen die Beweiswürdigung insbesondere in den Fällen, in denen diese lückenhaft oder widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstößt. |
Rdn 2233
Literaturhinweise:
Fischer, Glaubwürdigkeitsbeurteilung und Beweiswürdigung, NStZ 1994, 1
s. auch die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Sachrüge, Begründung, Allgemeines, Teil A Rdn 2222.
Rdn 2234
1.a) Gem. § 261 entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Zwar ist die Beweiswürdigung "ureigene Aufgabe" des Tatrichters (s. Fischer NStZ 1994, 1), d.h. aber nicht, dass sie nicht revisionsrechtlich überprüfbar wäre. Allerdings überprüft das Revisionsgericht die Beweiswürdigung des Tatrichters nur auf Rechtsfehler, es kann nicht seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Tatgerichts setzen (BGHSt 29, 18, 20). Grundlage der Prüfung ist im Rahmen der Sachrüge allein der Inhalt des tatrichterlichen Urteils (BGH NStZ-RR 2008, 148; vgl. auch BGHSt 35, 238, 241; Burhoff, HV, Rn 2306).
Rdn 2235
b) Hinweis für den Verteidiger
Der Verteidiger muss sich auf die Rüge entsprechender Rechtsfehler (vgl. a. Rdn 2236 ff.) beschränken. Es nützt ihm nichts, wenn er in seiner Revisionsbegründung lediglich andere Schlussfolgerungen zieht als das Tatgericht. Die Revision kann keinen Erfolg haben mit der Einwendung, eine andere Würdigung des Beweisergebnisses sei ebenfalls möglich oder sogar einleuchtender oder naheliegender. Auch wenn sich der Tatrichter also in seinem Urteil für die unwahrscheinlichste Bewertung der Beweisergebnisse entschieden haben sollte, ist das Revisionsgericht an diese Beweiswürdigung gebunden und hat sie hinzunehmen (st.Rspr., z.B. BGH NJW 2003, 150, 152; 2005, 2322, 2326; NStZ-RR 2008, 146; 2013, 387; BGH, Urt. v. 17.7.2007 – 5 StR 186/07). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Verurteilungen wie Freisprüche (vgl. a. BGH NStZ-RR 2010, 85, 86; Urt. v. 26.4.2012 – 4 StR 599/11).
☆ Bei der Ausarbeitung der Sachrüge darf der Verteidiger nicht versuchen, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu setzen. Verfehlt ist es insbesondere, eine vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung als nicht zwingend anzugreifen (BGH NStZ 1990, 28 [Mi], NStZ 1990, 228 [Mi]), weil ein gezogener Schluss nur möglich sein muss, um die gem. § 261 notwendige richterliche Überzeugung herbeizuführen. Logisch unmögliche Schlüsse (Trugschlüsse) können demgegenüber Erfolg versprechend gerügt werden.Ausarbeitung der Sachrüge darf der Verteidiger nicht versuchen, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu setzen. Verfehlt ist es insbesondere, eine vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung als "nicht zwingend" anzugreifen (BGH NStZ 1990, 28 [Mi], NStZ 1990, 228 [Mi]), weil ein gezogener Schluss nur möglich sein muss, um die gem. § 261 notwendige richterliche Überzeugung herbeizuführen. Logisch unmögliche Schlüsse (Trugschlüsse) können demgegenüber Erfolg versprechend gerügt werden.
Rdn 2236
2. Erfolg verspricht die Sachrüge gegen die Beweiswürdigung insbesondere in den Fällen, in denen diese lückenhaft oder widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstößt.
Rdn 2237
a) Rechtsprechungsübersicht: Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung
▪ |
die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zulassen und somit die Entscheidung beeinflussen können (BGHSt 44, 153, 159; BGH NJW 2006, 925, 928; StV 1995, 6, 7; 1997, 513; 1998, 362; 2001, 440; s. auch Burhoff, HV, Rn 2307 ff.); die Pflicht zur Darstellung sämtlicher entscheidungserheblicher Tatsachen zwingt aber nicht zu einer umfassenden Dokumentation der Beweisaufnahme (BGHSt 15, 347, 348; BGH NJW 2004, 2248, 2250; |
▪ |
naheliegende Möglichkeiten, zu deren Erörterung der Sachverhalt drängt, werden außer Betracht gelassen (BGHSt 49, 342, 344; BGH NStZ 1987, 474; StraFo 2008, 431 [nicht erschöpfende Beweiswürdigung beim Alibibeweis]; NStZ-RR 2006, 258 [Be]; 2014, 213; BGH, Beschl. v. 1.7.2008 – 1 StR 654/07; hierzu zählt insbesondere auch die Notwendigkeit, sich mit naheliegenden (nicht nur rein theoretischen) Alternativhypothesen zu befassen (BGHSt 45, 164; BGH NJW 2007, 384, 387; BGH Beschl. v. 10.6.2008 – 5 StR 109, 08); |
▪ |
die Ausführungen des Tatgerichts bleiben so substanzarm, dass sie vom Revisionsgericht nicht nachvollzogen werden können, wie z.B. bei der pauschalen und floskelhaften Bewertung von Zeugenaussagen als "nachvollziehbar", "glaubhaft" oder "plastisch", ohne dies zumindest bespielhaft mit Tatsachen zu unterlegen (BGH StV 2000, 599); |
▪ |
die besonderen Anforderungen in Fällen von Aussage-gegen-Aussage nicht eingehalten w... |