Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Rdn 2241
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Sachrüge, Begründung, Allgemeines, Teil A Rdn 2222.
Rdn 2242
1.a) Ein sachlich-rechtlicher Verstoß liegt vor, wenn eine auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt anzuwendende Norm nicht richtig angewendet oder wenn eine unanwendbare (Rechts-)Norm angewendet worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 337 Rn 33).
Rdn 2243
Eine Sachrüge kann deshalb insbesondere in den Fällen erhoben werden, in denen
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der Tatrichter eine Rechtsnorm falsch ausgelegt hat, |
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der festgestellte Sachverhalt unter eine bestimmte Rechtsnorm fehlerhaft subsumiert wurde oder |
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eine ungültige, nicht mehr existente oder noch nicht geltende Rechtsnorm zur Anwendung gekommen ist. |
Rdn 2244
b) Die hier denkbaren Fallgestaltungen sind vielfältig. Für den Verteidiger besteht bei Fehlern in der Rechtsanwendung ein breiter Argumentationsspielraum. Das Revisionsgericht ist nicht an die vom Tatrichter vertretene Rechtsauffassung gebunden, sodass es unter Zugrundelegung der vom Tatrichter festgestellten Tatsachen auch zu einer entgegengesetzten rechtlichen Bewertung des Sachverhalts gelangen kann (vgl. z.B. schon BGH VRS 54, 436). Auch eine übereinstimmende rechtliche Würdigung seitens des Tatgerichts und der Verfahrensbeteiligten im Rahmen einer Verständigung nach § 257c ist für das Revisionsgericht gem. § 257c Abs. 2 S. 3 ohne Bedeutung (BGH StV 2012, 134). Dies ermöglicht es dem Verteidiger, seine eigene Rechtsauffassung in der Revision zur Geltung zu bringen, um zu einer Aufhebung des Urteils zu gelangen. Hierbei ist zu beachten, dass auch die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durch das Revisionsgericht anders ausfallen kann, als durch das Tatgericht. Dies eröffnet der Revision breite Argumentationsspielräume. Ein Ermessensspielraum des Tatgerichts besteht nach der Rechtsprechung des BGH nur insoweit, als die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes mit Tatfragen in Rede steht (vgl. z.B. BGHSt 53, 6). Über die Definition der Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffes entscheidet das Revisionsgericht hingegen autonom. Steht dem Tatrichter bei der Anwendung der sachlich-rechtlichen Norm ein Ermessen zu, ist die ergangene Ermessenentscheidung nur begrenzt durch das Revisionsgericht überprüfbar. In einem solchen Fall kann seitens der Revision nur gerügt werden, dass der Tatrichter sein Ermessen nicht ausgeübt oder nicht alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt bzw. unzulässige Umstände einbezogen hat (vgl. BGHSt 15, 390, 393; 18, 238; BGH wistra 2009, 23).
Rdn 2245
2. Zu unterscheiden sind Fehler bei der Rechtsanwendung von Fehlern bei der Feststellung von Tatsachen. Die Rechtsanwendung ist nur dann betroffen, wenn die Revisionsrüge den im Urteil festgestellten Sachverhalt akzeptiert, ihn aber rechtlich abweichend gewürdigt sehen will. Sollen hingegen Fehler bei der "Herstellung" des im Urteil niedergelegten Sachverhalts gerügt werden, richtet sich die Revision gegen die Tatsachenfeststellungen als solche und nicht gegen ihre rechtliche Würdigung (s. hierzu → Revision, Sachrüge, Tatsachenfeststellungen, Teil A Rdn 2252).
Siehe auch: → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1289; → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006; → Revision, Sachrüge, Begründung, Allgemeines, Teil A Rdn 2222; → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307.