Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Rdn 2300
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307.
Rdn 2301
1.a) Hat die HV vollständig oder zeitweise in Abwesenheit der StA oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 i.V.m. der entsprechenden Anwesenheitsvorschrift des § 145 (Verteidiger bei notwendiger Verteidigung) § 226 (StA, Gericht, Protokollführer), §§ 230 ff., 247 (Angeklagter) oder § 185 GVG (Dolmetscher) vor (zur Anwesenheit in der HV Burhoff, HV, Rn 2310 ff.). Sind die genannten Personen lediglich physisch anwesend, aber geistig abwesend im Sinne einer Verhandlungsunfähigkeit, liegt ebenfalls eine Abwesenheit im Sinne des § 338 Nr. 5 vor. Das ist z.B. der Fall bei folgenden
Rdn 2302
Rechtsprechungsbeispielen
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Schlaf (BGHSt 2, 14; LR-Franke, § 338 Rn 83 und 43; zum "schlafenden" Richter Burhoff, HV, Rn 2687), |
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Trunkenheit (BGHSt 23, 331, 334), |
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Einfluss von Medikamenten oder Betäubungsmitteln (BGH MDR 1971, 723 [D]; LR-Franke, § 338 Rn 83 und 42); |
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fehlender Möglichkeit der Einflussnahme auf die Verhandlung, z.B. wenn aufgrund der Positionierung im Raum die visuelle oder akustische Wahrnehmbarkeit von Hauptverhandlungsinhalten unmöglich gemacht wird (BGH, Beschl. 19.6.2013 – 4 StR 26/13). |
☆ Für die Abwesenheit von Berufsrichtern und Schöffen gilt allerdings nicht § 338 Nr. 5 sondern die speziellere Vorschrift des § 338 Nr. 1 (BGHSt 44, 361, 365), unabhängig davon, ob die fehlerhafte Besetzung der Richterbank oder die körperliche bzw. geistige Abwesenheit der zuständigen Richter gerügt wird (vgl. KK- Gericke , § 338 Rn 71).Abwesenheit von Berufsrichtern und Schöffen gilt allerdings nicht § 338 Nr. 5 sondern die speziellere Vorschrift des § 338 Nr. 1 (BGHSt 44, 361, 365), unabhängig davon, ob die fehlerhafte Besetzung der Richterbank oder die körperliche bzw. geistige Abwesenheit der zuständigen Richter gerügt wird (vgl. KK-Gericke, § 338 Rn 71).
Rdn 2303
b) Liegt eine nur vorübergehende Abwesenheit vor, ist ein Revisionsgrund nur gegeben, wenn der versäumte Teil der HV wesentlich war (BGHSt 15, 263; 26, 84, 91; BGH NStZ 2011, 233, 34; Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 36 m.w.N.). Ein wesentlicher Teil der HV ist insbesondere gegeben, in folgenden
Rdn 2304
Rechtsprechungsbeispielen
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der Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache (BGHSt 9, 243, 244; BGH NStZ 1983, 375; vgl. Burhoff, HV, Rn 3067 ff. und 3072 ff.), |
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der Verlesung des Anklagesatzes (BGHSt 9, 243, 244; s. Burhoff, HV, Rn 2921), |
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sämtlichen Vorgängen, die zur Beweisaufnahme zählen (BGHSt 9, 243, 244; 15, 306; 21, 332, 334), |
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der Vernehmung eines Mitangeklagten (BGH StV 1986, 288), |
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der Vernehmung der Zeugen zur Person (OLG Hamm NJW 1992, 3252; s. Burhoff, Rn 3094), |
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der Erteilung eines gerichtlichen Hinweises nach § 265 (vgl. Burhoff, HV, Rn 1720 ff.), |
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den Schlussvorträgen (OLG Hamburg StV 1984, 111; s. dazu Burhoff, HV, Rn 2011 ff.), |
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der Verlesung der Urteilsformel (BGHSt 8, 41; 15, 263; 16, 178, 180; zur Urteilsverkündung Burhoff, HV, Rn 2761). |
☆ Demgegenüber soll z.B. kein wesentlicher Teil der HV vorliegen, beim Aufruf von Zeugen und Sachverständigen (BGHSt 15, 263) oder der Feststellung ihrer Vernehmungsfähigkeit (BGH StraFo 2010, 493), sowie der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe (BGHSt 15, 263; 16, 178, 180; BGH NStZ-RR 1998, 237).kein wesentlicher Teil der HV vorliegen, beim Aufruf von Zeugen und Sachverständigen (BGHSt 15, 263) oder der Feststellung ihrer Vernehmungsfähigkeit (BGH StraFo 2010, 493), sowie der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe (BGHSt 15, 263; 16, 178, 180; BGH NStZ-RR 1998, 237).
Ein Verfahrensfehler nach § 338 Nr. 5 kann vor dem Tatgericht unproblematisch dadurch geheilt werden, dass der betroffene Verfahrensvorgang in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten wiederholt wird (BGHSt 37, 48; BGH StraFo 2014, 335).
Rdn 2305
2. Der gem. § 344 Abs. 2 notwendige Rügeinhalt einer auf die vorschriftswidrige Abwesenheit gestützten Revision (§ 338 Nr. 5) lässt sich prüfen an folgender
Rdn 2306
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Der Vortrag, welche zur Anwesenheit verpflichtete Person gefehlt hat bzw. geistig im Sinne einer Verhandlungsunfähigkeit abwesend war, |
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die detaillierte Schilderung der Gründe für die Abwesenheit dieser Person (z.B. unterbliebene oder nicht ordnungsgemäße Ladung, nicht ordnungsgemäße Entbindung vom Erscheinen, Schlaf, Trunkenheit), |
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soweit die Abwesenheit auf einer Entfernung der betroffenen Person beruht, wie z.B. bei der Entfernung des Angeklagten gem. § 247, die vollständige Mitteilung des entsprechenden Gerichtsbeschlusses im Wortlaut und dessen Ausführung, sowie die Dauer der Abwesenheit und damit zusammenhängend der Vortrag, dass der Ausschluss des Angeklagten für den durchgeführten Verhandlungsteil nicht zulässig war, |
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die Darlegung, welche Verfahrensvorgänge sich in Abwesenheit dieser Person ereignet haben, und damit zusammenhängend der Vortrag, dass und ... |