Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Rdn 2320
Literaturhinweise:
Erker, Das Beanstandungsrecht gem. § 238 II StPO, 1988
s. auch die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307, sowie bei Burhoff, HV, Rn 2322.
Rdn 2321
1. Die fehlende Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses nach § 238 Abs. 2 in der HV kann zur Verwirkung einer an sich gegebenen Verfahrensrüge führen (vgl. Erker, S. 147 ff.; Dahs/Dahs, RV, Rn 383). § 238 Abs. 2 ist ein Zwischenrechtsbehelf, mit dem die auf die Sachleitung bezogenen Anordnungen des Vorsitzenden beanstandet werden können.
☆ § 238 Abs. 2 gilt nach wohl überwiegender Meinung auch für das Verfahren vor dem Strafrichter , obwohl hier Vorsitzender und Gericht identisch sind ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 238 Rn 18 m.w.N.). Relevant wird dies bei einer eventuellen Sprungrevision, weil dann der versäumte Antrag auf gerichtliche Entscheidung zum Rügeverlust führen kann.Strafrichter, obwohl hier Vorsitzender und Gericht identisch sind (Meyer-Goßner/Schmitt, § 238 Rn 18 m.w.N.). Relevant wird dies bei einer eventuellen Sprungrevision, weil dann der versäumte Antrag auf gerichtliche Entscheidung zum Rügeverlust führen kann.
Rdn 2322
Der Zwischenrechtsbehelf hat eine gewisse Doppelfunktion: So sollen einerseits durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung Fehler des Vorsitzenden im Rahmen der HV korrigiert und Revisionen vermieden werden (BGHSt 51, 144 m. Anm. Widmaier NStZ 2007, 230). Andererseits ist die Erhebung dieses Zwischenrechtsbehelfs grds. die Voraussetzung, um sich überhaupt eine spätere Rügemöglichkeit in der Revision zu erhalten, wenn das Gericht den Fehler des Vorsitzenden nicht korrigiert. Die Versäumung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 238 Abs. 2 führt deshalb nach der Rechtsprechung regelmäßig zum Rügeverlust in der Revision, wenn eine sachleitende Anordnung des Vorsitzenden beanstandet werden soll (BGHSt 1, 322, 325; 3, 368; 4, 364, 366; 11, 213, 215; 51, 144; BGH NStZ 2013, 608; eingehend zu § 238 Abs. 2 und zur Verhandlungsleitung des Vorsitzenden Burhoff, HV, Rn 2889 ff.).
Rdn 2323
2. Der Begriff Sachleitung ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Verhandlungsleitung des § 238 Abs. 1 (s. Meyer-Goßner/Schmitt, § 238 Rn 12). Zur Verhandlungsleitung des Vorsitzenden, zu der gem. § 238 Abs. 2 ein Gerichtsbeschluss herbeigeführt werden kann, gehören alle Maßnahmen zur Durchführung der HV, wie z.B. (s. ausführlich Burhoff, HV Rn 2889 ff.). Dazu folgende
Rdn 2324
Rechtsprechungsbeispiele (weitere Beispiele bei Burhoff, HV, Rn 2897 f.):
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Unzureichende Anhörung des Angeklagten, |
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Entscheidung über das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 (BGHSt 10, 104; 51, 144), |
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unzureichende Einräumung von Besprechungsmöglichkeiten zwischen Verteidiger und Angeklagtem, |
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Zurückweisung eines Beweisermittlungsantrags (BGH NStZ 2008, 109; aber nicht eines Beweisantrags, denn dieser ist zwingend gemäß § 244 Abs. 6 zu bescheiden, sodass es keines Beschlusses nach § 238 Abs. 2 bedarf), |
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Entziehung des Fragerechts (BGHSt 48, 372), |
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Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen (BGHSt 52, 355), |
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Unterbrechung oder Fortsetzung der HV, |
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Anordnung der Verlesung einer Urkunde; |
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Vorhalte an Zeugen, |
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Entscheidung über die Vereidigung von Zeugen, |
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Weigerung nach Schluss der Beweisaufnahme noch Beweisanträge entgegenzunehmen. |
Rdn 2325
3. Der Verteidiger muss unmittelbar nach einer Prozess leitenden Anordnung bzw. Verfügung des Vorsitzenden auf die gerichtliche Entscheidung gemäß § 238 Abs. 2 antragen, wenn er die Verhandlungsleitung beanstanden will. Sämtliche Verfahrensbeteiligten haben dann zunächst ein Recht zur Stellungnahme. Anschließend hat das Gericht durch Beschluss über die Beanstandung zu entscheiden.
☆ Dies kann z.B. insbesondere bei Anträgen, die grds. keinen Gerichtsbeschluss erfordern , die Möglichkeit eröffnen, doch noch zu einer Beschlussentscheidung des gesamten Spruchkörpers zu gelangen.keinen Gerichtsbeschluss erfordern, die Möglichkeit eröffnen, doch noch zu einer Beschlussentscheidung des gesamten Spruchkörpers zu gelangen.
Unterbleibt der Beschluss, rechtfertigt das für sich genommen allerdings noch nicht die Revision, sondern kann allenfalls eine Beschränkung der Prozessführungsmöglichkeiten des Angeklagten darstellen, welche in der Revision näher ausgeführt werden müsste (BGH NStZ 2014, 513).
Rdn 2326
4. § 238 Abs. 2 sieht keine bestimmte Form der Beanstandung vor, sodass neben einer ausdrücklichen Beanstandung auch schlüssiges Verhalten genügt, wenn sich aus diesem ergibt, dass eine Gerichtsentscheidung verlangt wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 238 Rn 16). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nur Erfolg versprechend, wenn die Unzulässigkeit der auf die Sachleitung bezogenen Anordnung des Vorsitzenden gerügt und eine Beschwer behauptet wird. Bloß unzweckmäßige oder unangebrachte Anordnungen können nicht angegriffen werden.
Rdn 2327
Daraus folgt, dass die Maßnahme des Vorsitzenden
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gegen gesetzliche Vorschrift... |