Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Behandlung eines Beweisantrags durch das Gericht kann unter verschiedenen Gesichtspunkten fehlerhaft sein.
2. Zu den allgemeinen Rügevoraussetzungen der Beweisantragsrüge im Revisionsverfahren zählen die Stellung eines Beweisantrags in der HV und das Vorliegen der Rügeberechtigung.
3. Neben den allgemeinen Voraussetzungen einer Verfahrensrüge sind besondere Rügevoraussetzungen bei der Beweisantragsrüge zu beachten.
4. Über die Rüge der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrags hat das Revisionsgericht allein auf der Grundlage der nachgewiesenen Verfahrenstatsachen zu entscheiden.
5. Das Vorliegen eines Verfahrensfehlers kann grds. nur durch das HV-Protokoll und dessen absolute Beweiskraft nach § 274 bewiesen werden.
6. Anhand von Beispielen Erfolg versprechender Rügen zu den einzelnen Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 bis 6 bzw. des § 245 wird deutlich, an welchen Punkten der Verteidiger mit der Revision ansetzen kann.
 

Rdn 2361

 

Literaturhinweise:

Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl. 2013

Becker, Die Rechtsprechung des BGH zum Beweisantragsrecht, NStZ 2004, 436

Fezer, Die "Herabstufung" eines Beweisantrags in der Revisionsinstanz, in: Festschrift für Meyer-Goßner, S. 629 ff.

Hamm/Hassemer/Pauly, Beweisantragsrecht, 2. Aufl. 2007

Witting/Junker, Aktuelle Entwicklungen der BGH-Rspr. zum Beweisantragsrecht, StRR 2011, 288 ff.

s. auch die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307.

 

Rdn 2362

1. Die Behandlung eines Beweisantrags durch das Gericht kann unter verschiedenen Gesichtspunkten fehlerhaft sein. Eine Verfahrensrüge in Form der Beweisantragsrüge kommt insbesondere dann in Betracht,

wenn ein Beweisantrag nicht oder nicht rechtzeitig beschieden worden ist,
wenn der Ablehnungsbeschluss keine Begründung enthält oder die im Ablehnungsbeschluss enthaltene Begründung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt,
wenn der Ablehnungsbeschluss im Widerspruch mit dem Urteilsinhalt steht,
wenn einen Beweisantrag stattgegeben wurde, ohne dass der Beweis tatsächlich erhoben worden ist,
wenn das Gericht seine Hinweispflichten verletzt hat.
 

Rdn 2363

In allen Fällen der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrags wird die Verfahrensrüge auf eine Verletzung der §§ 244 Abs. 3 bis 6 bzw. 245 gestützt. Liegt ein förmlicher Beweisantrag vor, der fehlerhaft behandelt wurde, bedarf es grds. keiner (zusätzlichen) Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 80). Eine Aufklärungsrüge ist nur dann notwendig, ein Beweisantrag nicht gestellt oder als unzulässig abgelehnt (BGH NStZ 1984, 210 [Pf/M]) bzw. nach Beweisantragsgrundsätzen verbeschieden worden ist (BGH NStZ 2004, 370) und dennoch ein Aufklärungsdefizit vorliegt. Da Beweisanregungen und Beweisermittlungsanträge keine förmlichen Beweisanträge im Sinne der §§ 244 Abs. 3 bis 6, 245 sind, kann der fehlerhafte Umgang mit ihnen nicht mit einer Beweisantragsrüge nach den §§ 244 Abs. 3 bis 6, 245, sondern nur mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden (vgl. hierzu ausführlich auch unten Rdn 2366; → Verfahrensrüge, Aufklärungsrüge [§ 244 Abs. 2], Teil A Rdn 2329).

 

Rdn 2364

Besonders problematisch sind die Fälle, in denen der Verteidiger meint, einen förmlichen Beweisantrag gestellt zu haben, das Tatgericht diesen aber nur als Beweisermittlungsantrag angesehen hat oder das Revisionsgericht den Antrag zum bloßen Beweisermittlungsantrag "herabstuft" (s. zu dieser Problematik ausführlich Fezer, S. 629 ff.). Hier reicht es nicht aus, lediglich eine Verletzung der §§ 244 Abs. 3 bis 6 bzw. 245 zu rügen, da diese Rügen leer laufen, wenn das Revisionsgericht die vom Verteidiger gestellten Anträge lediglich als Beweisermittlungsanträge ansehen sollte.

 

☆ Es muss deshalb in diesen Fällen zusätzlich zur Rüge der fehlerhaften Behandlung des Beweisantrags nach §§ 244 Abs. 3 bis 6 bzw. 245 noch eine Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 erhoben werden (BGHSt 39, 251 = NStZ 1993, 550 mit Anm. Widmaier = StV 1993, 454 mit Anm. Hamm; →  Verfahrensrüge, Aufklärungsrüge [§ 244 Abs. 2] , Teil A Rdn  2329 ). Nur dann ist es irrelevant, ob das Revisionsgericht die vom Verteidiger gestellten Anträge als Beweisanträge oder lediglich als Beweisermittlungsanträge ansieht. Geht das Revisionsgericht von förmlichen Beweisanträgen aus, greift die Rüge der Verletzung der §§ 244 Abs. 3 bis 6, 245. Geht das Revisionsgericht hingegen von bloßen Beweisermittlungsanträgen aus, greift die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2.zusätzlich zur Rüge der fehlerhaften Behandlung des Beweisantrags nach §§ 244 Abs. 3 bis 6 bzw. 245 noch eine Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 erhoben werden (BGHSt 39, 251 = NStZ 1993, 550 mit Anm. Widmaier = StV 1993, 454 mit Anm. Hamm; → Verfahrensrüge, Aufklärungsrüge [§ 244 Abs. 2], Teil A Rdn 2329). Nur dann ist es irrelevant, ob das Revisionsgericht die vom Verteidiger gestellten Anträge als Beweisanträge oder lediglich als Beweisermittlungsanträge ansieh...

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