Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Rdn 2435
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307.
Rdn 2436
1.a) Der Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 ist in Wirklichkeit kein absoluter Revisionsgrund. Das ergibt sich daraus, dass die Beschränkung der Verteidigung "in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt" erfolgt sein muss. Damit ist nichts anderes gemeint, als das "Beruhen" im Sinne des § 337, denn wesentlich ist die Beschränkung nur dann, wenn das Urteil auf ihr beruht.
Rdn 2437
b) Folgendes ist zu beachten:
▪ |
Der Revisionsgrund ist nur eröffnet, wenn die Beschränkung der Verteidigung auf einem Beschluss des Gerichts beruht. Der Gerichtsbeschluss muss in der HV ergangen sein, ein Beschluss vor oder außerhalb der HV genügt nicht (BGHSt 21, 334, 359; KK-Gericke, §§ 338 Rn 102). Auch eine Anordnung des Vorsitzenden ist nicht ausreichend (BGH NStZ 2009, 51; vgl. zur Verhandlungsleitung des Vorsitzenden und zu den Beschlüssen nach § 238 Abs. 2 Burhoff, HV, Rn 2889 ff.). |
▪ |
Die Verteidigungsbeschränkung muss unzulässig sein. Das ist sie nach h.M. nur, wenn eine besondere Verfahrensvorschrift verletzt ist (BGHSt 21, 334, 360; 30, 131, 137; NStZ 1981, 361), oder das Gericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen bzw. seine Fürsorgepflicht nicht beachtet hat. Unzulässige Beschränkungen der Verteidigung in diesem Sinne sind z.B. (s. auch Burhoff, HV, Rn 2889 ff.)
▪ |
die Weigerung, Anträge des Verteidigers entgegenzunehmen (BGH NJW 1964, 1485; NStZ 1992, 346), |
▪ |
die Überraschung des Verteidigers und des Angeklagten mit einem abweichenden mündlichen SV-Gutachten in der Berufungs-HV (OLG Hamm NStZ 1996, 454), |
▪ |
die Unterlassung einer gebotenen Aktenbeiziehung (BGH NStZ 2010, 530 m.w.N.), |
▪ |
Ermessensfehler bei der Terminierung unter Zurückweisung eines Aussetzungsantrags nach § 228 (OLG Hamm StV 1990, 56 m. Anm. Julius), |
▪ |
die Verweigerung einer Aussetzung des Verfahrens trotz unzureichender Vorbereitung des Verteidigers (BGH NStZ 2000, 212; KG StV 1982, 10; OLG Karlsruhe StV 1991, 199). |
|
▪ |
Zwischen der unzulässigen Verteidigerbeschränkung und dem Urteil muss eine konkret-kausale Beziehung bestehen, da die Beschränkung einen für die Entscheidung wesentlichen Punkt betreffen muss (BGHSt 30, 131, 135; 44, 82, 90; BGH NStZ 2000, 212 m. Anm. Hammerstein NStZ 2000, 327). Eine Beschränkung, die nur generell (abstrakt) geeignet ist, die Entscheidung des Gerichts zu beeinflussen, reicht nicht aus (BGH NJW 2014, 2456). |
Rdn 2438
2. Das i.S.d. § 344 Abs. 2 S. 2 notwendige Rügevorbringen ergibt sich aus folgender
Rdn 2439
▪ |
sämtliche Tatsachen, aus denen sich die Beschränkung der Verteidigung unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften ergibt (BGH NStZ 2008, 110). Da sich der Sachvortrag in der Revision nach der jeweils verletzten Verfahrensvorschrift richtet, kann hier nur allgemein darauf hingewiesen werden, dass Vortrag umfassend die Grundlagen des Verfahrensverstoßes benennen und deutlich machen muss, warum dieser Verstoß eine Beschränkung der Verteidigung zur Folge hat (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 16.4.2015 – 1 StR 490/14 [insoweit nicht abgedr. in NStZ 2016, 42]). |
▪ |
Des Weiteren die inhaltliche, besser noch wörtliche Mitteilung des Beschlusses, durch den das Gericht die Beschränkung vorgenommen hat. Ging dem Beschluss ein Antrag der Verteidigung voraus, ist auch dieser wenigstens inhaltlich, besser wörtlich, mitzuteilen. |
▪ |
Schließlich die genaue Darlegung, aufgrund welcher Tatsachen, die Beschränkung einen für das Urteil wesentlichen Punkt betrifft (BGHSt 30, 131, 135; 49, 317, 327; BGH NStZ 2008, 115). |
Siehe auch: → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1289; → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307, m.w.N.