Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Generell unterfallen Maßnahmen der StA bei der Strafvollstreckung der Anfechtbarkeit nach §§ 23 ff. EGGVG, weil die Tätigkeit als Vollstreckungsbehörde zum Gebiet der Justizverwaltung gerechnet wird. Wegen § 23 Abs. 3 EGGVG gehen indessen die bereits in der StPO enthaltenen Rechtsschutzmöglichkeiten vor. |
2. |
Maßnahmen der Strafvollstreckung, die über §§ 23 ff. EGGVG gerichtlicher Kontrolle unterliegen sind insbesondere die Ladung zum Strafantritt und die Einweisung in eine bestimmte JVA, auch wenn sich der Verurteilte bereits in anderweitiger Haft befindet, wenn zur Durchführung der Vollstreckung Zwangsmaßnahmen (Vorführungs- und Vollstreckungshaftbefehl nach § 457 Abs. 2) angeordnet worden sind, wenn die StA es ablehnt, von der Vollstreckung zum Zweck der Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung des Verurteilten ins Ausland abzusehen (§ 456a) oder um Übernahme der Strafvollstreckung im Heimatland zu ersuchen (§ 71 IRG), wenn die StA es ablehnt, die Vollstreckung zur Durchführung einer Therapie zurückzustellen (§ 35 BtMG) und wenn die StA Entscheidungen trifft, die die Unterbrechung von Strafhaft oder die Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen (§ 43 StrVollstrO) betreffen. |
3. |
Lehnt die StA die Möglichkeit, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch Erbringung gemeinnütziger Arbeit abwenden zu können, ab, kann je nach Bundesland der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG eröffnet sein. |
4. |
Regelmäßig ist bei Anträgen nach §§ 23 ff. EGGVG gegen staatsanwaltschaftliche Vollstreckungsmaßnahmen vorab ein Vorschaltverfahren nach § 21 StrVollstrO zu durchlaufen. |
5. |
Im Rahmen der Vollstreckung von jugendrichterlichen Entscheidungen durch den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 Abs. 1 JGG) hängt die Art des Rechtsschutzes von der Funktion des Jugendrichters im konkreten Fall ab. |
6. |
Die Ablehnung von Gnade ist aufgrund der außerrechtlichen Natur des Gnadenakts unanfechtbar. Der Widerruf einer gewährten Gnade ist hingegen über §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar. In manchen Bundesländern bedarf es des vorherigen Durchlaufs eines Beschwerdeverfahrens. |
Rdn 439
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 324.
Rdn 440
1.a) Generell unterfallen Maßnahmen der StA bei der Strafvollstreckung der Anfechtbarkeit nach §§ 23 ff. EGGVG, weil die Tätigkeit als Vollstreckungsbehörde zum Gebiet der Justizverwaltung gerechnet wird. Ob die Maßnahme durch den funktionell zuständigen Rechtspfleger oder den StA ergangen ist, spielt dabei keine Rolle (§ 31 Abs. 6 RPflG). Zudem ist wegen § 24 Abs. 2 EGGVG regelmäßig nach § 21 StrVollstrO ein Vorschaltverfahren durchzuführen (→ Justizverwaltungsakte, Anfechtung [§§ 23 ff. EGGVG], Durchführung eines Vorverfahrens, Teil B Rdn 376).
Rdn 441
b) Wegen § 23 Abs. 3 EGGVG gehen indessen die bereits in der StPO enthaltenen Rechtsschutzmöglichkeiten vor (→ Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Vollstreckungsverfahren, Teil B Rdn 256). Dies gilt für folgende
Rdn 442
▪ |
Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung allgemein (wie z.B. fehlende Rechtskraft, Verjährung, Strafaussetzung zur Bewährung), |
▪ |
den Rechtsschutz gegen Entscheidungen zu Strafzeitberechnung nach §§ 37 ff. StrVollstrO (§ 458 Abs. 1), |
▪ |
Unterbrechungen nach § 454b Abs. 2, |
▪ |
Strafaufschub und -unterbrechung nach § 455, |
▪ |
Strafaufschub nach § 456, |
▪ |
Anordnung der Nachholung der Strafvollstreckung nach § 456a Abs. 2 S. 3 (§ 458 Abs. 2; zur Abgrenzung zum Widerruf der Absehensentscheidung nach § 456a OLG Hamm, Beschl. v. 12.7.2012 – III-3 Ws 167/12, NStZ-RR 2013,30; s.a. Teil B Rdn 449 ff.), |
▪ |
Zahlungserleichterungen bei Geldstrafe nach § 459a, |
▪ |
Geldstrafenbeitreibung nach § 459c, |
▪ |
Anordnung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe nach § 459e (§ 459o). |
Rdn 443
Eine Besonderheit stellt die Stellung eines Insolvenzantrages durch die StA als Vollstreckungsbehörde nach § 111i Abs. 2 dar. Trotz des Verweises von § 459o auf § 459h Abs. 2 S. 2 und von dort auf § 111i Abs. 2 hält der BGH (Beschl. v. 10.6.2020 – 5 Ars 17/19, 5 AR (Vs) 63/19, NZI 2020, 812) aus systematischen Gründen den Rechtsweg nach § 23 EGGVG für eröffnet. Der Überprüfung unterliegt dabei aber nur die Frage, ob die Voraussetzungen des § 111i Abs. 2 vorgelegen haben (BGH a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2022 – 302 AR 16/22).
Rdn 444
2)a) Insbesondere gegen die Ladung zum Strafantritt (§ 27 StrVollstrO) ist der Rechtsweg nach § 23 Abs. 1 EGGVG eröffnet, sei es, weil der Verurteilte direkt eine Aufnahme in den offenen Vollzug anstrebt (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 21.8.2012 – 3 VAs 22/12, NStZ-RR 2012, 389; OLG Hamm, Beschl. v. 22.4.2008 – 1 VAs 20/08, NStZ-RR 2008, 357, 358, OLG Naumburg, Beschl. v. 4.9.2008 – 1 VAs 10/08, OLGSt § 10 StVollzG Nr. 3; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.11.2009 – 1 VAs 2/09, StraFo 2010, 129, 130), oder weil er in eine von der Einweisungsverfügung abweichende JVA aufgenommen werden will (OLG Ham...