Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Klageerzwingungsverfahren kann nur betreiben, wer den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage nach § 171 gestellt hat und zugleich Verletzter ist. |
2. |
Antragsteller ist derjenige, der sich schon bei der StA mit dem (Straf-)Antrag nach § 171 in das Verfahren eingeschaltet hat. |
3. |
Dem Antragsteller wird vom Verfahrensrecht selbst die Verletzteneigenschaft in den Fällen zuerkannt, in denen er sich einem Strafverfahren als Nebenkläger (§ 395) anschließen kann. |
4. |
Der Verletztenbegriff des § 172 ist nach h.M. weit auszulegen. |
5. |
Nicht nur natürliche Personen können Verletzte sein, sondern Institutionen/Organisationen, Behörden und sonstige Organisationen. |
6. |
Zu Verletzteneigenschaft gibt es eine umfangreiche Kasuistik, die hier nach den einzelnen Abschnitten des StGB bzw. der Nebengebiete zusammengestellt ist. |
Rdn 569
Literaturhinweise:
Albrecht, Der Verletzte i.S.d. § 172 bei Vermögensdelikten, 2015
Burhoff, Der (neue) Begriff des Verletzten in § 373b StPO – Voraussetzungen und Auswirkungen, StRR 6/2022, 5
Frisch, Der Begriff des "Verletzten" im Klageerzwingungsverfahren, JZ 1974, 7
Hilger, Über den Begriff des Verletzten im Fünften Buch der StPO, GA 2007, 287
Peglau, Der Begriff des "Verletzten" i.S.v. § 172 I StPO, JA 1999, 55
Rackow, Die Darstellung der Verletzteneigenschaft durch den Anwalt im Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren, GA 2001, 482
Tiedemann, Zur Klageerzwingungsbefugnis von Aktionären und GmbH-Gesellschaftern, insbesondere bei Organuntreue, in: Festschrift für Volkmar Mehle, zum 65. Geburtstag, 2009, S. 625
Zielinski, Zur Verletzteneigenschaft des einzelnen Aktionärs im Klageerzwingungsverfahren bei Straftaten zum Nachteil des Aktionärs, wistra 1993, 6
s.a. die Hinw. bei → Klageerzwingungsverfahren, Allgemeines, Teil B Rdn 511.
Rdn 570
1. Das Klageerzwingungsverfahren kann nur betreiben, wer den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage nach § 171 StPO gestellt hat (→ Klageerzwingungsverfahren, Antragsteller, Teil B Rdn 559) und zugleich Verletzter (dazu Teil B Rdn 574 ff.).
Rdn 571
2. Antragsteller ist derjenige, der sich schon bei der StA mit dem (Straf) Antrag nach § 171 in das Verfahren eingeschaltet hat (Einzelh. → Klageerzwingungsverfahren, Antragsteller, Teil B Rdn 559).
Rdn 572
3.a) Dem Antragsteller (→ Klageerzwingungsverfahren, Antragsteller, Teil B Rdn 559) wird vom Verfahrensrecht selbst die Verletzteneigenschaft in den Fällen zuerkannt, in denen er sich einem Strafverfahren als Nebenkläger (§ 395) anschließen kann (dazu Burhoff, EV, Rn 3270 ff). Dies wird aber gleichzeitig insoweit wieder eingeschränkt, als das Klageerzwingungsverfahren nicht zulässig ist, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann (§ 172 Abs. 2 S. 3; → Klageerzwingungsverfahren, Zulässigkeit, Teil B Rdn 640; zur Privatklage Burhoff, EV, Rn 4060 ff.). Das materielle Strafrecht geht dort von einer Verletzteneigenschaft des Tatbetroffenen i.S. des § 172 aus, wo es ihm das Recht auf Stellung eines Strafantrags einräumt (SK-StPO/Wohlers, § 172 Rn 26).
Rdn 573
b) Soweit sich die Verletzteneigenschaft nicht aus den vorstehenden Konstellationen ergibt, muss jeweils dem einzelnen Straftatbestand entnommen werden können, dass sein Schutzzweck auch ein Individualrechtsgut umfasst, da bei rein überindividuellen Rechtsgütern einer Strafnorm das Klageerzwingungsverfahren, das keine Popularklage erlauben soll, ausscheidet (SK-StPO-Wohlers, § 172 Rn 28). Aus dem gleichen Grund kann auch aus der Begehung eines abstrakten Gefährdungsdelikts nicht der Verletztenstatus hergeleitet werden; konkrete Gefährdungsdelikte können ihn allerdings begründen, jedoch nur dann, wenn es sich nicht um Privatklagedelikte handelt (SK-Wohlers, § 172 Rn 30).
Rdn 574
4.a) Der Begriff des Verletzten ist durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften" v. 25.6.2021 in § 373b ausdrücklich definiert worden. Eingeführt worden ist in Umsetzung der sog. Opferschutzrichtlinie eine für den gesamten Bereich der Rn geltende Definition des Begriffs des Verletzten, der im Wesentlichen auf der Änderung zu den §§ 171, 172 und der Änderung zu diesen Vorschriften beruht (BT-Drucks 19/27654, S. 39 f.; 97 ff.; wegen der Einzelh. Burhoff, EV, Rn 4947 ff. und Burhoff StRR 6/2022, 5). Im Anwendungsbereich des § 172 hat sich durch die Einführung des Begriffs des Verletzten keine Änderungen ergeben. Die durch eine Tat Beeinträchtigten/Verletzten, die schon früher als Verletzte i.S. des § 172 angesehen worden sind, sind es auch weiterhin. Ggf. kann sich durch die Neuregelung/Erweiterung in § 373b Abs. 2 (Burhoff, EV, Rn 4957 ff.) aber auch eine Erweiterung der Antragsberechtigung ergeben (zum [neuen] Begriff des Verletzten OLG Oldenburg, Beschl. v. 24.2.2022 – 1 Ws 360/21, StraFo 2022, 204).
☆ Der Begriff des Verletzten ist in der Vergangenheit weit ausgelegt worden, da der Schutz des...