Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Klageerzwingungsverfahren ist in den §§ 172 ff. 3-stufig aufgebaut. |
2. |
Im Verfahren ist die GStA zu hören. Das OLG kann ggf. Ermittlungen anordnen. |
3. |
Das OLG entscheidet durch zu begründenden Beschluss. |
4. |
Wurde die Erhebung der öffentlichen Klage vom OLG angeordnet, ist die StA an die tatsächliche und rechtliche Würdigung, wie sie vom OLG vorgenommen wurde, gebunden, das zuständige Tatgericht jedoch nicht. |
5. |
Der Klageerzwingungsantrag kann, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, wiederholt werden. |
Rdn 621
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Klageerzwingungsverfahren, Allgemeines, Teil B Rdn 511.
Rdn 622
1. Das Klageerzwingungsverfahren ist in den §§ 172 ff. 3-stufig aufgebaut. Nur der Antragsteller, der zugleich Verletzter ist und der schon den (Straf-) Antrag i.S.d. § 171 i.V.m. § 158 gestellt hat, kann das Verfahren betreiben. Dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 muss eine fristgebundene Beschwerde an den "vorgesetzten Beamten der StA" (GStA) vorausgehen (§ 172 Abs. 1). Sie ist eine sog. Vorschaltbeschwerde auf dem Weg zum Gericht. Diese ist auch bei anzunehmender Untätigkeit der Staatsanwaltschaft erforderlich (BVerfG, Beschl. v. 22.5.2017 – 2 BvR 1453/16, NJW 2017, 3141; BayVGH, Beschl. v. 22.10.2018 – Vf. 74-VI-17, BayVBl 2019, 465).
Rdn 623
Das Klageerzwingungsverfahren findet vor dem OLG statt (→ Klageerzwingungsverfahren, Antrag, Allgemeines, Teil B Rdn 521; → Klageerzwingungsverfahren, Antragsteller, Teil B Rdn 559).
Rdn 624
2. Zum Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:
a) Zu dem Klageerzwingungsantrag des Verletzten wird die GStA gehört. Setzt das OLG dann dem Antragsteller zur Gegenäußerung auf die Stellungnahme der GStA eine Frist, muss es deren Ablauf abwarten, bevor es über den Antrag entscheidet (BVerfG, Beschl. v. 29.5.2019 – 2 BvR 217/19, NStZ-RR 2019, 256 [Ls.]).
Rdn 625
Die Anhörung des Beschuldigten steht im Ermessen des OLG. Sie unterbleibt i.d.R., wenn der Antrag unzulässig ist. Soll dem Antrag hingegen stattgegeben werden, findet eine Anhörung des Beschuldigten statt (§ 175 S. 1; Art. 103 GG). Ist die Anhörung unterblieben, muss sie nachgeholt werden (§ 33a).
☆ Die Anhörung des Beschuldigten ersetzt nicht dessen Vernehmung nach § 163a Abs. 1. Ist sie unterblieben, muss sie noch vor der Entscheidung des OLG, ggf. nach § 173 Abs. 3, nachgeholt werden (SK-StPO/ Wohlers § 175 Rn 7).ersetzt nicht dessen Vernehmung nach § 163a Abs. 1. Ist sie unterblieben, muss sie noch vor der Entscheidung des OLG, ggf. nach § 173 Abs. 3, nachgeholt werden (SK-StPO/Wohlers § 175 Rn 7).
Rdn 626
b)aa) Das OLG kann weitere Ermittlungen anordnen (§ 173 Abs. 3). Diese werden von einem Mitglied des OLG-Senats oder von einem ersuchten Richter durchgeführt. In der Praxis wird häufig auch die GStA um Durchführung der Ermittlungen gebeten. Diese ist jedoch, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 173 Abs. 3 ergibt, zu deren Durchführung nicht verpflichtet.
Rdn 627
Diese Ermittlungen werden i.d.R. aber in erster Linie "lückenschließender" Art sein und nicht darauf hinauslaufen, dass das OLG das EV überwiegend oder vollständig führt (KG NStZ 1990, 355; OLG Hamm StV 2002, 128; OLG Koblenz NStZ 1995, 50; OLG Rostock, Beschl. v. 12.3.2004 – I Ws 120/03; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 387). Das wäre nämlich mit der prinzipiellen strafprozessualen Aufgabenverteilung im EV nicht vereinbar, in der dem Gericht grds. die Kontrollfunktion zukommt, ob die StA als verantwortliche Ermittlungsbehörde entsprechend dem Legalitätsprinzip verfahren ist (OLG Celle NStZ-RR 2011, 280 [Ls.]). Die Ermittlungsbefugnis dient insbesondere nicht dazu, den noch unbekannten Täter/Beschuldigte erst zu ermitteln bzw. zu ermitteln lassen (OLG Rostock, a.a.O.).
Rdn 628
In Ausnahmefällen kann das OLG jedoch auch die im Gesetz nicht vorgesehene Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die StA anordnen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Sachverhalt durch die StA entweder überhaupt nicht oder nur in einem so beschränkten Umfang aufgeklärt worden ist, dass diese Aufklärung nach Auffassung des OLG so unvollständig ist, dass weitere umfangreiche Ermittlungen notwendig sind (u.a. OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.10.2018 – 1 Ws 109/18, StV 2020, 157; OLG Bremen, Beschl. v. 21.9.2017 – 1 Ws 55/17; OLG Celle NStZ-RR 2011, 280 [Ls.]; OLG Hamm StV 2002, 128; OLG Rostock, Beschl. v. 12.3.2004 – I Ws 120/03; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.1.2021 – 1 Ws 76/20, NStZ-RR 2021, 80; Beschl. v. 7.9.2023 – 1 Ws 189/22, medstra 2024, 60; LR-Graalmann-Scherer, § 175 Rn 18 f.; a.A. OLG München [3 Strafsenat] StraFo 2014, 422; SK-StPO/Wohlers, § 175 Rn 2 m.w.N. [unstatthaft]). Das gilt z.B. auch, wenn die StA a...