Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Klageerzwingungsverfahren ist unzulässig bei Straftaten, die der Verletzte im Privatklageverfahren verfolgen kann. |
2. |
Bei Verfahrenseinstellungen durch die StA nach dem Opportunitätsprinzip (§§ 153 ff.) ist das Klageerzwingungsverfahren ebenfalls grds. unzulässig. |
3. |
Ist in einem Zivilprozess über einen vermögensrechtlichen Verfahrensgegenstand ein Vergleich abgeschlossen worden, fehlt einem Klageerzwingungsantrag insoweit das (allgemeine) Rechtschutzinteresse. |
4. |
Als unzulässig angesehen worden ist ein Klageerzwingungsverfahren auch im Hinblick auf die Verfolgung einer in einer erhobenen Anklage nicht aufgeführten Gesetzesverletzung oder eines dort nicht gewürdigten Tatteils. |
5. |
Wurde das EV nach § 154d S. 3 eingestellt, ist das Klageerzwingungsverfahren grds. zulässig. |
Rdn 641
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Klageerzwingungsverfahren, Allgemeines, Teil B Rdn 512.
Rdn 642
Für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsverfahrens gilt:
Rdn 643
1. Das Klageerzwingungsverfahren ist unzulässig bei Straftaten, die der Verletzte im Privatklageverfahren (dazu Burhoff, EV, Rn 4060) verfolgen kann (OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.11.2010 – 1 Ws 172/10; OLG Stuttgart Justiz 2010, 309). Die StA kann i.Ü. ein wegen eines Privatklagedelikts geführtes EV auch dann noch unter Verweisung auf den Privatklageweg einstellen, wenn sie in einem früheren Verfahrensstadium das öffentliche Interesse an der Erhebung öffentlicher Klage zunächst noch bejaht hatte (OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2007 – 1 Ws 228/07). Ausgenommen hiervon sind Privatklagedelikte, die mit Offizialdelikten eine prozessuale Tat bilden (OLG Frankfurt NStZ-RR 2006, 47). Hat das Klageerzwingungsverfahren neben Privatklagedelikten auch ein Offizialdelikt zum Gegenstand, so ist der Antrag aber insgesamt unzulässig, wenn der Antrag in Bezug auf das Offizialdelikt unzulässig ist (KG, Beschl. v. 9.11.2015 – 3 Ws 554/15).
☆ Im Verfahren gegen Jugendliche/Heranwachsende ist Privatklage ausgeschlossen (§ 80 Abs. 1 JGG), ein Klageerzwingungsverfahren daher grds. möglich. Dies gilt jedoch nur, soweit das Verfahren nach § 170 Abs. 2 eingestellt wurde (OLG Braunschweig NJW 1960, 1214; OLG Hamm NJW 1960, 1968; OLG Oldenburg MDR 1970, 164).Verfahren gegen Jugendliche/Heranwachsende ist Privatklage ausgeschlossen (§ 80 Abs. 1 JGG), ein Klageerzwingungsverfahren daher grds. möglich. Dies gilt jedoch nur, soweit das Verfahren nach § 170 Abs. 2 eingestellt wurde (OLG Braunschweig NJW 1960, 1214; OLG Hamm NJW 1960, 1968; OLG Oldenburg MDR 1970, 164).
Rdn 644
2. Bei Verfahrenseinstellungen durch die StA nach dem Opportunitätsprinzip (§§ 153 ff.) (s. Burhoff, EV, Rn 2098 ff. m.w.N. (OLG Celle StraFo 2011, 226; s. dazu auch BVerfG NStZ 2002, 211) ist das Klageerzwingungsverfahren ebenfalls grds. unzulässig. Das gilt dann auch hinsichtlich des Teils der Tat, der in der Einstellung nicht ausdrücklich genannt wird (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2001, 20 [Ls.]). Im Verfahren gegen Jugendliche/Heranwachsende erfolgt die Verfahrenseinstellung nach § 45 JGG; ein Klageerzwingungsverfahren ist entsprechend § 172 Abs. 2 S. 2 immer dann nicht möglich, wenn der Einstellung Opportunitätserwägungen zugrunde lagen (SK-StGB/Wohlers, § 172 Rn 42 m.w.N.). Auch die Einstellung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens erfolgt nach Opportunitätsgrundsätzen (§ 46 Abs. 3 S. 3 OWiG).
Rdn 645
Unbeschadet des gesetzlichen Ausschlusses kann das Klageerzwingungsverfahren ausnahmsweise zulässig sein,
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wenn die StA beim Zusammentreffen eines Verbrechens- und eines Vergehensverdachtes den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich des möglichen Verbrechenstatbestands verneint und von der (weiteren) Verfolgung der Tat und der Erhebung der öffentlichen Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Vergehens nach § 153a Abs. 1 abgesehen hat (OLG Bamberg NStZ 2011, 534 [zugleich auch zu den Anforderungen an die Zulässigkeit des Antrags in diesen Fällen]; OLG Hamm StraFo 1997, 174 m.w.N.). |
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Zulässigkeit wird auch angenommen, wenn die endgültige Einstellung nach § 153a erfolgt, obwohl die Auflagen/Weisungen nicht erfüllt wurden (OLG Karlsruhe Justiz 1990, 28). |
Rdn 646
3. Ist in einem Zivilprozess über den/einen vermögensrechtlichen Verfahrensgegenstand ein Vergleich abgeschlossen worden, fehlt einem Klageerzwingungsantrag das (allgemeine) Rechtschutzinteresse, solange der Vergleich wirksam ist (OLG Stuttgart NJW 2002, 2191).
Rdn 647
4. Als unzulässig angesehen worden ist ein Klageerzwingungsverfahren auch dann, wenn die StA wegen einer bestimmten Tat im verfahrensrechtlichen Sinne Anklage erhoben, im Hinblick auf die Verfolgung einer in der Anklage nicht aufgeführten Gesetzesverletzung oder eines dort nicht gewürdigten Tatteils gerichtet ist (OLG Karlsruhe NJW 1977, 62; a.A. OLG Hamm NJW 1974, 68). Entsprechendes gilt auch in den Fällen, in denen die Tat nicht durch Anklage, sondern durch Strafbefehlsantrag gerichtlicher Prüfung unterbreitet worden ist; und zwar auch dann, wenn der Verletzte die...