Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Strafgericht hat die behördliche Sperrung eines Beweismittels auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. |
2. |
Ziel einer Gegenvorstellung ist es, die oberste Dienstbehörde zu einer Überprüfung ihrer Entscheidung zu veranlassen, ein bestimmtes Beweismittel für das Strafverfahren zu sperren. |
3. |
Die gerichtliche Aufklärungspflicht kann das Gericht zu der Erhebung einer Gegenvorstellung zwingen. |
Rdn 689
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 707.
Rdn 690
1. Das Strafgericht hat aufgrund seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) eine Sperrerklärung, die auf eine Beweismittelanforderung hin von einer Behörde nach § 96 erlassen wurde, darauf zu überprüfen, ob die Sperrung rechtmäßig ist und wie ggf. eine Beweiserhebung in der HV ermöglicht werden kann (s.u.a. BGH, Beschl. v. 21.3.1989 – 5 StR 57/89, NStZ 1989, 282).
Rdn 691
Ist das Gericht der Auffassung, die Sperrung des Beweismittels sei rechtmäßig, können Sicherheitsbedenken der Behörde ggf. durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen im Strafprozess ausgeräumt werden. Dazu hat das Gericht alle nach den Umständen gebotenen Bemühungen zu entfalten, um das der Beweiserhebung entgegenstehende Hindernis zu beseitigen (so BGH, Urt. v. 31.3.1989 – 2 StR 706/88, BGHSt 36, 159, 161 m.w.N.; Urt. v. 11.9.2003 – 3 StR 316/02, StV 2004, 241, 242 m. Anm. Wattenberg; → Sperrerklärung, Begründetheit einer Klage, Teil B Rdn 674 f.).
Rdn 692
Kommt das Gericht dagegen zu der Überzeugung, die Sperrerklärung sei nicht rechtmäßig, kann es versuchen, ihre Aufhebung zu erreichen. Die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung kann sich dabei etwa aus einer fehlenden oder unverständlichen Begründung, ihrem Beruhen auf einer unrichtigen tatsächlichen Grundlage oder auf einer falschen Rechtsanwendung durch die Behörde ergeben (BGH, Beschl. v. 21.3.1989 – 5 StR 57/89, NStZ 1989, 282; Beschl. v. 23.12.2009 – StB 51/09, NStZ 2010, 445, 448). Entsprechendes gilt, wenn die Sperrerklärung bereits älter ist und sich die Umstände seit ihrem Erlass geändert haben (BGH, Urt. v. 7.3.1995 – 1 StR 803/94; s.a. BGH, Urt. v. 11.9.2003 – 3 StR 316/02, StV 2004, 241, 242 [bloßer Zeitablauf reicht für sich genommen nicht aus]).
☆ Das Strafgericht ist jedoch nicht befugt , selbst Klage gegen eine Sperrerklärung zu erheben, da ihm als staatlichem Organ ein eigenes Klagerecht nicht zusteht (siehe → Sperrerklärung, Rechtsmittel , Teil B Rdn 713 ). Es bleibt die Möglichkeit der Erhebung einer gegen die Sperrerklärung gerichteten Gegenvorstellung bei der obersten Dienstbehörde; unter Umständen ist das Gericht hierzu verpflichtet (s. Teil B Rdn 694 ; BGH, Beschl. v. 6.2.2019 - 3 StR 280/18, NStZ 2019, 546).Strafgericht ist jedoch nicht befugt, selbst Klage gegen eine Sperrerklärung zu erheben, da ihm als staatlichem Organ ein eigenes Klagerecht nicht zusteht (siehe → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 713). Es bleibt die Möglichkeit der Erhebung einer gegen die Sperrerklärung gerichteten Gegenvorstellung bei der obersten Dienstbehörde; unter Umständen ist das Gericht hierzu verpflichtet (s. Teil B Rdn 694; BGH, Beschl. v. 6.2.2019 - 3 StR 280/18, NStZ 2019, 546).
Rdn 693
2. Ziel einer Gegenvorstellung ist es, die oberste Dienstbehörde zu einer Überprüfung ihrer Entscheidung zu veranlassen, ein bestimmtes Beweismittel für das Strafverfahren zu sperren. Dabei soll die Behörde vor die Alternative gestellt werden, die vom Gericht beanstandeten Mängel, etwa bei der Begründung der Sperrung oder im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Abwägung, entweder zu beseitigen oder die Sperrerklärung zurückzunehmen (BGH, Urt. v. 31.3.1989 – 2 StR 706/88, BGHSt 36, 159, 161). Hält die oberste Dienstbehörde die Sperrerklärung auf die Gegenvorstellung hin aufrecht, besteht i.d.R. keine Verpflichtung des Strafgerichts zu einer wiederholten Gegenvorstellung (BGH, Beschl. v. 21.3.1989 – 5 StR 57/89, NStZ 1989, 282). Allerdings ist der Umstand, dass eine umfassende Beweiserhebung durch die Behörde verhindert worden ist, bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.2009 – 2 BvR 547/08, StV 2010, 337, 338 [gesteigerte Sorgfalt]; BGH, a.a.O.; Beschl. v. 20.2.2002 – 1 StR 545/01, NStZ-RR 2002, 176; KK/Greven, § 96 Rn 14).
Rdn 694
3.a) Das Gericht kann unter Aufklärungsgesichtspunkten dazu verpflichtet sein, eine Gegenvorstellung gegen eine Sperrerklärung zu erheben (näher BGH, Beschl. v. 23.12.2009 – StB 51/09, NStZ 2010, 445, 448; Urt. v. 7.3.1995 – 1 StR 803/94; LR-Menges, § 96 Rn 79, 81).
Rdn 695
Das ist der Fall, wenn
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die Sperrerklärung nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig ist, |
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die Aufklärungspflicht zu einer Erhebung des gesperrten Beweises drängt und |
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die konkrete Aussicht besteht, dass die Behörde ihren Standpunkt, die angeforderten Akten dem Strafgericht nicht zur Verfügung zu stellen bzw. die erwünschten Auskünfte nicht zu erteilen, ändern wird (BGH, Urt. v. 11.9.2003 – 3 StR 316/02, StV 2004, 241, 242; Urt. v. 7.3.1995 – 1 StR ... |