Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Für die gerichtliche Überprüfung einer Sperrerklärung ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. |
2. |
Zur Beseitigung einer Sperrerklärung kommt vorrangig die Leistungsklage in Betracht, jedoch werden auch andere Klagearten für statthaft gehalten; wesentliche sachliche Unterschiede ergeben sich hieraus nicht. |
3. |
Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht für die Beteiligten des Strafverfahrens nur, wenn die Behörde die Sperrerklärung auf ein Beweisverlangen des Strafgerichts hin erlassen hat. |
4. |
Für den Fall der Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist nach § 42 Abs. 2 VwGO Voraussetzung, dass der Kläger eine Verletzung eigener Rechte geltend machen kann. |
5. |
Darüber hinaus muss der Kläger ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis geltend machen können. |
6. |
Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 VwGO bedarf es auch bei Durchführung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage wegen § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. |
Rdn 717
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 707.
Rdn 718
1. Für die gerichtliche Überprüfung einer Sperrerklärung ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, die keinem anderen Gericht durch Gesetz ausdrücklich zugewiesen ist (zur Abgrenzung zu §§ 23 ff. EGGVG, → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 714; s.a. noch → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 323, m.w.N).
Rdn 719
2.a) Welche Klageart für das verwaltungsgerichtliche Streitverfahren statthaft ist, bestimmt sich nach dem jeweils verfolgten Klageziel. Hier kommen verschiedene Begehren in Betracht: So kann es ausreichen, die Sperrerklärung zu beseitigen, da die Behörde dann die Vorlage der fraglichen Akten oder die Erteilung der gewünschten Auskünfte nicht mehr verweigern kann. Darüber hinaus kann die Aktenvorlage bzw. Auskunftserteilung unmittelbar oder jedenfalls die Verpflichtung der Behörde hierzu erstritten werden. Eine Festlegung auf eine bestimmte Klageart war in der verwaltungsgerichtlichen Rspr. lange Zeit nicht auszumachen (s.u.a. BVerwG, Urt. v. 27.4.1984 – 1 C 10/84, NJW 1984, 2233 f., wo offen gelassen ist, ob Vorlage gesperrter Akten mit einer Verpflichtungs- oder sonstigen Leistungsklage zu erreichen sei oder ob ein mit Anfechtungs- oder negativer Feststellungsklage zu verfolgender Abwehranspruch bestehe). In neueren Entscheidungen wird jedoch üblicherweise die Erhebung einer Leistungsklage für statthaft gehalten, da es sich bei der Sperrerklärung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine behördeninterne Weisung der obersten Dienstbehörde an die (nachgeordnete) aktenführende oder vom Strafgericht um Auskunft ersuchte Behörde handelt (VGH Kassel, Beschl. v. 29.5.2013 – 8 B 1005/13, 8 D 1006/13, NJW 2014, 240 zum Nichtvorliegen eines Verwaltungsakts; VG Berlin, Beschl. v. 23.9.2022 – 6 L 220/22; Beschl. v. 20.12.2018 – 33 K 370/18; VG München, Urt. v. 31.5.2017 – M 7 K 16/3827; MüKo-StPO/Hauschild, § 96 Rn 19).
Rdn 720
b) Die Auswirkungen der mit den unterschiedlichen Klagezielen verbundenen Klagearten sind in der Praxis allerdings begrenzt. Denn für keine der in Betracht kommenden Klageformen bestehen bei der Überprüfung einer Sperrerklärung nach § 96 besondere Sachurteilsvoraussetzungen, deren Nichterfüllung zur Unzulässigkeit der Klage führen könnte (BVerwG, Urt. v. 27.4.1984 – 1 C 10/84, NJW 1984, 2233, 2234; VG Weimar, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 386/01 We, NVwZ-RR 2002, 394, 395). Insbesondere ist wegen § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO kein Vorverfahren erforderlich, da die Sperrerklärung nach § 96 von der obersten Dienstbehörde erlassen wird (BVerwG, a.a.O., s.a. BGH, Urt. v. 16.2.1995 – 4 StR 733/94, BGHSt 41, 36, 37 f.; → Sperrerklärung, Begründetheit einer Klage, Teil B Rdn 655). Entsprechendes gilt für die Einhaltung einer Klagefrist nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO. Die Frist wird mangels Bekanntgabe der Sperrerklärung an die Beteiligten des Strafprozesses für diese nicht in Gang gesetzt (BVerwG, Urt. v. 27.4.1984 – 1 C 10/84, NJW 1984, 2233, 2234). Auch beim einstweiligen Rechtsschutz ergeben sich keine Unterschiede (→ Sperrerklärung, einstweiliger Rechtsschutz, Teil B Rdn 684).
☆ Zur Sicherheit sollte für den Fall, dass das Gericht eine andere als die gewählte Klageart für statthaft hält, ein Hinweis erbeten werden.Hinweis erbeten werden.
Rdn 721
3. Über die in Betracht kommenden Klageziele und die Klagearten, mit denen das jeweilige Ziel verfolgt werden kann (siehe die Übersichten bei BVerwG, Urt. v. 27.4.1984 – 1 C 10/84, NJW 1984, 2233, 2234 und VG Weimar, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 386/01 We, NVwZ-RR 2002, 394, 395) informiert folgender
Rdn 722
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Wird die Sperrerklärung nicht als Verwaltungsakt, sondern als Verwaltungsinternum qualifiziert (so die inzwischen wohl überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, oben etwa VGH Kassel, Beschl. v. 29.5.2013 – 8 B 1005/13, 8 D... |