Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der Einspruch gegen den Strafbefehl ist kein strafprozessuales Rechtsmittel, da ihm der dazu erforderliche Devolutiveffekt fehlt. Als förmlicher Rechtsbehelf entfaltet er jedoch einen Suspensiveffekt. |
2. |
Zur Einspruchseinlegung befugt sind der Angeklagte und sein gesetzlicher Vertreter sowie Nebenbeteiligte, sofern sie durch den Strafbefehl beschwert sind. |
3. |
Die Frist zur Einspruchseinlegung beträgt zwei Wochen ab Zustellung des Strafbefehls. |
4. |
Der Einspruch ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. |
5. |
Der Einspruch ist bei dem AG einzulegen, das den Strafbefehl erlassen hat. |
6. |
Die Bezeichnung des Rechtsbehelfs als Einspruch ist nicht erforderlich. |
7. |
Der Einspruch muss nicht begründet werden. |
8. |
Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. |
9. |
Der Einspruch kann bis zur Urteilsverkündung in 1. Instanz zurückgenommen werden. |
10. |
Der Angeklagte kann auf die Einlegung eines Einspruchs verzichten. |
Rdn 757
Literaturhinweise:
Burhoff, Formwirksamkeitsfragen bei Rechtsmitteln im Straf- und Bußgeldrecht, VRR 4/2024, 5
s.a. die Hinw. bei → Strafbefehl, Allgemeines, Teil A Rdn 614.
Rdn 758
1.a) Der Einspruch (§ 410) gegen den Strafbefehl ist kein strafprozessuales Rechtsmittel, da ihm der dazu erforderliche Devolutiveffekt fehlt (KK/Maur, § 410 Rn 1). Als förmlicher Rechtsbehelf entfaltet er jedoch einen Suspensiveffekt (zum Einspruch Burhoff, EV, Rn 4402 ff.).
Rdn 759
b)aa) Der Strafbefehl muss erlassen und vom Richter unterzeichnet sein; das Fehlen der Unterschrift führt aber nicht zwingend zur Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 (→ Strafbefehl, Inhalt, Teil B Rdn 811).
Rdn 760
bb) Ein vor Erlass eingelegter Einspruch richtet sich nur gegen den Strafbefehlsantrag und bleibt – auch wenn der Strafbefehl später erlassen wird – wirkungslos (OLG Koblenz MDR 1978, 511). Allerdings kann gegen einen – erlassenen – Strafbefehl schon vor dessen Zustellung auch dann Einspruch eingelegt werden, wenn der Adressat vom Erlass noch keine Kenntnis erlangt hat (BGHSt 25, 187; Meyer-Goßner/Schmitt, § 410, Rn 1). Dasselbe soll gelten, wenn der vorschnell verfasste/abgesandte Rechtsbehelf erst nach Erlass des Strafbefehls bei Gericht eingeht (OLG Jena NStZ-RR 2012, 180).
Rdn 761
2.a) Zur Einspruchseinlegung befugt sind der Angeklagte und sein gesetzlicher Vertreter (§ 298 Abs. 1; zum Begriff des gesetzlichen Vertreters Meyer-Goßner/Schmitt, § 52 Rn 19) sowie Nebenbeteiligte nach §§ 433 Abs. 1 S. 2, 438, 444 Abs. 2 S. 2, sofern sie durch den Strafbefehl beschwert sind (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.; KK/Maur, § 410 Rn 2).
☆ Der Verteidiger kann gegen den Strafbefehl nur mit Willen des Angeklagten Einspruch einlegen (§§ 410 Abs. 1 S. 2, 297); dieser Beschränkung unterliegt nach § 298 Abs. 1 der gesetzliche Vertreter nicht.Verteidiger kann gegen den Strafbefehl nur mit Willen des Angeklagten Einspruch einlegen (§§ 410 Abs. 1 S. 2, 297); dieser Beschränkung unterliegt nach § 298 Abs. 1 der gesetzliche Vertreter nicht.
Rdn 762
b) Dem nebenklageberechtigten Verletzten steht keine Einspruchsbefugnis zu (LR-Gaede, vor § 407 Rn 41; KK/Maur, § 410 Rn 2). Denn einen "Nebenkläger" kann es in diesem Verfahrensstadium noch nicht geben, da die Anschlusserklärung nach § 396 Abs. 1 S. 2, S. 3 erst mit der Anberaumung eines HV-Termins oder der Ablehnung des Strafbefehlsantrags wirksam werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, § 396 Rn 6).
☆ Hat der Strafbefehl ein Nebenklagedelikt zum Gegenstand, sollte sich der Verteidiger in Fällen, in denen die Einspruchseinlegung zunächst nur fristwahrend erfolgt, deshalb aus Kostengründen zunächst darum bemühen, dass (noch) kein HV-Termin angesetzt wird (MAH- Nobis , § 10 Rn 114).Strafbefehl ein Nebenklagedelikt zum Gegenstand, sollte sich der Verteidiger in Fällen, in denen die Einspruchseinlegung zunächst nur fristwahrend erfolgt, deshalb aus Kostengründen zunächst darum bemühen, dass (noch) kein HV-Termin angesetzt wird (MAH-Nobis, § 10 Rn 114).
Rdn 763
3.a) Die Frist zur Einspruchseinlegung beträgt zwei Wochen ab Zustellung des Strafbefehls (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Fristberechnung, Teil A Rdn 1557 ff.; → Strafbefehl, Bekanntmachung/Zustellung, Teil A Rdn 698 ff.).
Rdn 764
b)aa) Wird die Frist versäumt, ist unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Allgemeines, Teil B Rdn 1521 ff.; Muster für einen Wiedereinsetzungsantrag bei → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag, Teil B Rdn 1527 ff.). Hier dürfen die Anforderungen schon deshalb nicht überspannt werden, weil es sich beim Einspruch gegen den Strafbefehl um den ersten Zugang zum Gericht handelt, weshalb den Rechtsschutzgarantien aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG besonderes Gewicht beizumessen ist (→ Strafbefehl, Verfahren nach Einspruch, Teil B Rdn 821 ff.). Dies gilt nicht nur für die Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags, sondern bereits für dessen Zulässigkeit (BVerf...