Daniel Amelung, Lars Bachler
Rdn 105
Literaturhinweise:
Hilger, Über den "Richtervorbehalt" im Ermittlungsverfahren, JR 1990, 485
ders., Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999), StraFo 2001, 109
Soiné, Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, Krim 2001, 173
s.a. die Hinw. bei → Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil B Rdn 92, m.w.N.
Rdn 106
1. Aufgrund eines HB oder eines Unterbringungsbefehls können der Richter oder die StA, bei Gefahr in Verzug, auch ihre Ermittlungspersonen gem. § 131 Abs. 1 die Ausschreibung zur Festnahme veranlassen. Auf diese Vorschrift kann auch die internationale Fahndung, etwa im Schengener Informationssystem (SIS), gestützt werden (OLG Celle NStZ 2010, 534; Meyer-Goßner/Schmitt, § 131 Rn 1). Nach § 131a Abs. 1 kann eine Ausschreibung ebenfalls in solchen Fällen erfolgen, in denen der Aufenthalt des Beschuldigten oder eines Zeugen nicht bekannt ist. Gleiches gilt gem. § 131a Abs. 2 für die Ausschreibung des Beschuldigten, wenn sie zur Sicherstellung seines Führerscheins, zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zur Anfertigung einer DNA-Analyse oder zur Feststellung seiner Identität erforderlich ist (eingehend zu den Fahndungsmaßnahmen Burhoff, EV, Rn 2470 ff.).
☆ Soweit ein Richter diese Ausschreibungen angeordnet hat, ist das Rechtsmittel der Beschwerde (→ Beschwerde, Allgemeines , Teil A Rdn 401 ) gem. § 304 gegeben ( Burhoff , EV, Rn 2490; LR- Hilger , § 131 Rn 30).Beschwerde (→ Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 401) gem. § 304 gegeben (Burhoff, EV, Rn 2490; LR-Hilger, § 131 Rn 30).
Rdn 107
2.a) Rechtsmittel gegen die nichtrichterliche Anordnung sowohl der Ausschreibung zur Festnahme als auch der Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung sind gesetzlich nicht geregelt. Dies erscheint jedoch angesichts der mit diesen Fahndungsmaßnahmen teilweise einhergehenden, tiefgreifenden Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen als unbefriedigend. Man denke nur an die diskriminierende Prangerwirkung einer öffentlichkeitswirksamen Fahndung (Hilger JR 1990, 485, 486). Vor diesem Hintergrund ist in Lit. (Burhoff, EV, Rn 2490; Hilger StraFo 2001, 109, 111; HK-Ahlbrecht, § 131 Rn 16; KMR-Wankel, § 131 Rn 9; KK/Glaser, § 131 Rn 20; Radtke/Hohmann/Kretschmer, § 131 Rn 14 und § 131a Rn 5; LR-Hilger, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 131 Rn 7 und § 131a Rn 3; s. aber SK-StPO/Pfaeffgen, § 131 Rn 14 und Soiné Krim 2001, 173, 175) und Rspr. (OLG Brandenburg NStZ 2007, 54 [Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung]; OLG Celle NStZ 2010, 534 [Ausschreibung zur Festnahme im SIS]) anerkannt, dass insoweit auch Rechtsschutz über § 98 Abs. 2 S. 2 analog zu erlangen ist. Ist also die Ausschreibung durch die StA oder ihre Ermittlungspersonen erfolgt, kann der Betroffene sowohl gegen die Anordnung als auch gegen die Gestaltung der Fahndung gerichtliche Entscheidung beantragen (Hilger StraFo 2001, 109, 111). Damit unterliegen nicht nur die Voraussetzung der Fahndungsanordnung selbst, sondern – im Hinblick auf das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip – Art und Umfang der gewählten Maßnahme ebenso der richterlichen Überprüfung wie auch die Anwendung des Begriffs "Gefahr in Verzug" (LR-Hilger, a.a.O.).
☆ Gegen diese richterliche Entscheidung ist dann wiederum nach allgemeinen Regeln die Beschwerde (→ Beschwerde, Allgemeines , Teil A Rdn 401 ) nach § 304 Abs. 1 statthaft sein.Beschwerde (→ Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 401) nach § 304 Abs. 1 statthaft sein.
Rdn 108
b) Inwiefern eine gerichtliche Überprüfung auch bei prozessual überholten Fahndungsanordnungen statthaft ist, hängt maßgeblich davon ab, ob der Fall eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs i.S.d. Rspr. des BVerfG (BVerfG NJW 1997, 2163; BVerfG NJW 1998, 2131) gegeben ist. Angesichts des bereits erwähnten Umstandes, dass namentlich von einer Medienfahndung die Gefahr irreparabler Schäden, etwa eines nachhaltigen Ansehensverlustes, ausgeht, wird dem Betroffenen unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rspr. auch nach Vollzug der Fahndungsmaßnahme die Möglichkeit einer Rechtmäßigkeitskontrolle einzuräumen sein (LR-Hilger, § 131 Rn 30). Das hat zur Folge, dass dieser gegen zwischenzeitlich erledigte Anordnungen der StA sowie ihrer Ermittlungspersonen nach h.M. in Lit. (HK-Ahlbrecht, § 131 Rn 16; KK/Glaser, § 131 Rn 20; SSW-StPO/Satzger, § 131 Rn 26 [jew. unter Hinw. auf BGHSt 44, 171]; LR-Hilger, a.a.O.; MüKo-StPO/Gerhold, § 131 Rn 21) und Rspr. (OLG Brandenburg NStZ 2007, 54 [Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung]) gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 beantragen kann. Um einen einheitlichen Rechtsschutz an das sachnächste Gericht zu gewährleisten, ist insofern nicht der Antrag nach den §§ 23 ff. EGGVG (→ Justizverwaltungsakt, Anfechtung, Allgemeines, Teil B Rdn 323) an das OLG, sondern der Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das zuständige AG zu stellen (OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.; s.a. Kretschmer, a.a.O.).
Siehe auch: → Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil B Rdn 92.