Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nach Einlegung des Einspruchs entscheidet das Gericht zunächst über dessen Zulässigkeit. Will es den Einspruch als unzulässig verwerfen, hat es zuvor die StA anzuhören. |
2. |
Wurde der Einspruch auf die Höhe des Tagessatzes beschränkt, kann das Gericht mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten im schriftlichen Verfahren durch Beschluss entscheiden. |
3. |
Aufgrund eines zulässigen, insbesondere rechtzeitig erhobenen Einspruchs kommt es zur Hauptverhandlung. |
4. |
Bleibt der Angeklagte der HV ohne genügende Entschuldigung (§§ 412 S. 1, 329 Abs. 1) fern, wird sein Einspruch verworfen. |
5. |
Die HV verläuft grundsätzlich wie im herkömmlichen Erkenntnisverfahren. |
6. |
Einspruch und Klage können bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils zurückgenommen werden. |
7. |
Kommt es zum Urteil, ist das Gericht nicht an den im Strafbefehl enthaltenen Rechtsfolgenausspruch gebunden. Das Verbot der reformatio in peius gilt im Strafbefehlsverfahren nicht (einzige Ausnahme: § 411 Abs. 1 S. 3). |
8. |
Das aufgrund des Einspruchs ergangene Urteil kann nach den allgemeinen Regeln mit der Berufung oder der (Sprung-)Revision angefochten werden. |
Rdn 822
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Strafbefehl, Allgemeines, Teil B Rdn 629.
Rdn 823
1. Nach Einlegung des Einspruchs entscheidet das Gericht zunächst über dessen Zulässigkeit. Will es den Einspruch als unzulässig verwerfen (§ 411 Abs. 1 S. 1), hat es zuvor die StA anzuhören (§ 33 Abs. 2). Bei Zweifeln über die Zulässigkeit des Einspruchs ist dieser als zulässig zu behandeln (BayObLG NJW 1966, 947).
Rdn 824
Im Fall der Versäumung der Einspruchsfrist (→ Strafbefehl, Einspruch, Teil B Rdn 763 ff.) kann – auch von Amts wegen – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Allgemeines, Teil B Rdn 1521, m.w.N.) gewährt werden. Wird die Wiedereinsetzung versagt, muss auch der Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen werden (OLG Celle NStZ-RR 2004, 300). Dagegen ist sofortige Beschwerde (§§ 46 Abs. 3, 311; → Beschwerde, sofortige Beschwerde, Teil A Rdn 550 ff.) gegeben. Hat das AG trotz Unzulässigkeit des Einspruchs zur Sache verhandelt, diesen Mangel aber noch in der HV bemerkt, ist der Einspruch durch Urteil, das mit Berufung oder Revision angefochten werden kann, zu verwerfen (BayObLG NJW 1962, 118). Im Rechtsmittelzug wird ein fälschlicherweise ergangenes Sachurteil aufgehoben und der Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen (OLG Hamm NStZ-RR 2010, 21).
☆ Ist das Gericht fälschlich von der Unzulässigkeit des Einspruchs ausgegangen, wird der Verwerfungsbeschluss auf sofortige Beschwerde, das Verwerfungsurteil auf Berufung oder Revision aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 411 Rn 14).fälschlich von der Unzulässigkeit des Einspruchs ausgegangen, wird der Verwerfungsbeschluss auf sofortige Beschwerde, das Verwerfungsurteil auf Berufung oder Revision aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 411 Rn 14).
Rdn 825
2. Wurde der Einspruch auf die Höhe des Tagessatzes beschränkt, kann das Gericht mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten im schriftlichen Verfahren durch Beschluss entscheiden (§ 411 Abs. 1 S. 3). Das gilt i.Ü. auch, wenn der Einspruch gegen den Strafbefehl nur auf die Gewährung einer Zahlungserleichterung nach § 42 StGB gerichtet ist, da das Beschlussverfahren entgegen seinem Wortlaut nicht auf die Entscheidung über die Höhe der Tagessätze beschränkt ist (AG Kehl StRR 2015, 427 m. Anm. Burhoff). Der ergehende Beschluss kann mit der sofortigen Beschwerde (§ 311; → Beschwerde, sofortige Beschwerde, Teil A Rdn 550 ff.) angefochten werden.
☆ Nur in dieser Konstellation gilt im Strafbefehlsverfahren das Verbot der reformatio in peius (§ 411 Abs. 1 S. 3).reformatio in peius (§ 411 Abs. 1 S. 3).
Rdn 826
3.a) Aufgrund eines zulässigen, insbesondere rechtzeitig erhobenen Einspruchs kommt es zur HV (hierzu ausführlich Burhoff, HV, Rn 3070 ff.). Erscheint der Angeklagte zu dieser nicht, gilt § 412, es sei denn das Gericht hat den HV-Termin nicht aufgrund eines Einspruchs, sondern nach § 408 Abs. 3 S. 2 bestimmt; in diesem Fall ist § 412 unanwendbar (KK/Maur, § 412 Rn 3).
Rdn 827
b)aa) Der Angeklagte ist zur HV zu laden (§§ 214–218; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Ladung, Teil A Rdn 1591 ff.). Die öffentliche Zustellung der Ladung ist unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 zulässig.
☆ Wird der Angeklagte über die Folgen des Ausbleibens nicht belehrt , darf der Einspruch nicht verworfen werden (BayObLG VRS 55, 281; LG Braunschweig, Urt. v. 12.2.2020 – 5 Ns 301/19, StV 2021, 29 [Ls.]). Dem Fehlen der Belehrung steht es gleich, wenn der Angeklagte, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, nicht in einer ihm verständlichen Sprache geladen und/oder belehrt wurde (LG Heilbronn StV 2011, 91; a.A. OLG Nürnberg NStZ-RR 2010, 286; a. LG Berlin, Beschl. v. 17.1.2023 – 520 Qs 3/23; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Sprachunkundigkeit, Dolmetschleistung, Teil A Rdn 1699 ff.). Bei öf...