Daniel Amelung, Lars Bachler
Rdn 1004
Literaturhinweise:
s. die Hinweise unter: → Untersuchungshaft, Allgemeines, Teil B Rdn 847.
Rdn 1005
1.a) StA und Gericht haben in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen die Voraussetzungen hinsichtlich der Anordnung und Durchführung der U-Haft zu prüfen. Sie müssen insbesondere selbstständig überwachen, ob der Haftbefehl aufzuheben ist (§ 120) oder außer Vollzug gesetzt werden kann oder muss (§ 116; zu dieser "informellen Pflicht zur Überprüfung der Voraussetzungen U-Haft" s.a. Nr. 54 Abs. 1 RiStBV; zum Ganzen KK/Graf, § 117 Rn 1; SSW-StPO/Herrmann, § 117 Rn 6 ff.; LR-Hilger, § 117 Rn 1; AnwKomm-U-Haft/König, StPO, § 117 Rn 1; SK-StPO/Paeffgen, § 117 Rn 2). Für Jugendliche und Heranwachsende ist ergänzend § 72 Abs. 1 JGG zu beachten (→ JGG-Besonderheiten, Untersuchungshaft, Teil A Rdn 933).
☆ Es macht Sinn, Staatsanwälte und Richter an diese Pflicht immer wieder zu erinnern , wenn nicht gar zu deren Wahrnehmung zu ermahnen. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass diese Pflicht im Alltag der Justiz zunehmend verschleift. Die früher üblichen Haftlisten bei Staatsanwälten und auch Verteidigern, in denen Notizen zusammengetragen und Fristen vorgemerkt werden um sie konsequent im Blick zu haben, sind heute nur noch selten oder gar nicht mehr anzutreffen.Pflicht immer wieder zu erinnern, wenn nicht gar zu deren Wahrnehmung zu ermahnen. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass diese Pflicht im Alltag der Justiz zunehmend verschleift. Die früher üblichen Haftlisten bei Staatsanwälten und auch Verteidigern, in denen Notizen zusammengetragen und Fristen vorgemerkt werden um sie konsequent im Blick zu haben, sind heute nur noch selten oder gar nicht mehr anzutreffen.
Rdn 1006
b) Die StA ist Herrin des EV. Bei ihr befinden sich regelmäßig bis zur Abschlussverfügung die Akten. Sind sie versandt, dann ist dies zu vermerken. Von Amts wegen hat eine Überwachung des Verfahrensganges stattzufinden. Zu weitgehend aber LG Frankfurt am Main (Beschl. v. 17.11.2017 – 5/24 KLs 10/17, 5/24 KLs 7920 Js 208925/16 (10/17)), das darauf abstellt, dass Akteneinsicht nur nach Abschluss der Ermittlungen zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung zu gewähren sei – abseitig und rechtsstaatlich überkommen!
Der sachbearbeitende StA "kennt seine Fälle". Leider zunehmend seltener führt er Haftlisten. Er muss ständig im Auge behalten, ob inzwischen eine Haftverschonung oder gar eine Aufhebung des Haftbefehls angezeigt ist. Dies ist der Fall, wenn weitere Ermittlungsergebnisse es nahelegen, aber auch wenn eine Verfahrensverzögerung und damit ein Verstoß gegen das allgemeine Beschleunigungsgebot in Haftsachen anzunehmen sind.
Rdn 1007
c) Unklar ist, wie der jeweilige Haftrichter eine solche Prüfung selbstständig vornehmen soll.
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Vor Anklageerhebung befinden sich die Ermittlungsakten regelmäßig bei der StA. Von da aus werden die weiteren Ermittlungen geführt. Meist wird darüber hinaus die Kontrolle des Vollzugs der U-Haft vom Gericht auf die StA übertragen (a. § 119 Abs. 2 S. 2). Eine Haftkontrolle findet vor diesem Hintergrund im EV außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen (§§ 120, 121) durch das Gericht grds. nicht statt (s. hierzu a. SSW-StPO/Herrmann, § 117 Rn 7; AnwKomm-U-Haft/König, StPO, § 117 Rn 1). |
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Die früher gesetzlich vorgesehene regelmäßige Überprüfung der Untersuchungshaft nach drei Monaten gibt es in dieser Form nicht mehr. Da nun aber der Beschuldigte während der Untersuchungshaft verteidigt ist (Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 und § 141 Abs. 2 Nr. 1!), muss es als ureigenste Aufgabe des Verteidigers angesehen werden, die Haftentwicklung im Blick zu behalten und sich immer wieder um aktuelle Aktenkenntnis zu bemühen. ☆ Eine Überprüfung durch das Gericht erfolgt allenfalls auf konkreten Hinweis hin oder im Rahmen turnusgemäßer Wiedervorlagen. Wann diese vorgemerkt sind, entscheidet der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen selbst. Darauf kann und muss die Verteidigung Einfluss nehmen.konkreten Hinweis hin oder im Rahmen turnusgemäßer Wiedervorlagen. Wann diese vorgemerkt sind, entscheidet der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen selbst. Darauf kann und muss die Verteidigung Einfluss nehmen. |
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Nach Erhebung der Anklage ist das mit der Hauptsache befasste Gericht zuständig. Es hat einhergehend mit der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens und die Zulassung der Anklage auch über die Fortdauer der U-Haft (§ 207 Abs. 4). Dies geschieht allerdings meist nur formelhaft durch die Kopie des Textes der Anklage in den neuen Haftbefehl. |
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Ein solchermaßen angepasster Haftbefehl darf aber ebenfalls erst nach Anhörung des Beschuldigten erlassen werden. ☆ In der Praxis wird der Haftbefehl nicht selten gar nicht angepasst , sondern die Sache wird einfach terminiert und verhandelt. Die gesetzlichen Vorgaben werden dadurch teilweise bewusst missachtet. Der Inhaftierte und sein Verteidiger müssen insofern aber nicht auf eine ordnungsgemäße Verkündung eines geänderten (neuen) Haftbefehls hinwirken. Dies ist... |