Daniel Amelung, Lars Bachler
Rdn 1063
Literaturhinweise:
Matt, Zur weiteren Beschwerde nach §§ 304, 310 StPO, NJW 1991, 1801
Theile, Art. 14 GG und der strafprozessuale dingliche Arrest, StV 2009, 161
s.a. die Hinw. bei → Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 291, m.w.N., und bei → Untersuchungshaft, Allgemeines, Teil B Rdn 848.
Rdn 1064
1. Als weiterer ordentlicher Rechtsbehelf kann in Haftsachen nach der Haftbeschwerde die weitere Beschwerde erhoben werden (§ 310 Abs. 1 Nr. 1).
Rdn 1065
Bei § 310 handelt sich um eine Ausnahmevorschrift. Sie ist eng auszulegen (→ Beschwerde, weitere Beschwerde, Teil A Rdn 572; Burhoff, EV, Rn 5628 ff.; Herrmann, Rn 1125 ff.; SSW-StPO/Herrmann, § 117 Rn 53 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 4; Schlothauer/Nobis u.a., Rn 792 ff.; MAH-König, § 4 Rn 222).
Rdn 1066
Fraglich ist, ob das Recht zur weiteren Beschwerde nur dem Beschuldigten oder nicht auch zu dessen Lasten der StA zusteht. Die (erneute) Ablehnung des Erlasses eines Haftbefehls im Rahmen der weiteren Beschwerde betrifft aber nicht die Verhaftung oder einstweilige Unterbringung (den Wortlaut von § 310 Abs. 1 Nr. 1 und 2), sondern genau genommen deren Gegenteil. Der Rechtsbehelf ist aber so ausgestaltet, dass nur gravierende Eingriffe in die Freiheitsrechte des Beschuldigten erfasst werden (OLG Braunschweig, Beschl. v. 17.2.1965 – Ws 19/65, NJW 1965, 1288; auch LR-Matt, § 310 Rn 18; MAH/König, § 4 Rn 222).
Rdn 1067
2. Mit Verhaftung i.S.d. § 310 Abs. 1 Nr. 1 sind Haftbefehle nach den §§ 112 ff. aber auch § 230 Abs. 2 gemeint. Die Erzwingungshaft (§ 70 Abs. 2) oder die Ordnungshaft (§ 51) sollen aber nicht erfasst sein. Die einstweilige Unterbringung i.S.d. § 310 Abs. 1 Nr. 2 meint die Fälle des § 126a und § 71 Abs. 1 JGG, nicht aber die Unterbringung des Beschuldigten nach § 81 (→ Beschwerde, weitere Beschwerde, Teil A Rdn 572; Burhoff, EV, Rn 5628; Meyer-Goßner, § 310 Rn 5 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.1992 – 1 Ws 215/92, NStZ 1992, 443; a.A. für Erzwingungshaft OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 9.8.2000 – 2 Ws 102/00, NStZ-RR 2000, 382).
Rdn 1068
3. Mit der weiteren Beschwerde kann nur die zuletzt ergangene Entscheidung zum Bestand und Vollzug des Haft- oder Unterbringungsbefehls überprüft werden (s. dazu auch Schlothauer/Nobis u.a., Rn 794 m.w.N.).
Rdn 1069
Eine darüber hinausgehende Prüfungskompetenz des Gerichts im Rahmen der weiteren Beschwerde ist umstr. Für die Anordnung, Änderung oder Aufhebung von Auflagen soll die weitere Beschwerde ausgeschlossen sein (OLG Bremen, Beschl. v. 12.2.2001 – Ws 15/01, StV 2001, 689 [Ls.]; OLG Celle, Beschl. v. 15.3.2006 – 1 Ws 131/06, NStZ-RR 2006, 222; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.2.1994 – 1 Ws 40/94, StV 1994, 323, 324; zum Ganzen Burhoff, EV, Rn 5628 ff.; Herrmann, Rn 1128; SSW-StPO/Herrmann, § 117 Rn 57; Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 7; Schlothauer/Nobis u.a., Rn 792 ff.).
Rdn 1070
4. Ist der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, gehen das BVerfG sowie die meisten OLG davon aus, dass die weitere Beschwerde dennoch zulässig ist. Denn auch ein nicht vollzogener Haftbefehl bedeutet einen massiven Eingriff in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte des Beschuldigten und muss deshalb überprüfbar sein (so BVerfG NJW 2017, 3586 [Ls.]; KG, Beschl. v. 18.6.1979 – 3 Ws 161/79, NJW 1979, 2626 mit Anm. Kopp; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.2.1994 – 1 Ws 40/94, StV 1994, 323; OLG Hamm StraFo 2002, 140; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.10.1989 – 1 Ws 533/89, NStZ 1990, 102 mit zust. Anm. Hohmann NStZ 1990, 507; OLG Köln, Beschl. v. 15.3.1994 – 2 Ws 64/94, StV 1994, 321; a.A.: OLG Bremen, Beschl. v. 29.7.1980 – Ws 171/80, StV 1981, 131 mit Anm. Klawitter; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.4.1980 – 1 Ws 196/80, StV 1981, 131 mit Anm. Klawitter; Beschl. v. 28.12.1989 – 3 Ws 966/89, NStZ 1990, 248; Beschl. v. 21.2.1990 – 1 Ws 89/90, StV 1990, 309; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.1.1990 – 1 Ws 713/89, StV 1991, 219 mit abl. Anm. Wendisch; s. auch BGH NStZ 2017, 418 [weitere Beschwerde gegen aufgehobenen Haftbefehl]; ausführlich zum Ganzen Herrmann, Rn 1129; SSW-StPO/Herrmann, § 117 Rn 56; Matt NJW 1991, 1801; Schlothauer/Nobis u.a., Rn 792 ff. [794]).
Rdn 1071
5. Auch für die weitere Beschwerde gilt der Vorrang des Antrages auf Haftprüfung gem. § 117 Abs. 2 S. 1. Insofern gelten deshalb die gleichen Vorgaben wie bei der Haftbeschwerde (→ Untersuchungshaft, Haftbeschwerde, Teil B Rdn 925 ff.).
Rdn 1072
6.a) Für die weitere Beschwerde gelten die allgemeinen Regeln. Die weitere Beschwerde ist also ebenso wie die Haftbeschwerde nach § 304 an keine Frist gebunden (s. i.Ü. → Untersuchungshaft, Haftbeschwerde, § 304 StPO, Teil B Rdn 925 ff.).
Rdn 1073
b) Die weitere Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, das die Entscheidung erlassen hat ("judex a quo"). Dieses prüft zunächst selbstständig eine Abhilfe. Eine Begründung des Nichtabhilfebeschlusses ist nicht erforderlich. Das Ergebnis der Prüfung ist in den Akten zu vermerken. Etwas anderes gilt, wenn der angefochtene Beschluss begründet worden ist und das Beschwerdevorbringen (neue) Tatsachenbehauptungen enth...