Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nach § 359 Nr. 3 bzw. § 362 Nr. 3 liegt ein absoluter Wiederaufnahmegrund vor, wenn einem der im wiederaufzunehmenden Verfahren beteiligten Richter eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist. |
2. |
Die Amtspflichtverletzung muss nach überwiegender Ansicht strafbar sein. |
3. |
Im Wiederaufnahmeantrag muss nicht dargelegt werden, dass das Urteil auf der Amtspflichtverletzung beruht; vielmehr gilt von Gesetzes wegen eine unwiderlegbare Vermutung (sog. absoluter Wiederaufnahmegrund). |
4. |
Hat der Angeklagte die Amtspflichtverletzung selbst oder durch Dritte veranlasst, ist die Wiederaufnahme ausgeschlossen. |
5. |
Im Wiederaufnahmeantrag muss der Richter/Schöffe namentlich benannt und die Pflichtverletzung bezeichnet werden. Ideales Beweismittel ist die Verurteilung des Richters/Schöffen. |
Rdn 1152
Literaturhinweise:
Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, Die erneute Wiederaufnahme des Strafverfahrens, GA 2013, 328
Brauns, Die gescheiterte Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Carl von Ossietzky – Grund für eine Gesetzesänderung?, JZ 1995, 492
Lehr, Probleme der Bestandskraft und der Aufhebung politisch motivierter Strafurteile aus der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, 2007
Meyer-Goßner, Die Unterbrechung der Verjährung durch einen fehlerhaften Eröffnungsbeschluss (Anmerkung zu BGH JR 1981, 370), JR 1981, 379)
s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1103.
Rdn 1153
1. Nach § 359 Nr. 3 bzw. § 362 Nr. 3 liegt ein absoluter Wiederaufnahmegrund vor, wenn einem der im wiederaufzunehmenden Verfahren beteiligten Richter eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Von der Vorschrift erfasst sind auch die Schöffen (Marxen/Tiemann, Rn 153). Eine entsprechende Anwendung auf andere am Verfahren beteiligte Personen ist dagegen ausgeschlossen. Die §§ 359, 362 sind aber in der Praxis kaum bedeutsam (so bereits Peters, Fehlerquellen, S. 47).
Rdn 1154
2. Für eine Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 3 bzw. § 362 Nr. 3 müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
Rdn 1155
a) Die Amtspflichtverletzung muss nach überwiegender Ansicht strafbar sein (Marxen/Tiemann, Rn 153; krit. KMR-Eschelbach, § 359 Rn 107) und sich auf die Strafsache gegen den Angeklagten beziehen.
☆ Sie muss sich nicht zwingend gegen diesen selbst richten. Straftatbestände, die ein Richter nur bei Gelegenheit verwirklicht hat, etwa eine Beleidigung des Angeklagten, unterfallen aber nicht §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 ( Marxen/Tiemann , Rn 155).nicht zwingend gegen diesen selbst richten. Straftatbestände, die ein Richter nur "bei Gelegenheit" verwirklicht hat, etwa eine Beleidigung des Angeklagten, unterfallen aber nicht §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 (Marxen/Tiemann, Rn 155).
Rdn 1156
Die Pflichtverletzung muss in der Instanz begangen worden sein, deren (Sach)Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. Wird etwa in der Berufungsinstanz oder im Fall einer Zurückweisung aufgrund erfolgreicher Revision der Sachverhalt erneut festgestellt, erfassen die Vorschriften nicht mehr die strafbare Amtspflichtverletzung in der vorangegangenen Instanz (BGHSt 31, 365, 372 [Wiederaufnahme des Reichstagsbrandprozesses]).
Rdn 1157
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist für eine mögliche Wiederaufnahme nach §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 an folgende Straftaten zu denken:
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§ 239 (Freiheitsberaubung), |
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§ 240 (Nötigung), |
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§ 257 (Begünstigung), |
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§ 267 (Urkundenfälschung), |
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§ 331 (Vorteilsannahme), |
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§ 332 (Bestechlichkeit), |
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§ 339 (Rechtsbeugung zum alten Recht LG Düsseldorf NJW 1959, 1334; LG Lübeck NJW 1998, 1285), |
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§ 343 (Aussageerpressung) und |
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§ 344 (Verfolgung Unschuldiger). |
☆ Hinsichtlich der Frage, ob eine Rechtsbeugung vorlag, ist jeweils das Rechtsverständnis zur Zeit der Verurteilung zugrunde zu legen (BGHSt 39, 75, 85 f. [ Carl von Ossietzky ]; Brauns JZ 1995, 495). Insbesondere bei rechtsfehlerhaften strafprozessualen Absprachen ist an den vergessenen Wiederaufnahmegrund der Rechtsbeugung zu denken ( Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille , a.a.O.).Rechtsbeugung vorlag, ist jeweils das Rechtsverständnis zur Zeit der Verurteilung zugrunde zu legen (BGHSt 39, 75, 85 f. [Carl von Ossietzky]; Brauns JZ 1995, 495). Insbesondere bei rechtsfehlerhaften strafprozessualen Absprachen ist an den "vergessenen Wiederaufnahmegrund" der Rechtsbeugung zu denken (Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, a.a.O.).
Rdn 1158
c) Der Umstand, dass der im Ursprungsverfahren (mit)entscheidende Richter sein Amt durch Täuschung erlangt hat, reicht nicht aus (Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 14; LR-Schuster, § 359 Rn 37). Dies erscheint zwar auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, da bei Fehlen der Voraussetzungen für die Befähigung zum Richteramt (§ 5 DRiG) die Ernennung zum Richter nichtig ist (§ 18 DRiG). Sein Urteil wird dadurch aber gleichwohl nicht nichtig (LR-Kühne, Einl. Kap. 16, Rn 9 und LR-Schuster, § 359 Rn 34, 37): Das Gericht war zwar in diesem Fall nicht vorschriftsmäßig besetzt, was einen absoluten Revisionsgrund nac...