Daniel Amelung, Lars Bachler
Rdn 257
Literaturhinweise:
Laser, Das Rechtsschutzsystem gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, NStZ 2001, 120
Schroth, Der Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, StV 1999, 117
s.a. die Hinw. bei → Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil B Rdn 93, m.w.N.
Rdn 258
1.a) Wird ein Beschuldigter nach § 127 Abs. 2 vorläufig festgenommen und soll seine Festnahme andauern, so regelt sich das weitere Verfahren nach § 128, mit der Folge, dass nunmehr das Rechtsschutzsystem des Haftrechts greift (→ Untersuchungshaft, Haftbeschwerde, Teil B Rdn 880; → Untersuchungshaft, Haftprüfung, Teil B Rdn 907 ff.). Wenn also der Betroffene die vorläufige Festnahme beanstanden will, entscheidet der Richter über die Fortdauer der Freiheitsentziehung (HK-Posthoff, § 127 Rn 31; Meyer-Goßner/Schmitt, § 127 Rn 23). Gleiches gilt für eine nach § 127 Abs. 1 S. 1 vorläufig festgenommene Person, die den Strafverfolgungsbehörden übergeben wurde (LR-Hilger, § 127 Rn 46).
Rdn 259
b) Problematisch ist jedoch, ob und inwiefern ein nach § 127 Abs. 2 Festgenommener eine Nachprüfung der vorläufigen Festnahme erreichen kann, wenn dieser ohne Vorführung vor den Richter gem. § 128 wieder freigelassen wird, zumal sich diese Maßnahme zwischenzeitlich (immer) erledigt haben wird. Die ältere Auffassung (vgl. Nachw. bei LR-Hilger, § 127 Rn 47 und Schroth StV 1999, 117, 119), wonach prozessual überholte Maßnahmen einer gerichtlichen Nachprüfung nicht mehr zugänglich seien, dürfte angesichts der Entscheidung des BVerfG vom 30.4.1997 (BVerfG NJW 1997, 2163) nicht mehr haltbar und dem Betroffenen aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes auch im Kontext der vorläufigen Festnahme nachträglicher Rechtschutz zuzugestehen sein. Dies gilt umso mehr, als der Betroffene im Hinblick auf die Schwere des Grundrechtseingriffs einer solchen Maßnahme ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis an gerichtlicher Klärung hat. Denn insbesondere dann, wenn die vorläufige Festnahme vor den Augen der Öffentlichkeit erfolgen und damit geeignet sein sollte, das Ansehen des Betroffenen etwa gegenüber Nachbarn oder Passanten herabzusetzen, oder wenn eine solche Maßnahme auch nur wenige Stunden andauern und dadurch die Freiheitsrechte des Betroffenen nicht unerheblich eingeschränkt worden sein sollten (vgl. LR-Hilger, § 127 Rn 48), gebietet allein schon das Rehabilitationsinteresse des Festgenommenen die Eröffnung einer nachträglichen Rechtmäßigkeitskontrolle.
☆ Mit ähnlichen Erwägungen ist auch bei gegenstandslos gewordenen Haftbefehlen gem. § 230 Abs. 2 (OLG Braunschweig NStZ-RR 2012, 385 [Ls.]; OLG Celle NStZ-RR 2003, 177; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 382; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2007, 349; a.A. OLG Hamm NJW 1999, 229) und Vollstreckungshaftbefehlen (BVerfG NStZ-RR 2004, 252), erledigten Fällen der Beugehaft gem. § 70 Abs. 2 (BVerfG NJW 2006, 40), erledigter Abschiebehaft nach Ausländerrecht (BVerfG NJW 2002, 2456), nach beendeten Freiheitsentziehungsmaßnahmen zur Durchsetzung eines Platzverweises (BVerfG NJW 1999, 3773) sowie in Fällen gegenstandslos gewordener Unterbringung psychisch Kranker nach Landesrecht (BVerfG NJW 1998, 2432; OLG Schleswig NJW 1999, 222) nachträglicher Rechtsschutz – etwa durch Zulassen der weiteren Beschwerde in Haftsachen trotz prozessualer Überholung – gewährt worden.gegenstandslos gewordenen Haftbefehlen gem. § 230 Abs. 2 (OLG Braunschweig NStZ-RR 2012, 385 [Ls.]; OLG Celle NStZ-RR 2003, 177; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 382; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2007, 349; a.A. OLG Hamm NJW 1999, 229) und Vollstreckungshaftbefehlen (BVerfG NStZ-RR 2004, 252), erledigten Fällen der Beugehaft gem. § 70 Abs. 2 (BVerfG NJW 2006, 40), erledigter Abschiebehaft nach Ausländerrecht (BVerfG NJW 2002, 2456), nach beendeten Freiheitsentziehungsmaßnahmen zur Durchsetzung eines Platzverweises (BVerfG NJW 1999, 3773) sowie in Fällen gegenstandslos gewordener Unterbringung psychisch Kranker nach Landesrecht (BVerfG NJW 1998, 2432; OLG Schleswig NJW 1999, 222) nachträglicher Rechtsschutz – etwa durch Zulassen der weiteren Beschwerde in Haftsachen trotz prozessualer Überholung – gewährt worden.
Rdn 260
c) Angesichts dessen wird dem Betroffenen nach heute h.M. in Lit. (HK-Posthoff, § 127 Rn 31; KK-Schultheis, § 127 Rn 48; Laser NStZ 2001, 120, 122; LR-Hilger, § 127 Rn 47; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; Schroth, a.a.O.; Radtke/Hohmann/Tsambikakis, § 127 Rn 11; MüKo-StPO/Böhm/Werner, § 127 Rn 15) und Rspr. (BGHSt 44, 171; BGH StV 1981, 597; OLG Jena, Beschl. v. 19.10.2010 – 1 VAs 5/10; KG, Beschl. v. 22.9.1999 – 1 AR 913/99 – 4 VAs 27–29/99; Hess. VGH, Beschl. v. 9.11.2007 – 8 TP 2192/07; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.3.2013 – 11 W 40/12; AG Berlin-Tiergarten wistra 2007, 199) eingeräumt, gem. § 98 Abs. 2 S. 2 analog zu beantragen, die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Festnahme festzustellen. Um eine einheitliche Überprüfungsmöglichkeit zu gewährleisten, wird dieser Antrag bei dem mit dieser Sache befassten (Ermittlungs-) Richter beim AG und insofern nicht...