Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die in §§ 23 ff. EGGVG vorgesehenen Hauptsacheantragsarten orientieren sich in Konzeption und Inhalt an denen, die die §§ 42 ff. VwGO im Bereich öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten vorsehen (Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Untätigkeitsklage). |
2. |
Die Möglichkeit eines allgemeinen Leistungsantrags oder Feststellungsantrags ist in den §§ 23 ff. EGGVG nicht vorgesehen und wird daher von der h.M. abgelehnt. |
Rdn 350
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 310.
Rdn 351
1. Die in §§ 23 ff. EGVG vorgesehenen Hauptsacheantragsarten orientieren sich in Konzeption und Inhalt an den Klagearten, die die §§ 42 ff. VwGO im Bereich öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten vorsehen. Sie bleiben indessen in der Vielfalt hinter diesen zurück. Regelmäßig wird daher unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG eine Erweiterung möglicher Rechtsschutzziele diskutiert.
Rdn 352
a) Die klassischste Antragsart stellt die Anfechtung dar (§ 23 Abs. 1 EGGVG). Sie ist darauf gerichtet, dass der Justizverwaltungsakt aufgehoben wird, weil der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG). Ist die Maßnahme bereits vollzogen worden, kommt ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht (§ 28 Abs. 1 S. 2 und 3 EGGVG). Liegt keine unmittelbare Rechtsbetroffenheit beim Antragsteller mehr vor, sieht § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG die Möglichkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags vor (→ Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Erledigung, Teil B Rdn 369).
Rdn 353
b) Mit dem Verpflichtungsantrag (§ 23 Abs. 2 EGGVG) wird der Erlass eines beantragten und von der Behörde abgelehnten Justizverwaltungsaktes begehrt. Ist bei der zuständigen Behörde noch gar kein Antrag auf Erlass einer konkreten Maßnahme gestellt, ist ein Verpflichtungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig (KG NJW 1968, 609). Handelt es sich um eine Maßnahme, deren Erlass in das Ermessen der Justizbehörde gestellt ist, kann ein Verpflichtungsantrag regelmäßig nur dann vollumfänglichen Erfolg haben, wenn er mit dem Ziel, die Behörde zu verpflichten, über den Antrag des Antragstellers neu zu bescheiden, gestellt ist (§ 28 Abs. 2 S. 2 EGGVG). Nur im Fall von Spruchreife (also einer Ermessensreduzierung auf Null) kann das Gericht die Behörde zur Vornahme der begehrten Maßnahme verpflichten (§ 28 Abs. 2 S. 1 EGGVG).
☆ Zwar führt nach h.M. bei einem unbeschränkt gestellten Verpflichtungsantrag die teilweise Zurückweisung aufgrund fehlender Spruchreife nicht zu einer (Teil-)Kostentragungspflicht (OLG Zweibrücken wistra 2010, 118, 120; LR- Böttcher , § 30 EGGVG Rn 1). Diese Auffassung ist aber nicht zwingend. Der Verteidiger ist daher gut beraten, das Ziel des Verpflichtungsantrages deutlich herauszuarbeiten .Böttcher, § 30 EGGVG Rn 1). Diese Auffassung ist aber nicht zwingend. Der Verteidiger ist daher gut beraten, das Ziel des Verpflichtungsantrages deutlich herauszuarbeiten.
Rdn 354
c) Einen Sonderfall stellt der Untätigkeitsantrag nach § 27 EGGVG dar. Mit dieser kann der Antragsteller gegen behördliches Untätigsein, regelmäßig nach Ablauf von drei Monaten (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 EGGVG), vorgehen und die Vornahme einer bestimmten Maßnahme oder die Entscheidung über einen förmlichen Rechtsbehelf erzwingen. Ein verfrüht gestellter Antrag führt zu dessen Unzulässigkeit (Kissel/Mayer, § 27 EGGVG, Rn 2; zur Untätigkeitsbeschwerde → Beschwerde, Untätigkeitsbeschwerde, Teil A Rdn 560).
Rdn 355
d) Bislang von der überwiegenden Rspr. nicht anerkannt ist die Möglichkeit eines allgemeinen Leistungsantrags, wie er als Klage im Verwaltungsprozess nach §§ 43, 113 Abs. 4 VwGO vorgesehen ist (OLG Frankfurt/Main NStZ 1982, 134; OLG Hamm JR 1996, 257, 258; OLG Karlsruhe NStZ 1997, 407; OLG Koblenz NJW 1985, 2038, 2040; OLG München NJW 1975, 509, 511). Aufgrund des weiten Begriffs des Justizverwaltungsakts i.S.d. §§ 23 ff. EGGVG, der auch Maßnahmen umfasst, die nicht als Verwaltungsakte im herkömmlichen Sinn zu verstehen sind, scheint die Frage nach der Anerkennung eines allgemeinen Leistungsantrags eher dogmatischer Natur zu sein (vgl. Conrad, S. 210 ff.). Anders verhält es sich aber mit sich erst abzeichnenden Maßnahmen, gegen die ein Betroffener im Wege der vorbeugenden Unterlassungsklage vorgehen will. Da anerkannt ist, dass Art. 19 Abs. 4 GG grds. auch vorbeugenden Rechtsschutz gebietet, wenn anders wirksamer Rechtsschutz nicht möglich ist, müsste ein solcher auch über §§ 23 ff. EGGVG gewährleistet sein (OLG Karlsruhe NStZ 2015, 606, 607; LR-Böttcher, § 23 EGGVG Rn 77; Neuling StV 2008, 387, 389).
Rdn 356
e) Ähnliches gilt für einen allgemeinen Feststellungsantrag außerhalb von § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG. Die Möglichkeit eines solchen Antrags wird von der h.M. abgelehnt, weil dieser in den §§ 23 ff. EGGVG nicht vorgesehen sei (OLG Hamburg NStZ-RR 1996, 13, 14; OLG Hamm GA 1975, 150, 151; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 525, 526; OLG München NJW 1975, 509, 511; OLG Schleswig SchlHA 1988, 108). ...