Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nach § 24 Abs. 2 EGGVG ist vor einem Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG ein Vorverfahren durchzuführen, wenn dies vorgesehen ist. |
2. |
Dies gilt insbesondere für Strafvollstreckungssachen (§ 21 StrVollstrO) und in Angelegenheiten nach dem BZRG, in manchen Ländern auch für Gnadensachen. |
3. |
Die Einleitung des Vorschaltverfahrens allein reicht für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nicht aus. |
4. |
Wo die Beschwerde zu erheben ist, ist in den seltensten Fällen geregelt. Es empfiehlt sich, diese bei der Behörde zu erheben, die die Maßnahme getroffen hat. |
5. |
Sieht das Verwaltungsverfahren eine Frist voraus und wird diese vom Antragsteller versäumt, hat auch ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG keinen Erfolg. |
Rdn 359
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 310.
Rdn 360
1. Gem. § 24 Abs. 2 EGGVG muss ein von einem Justizverwaltungsakt Betroffener zunächst ein Vorschaltverfahren erfolglos durchgeführt haben, wenn ihm ein förmlicher Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren zur Verfügung steht. Hierzu zählen neben gesetzlich vorgesehenen (z.B. § 25 Abs. 2 BZRG; → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Weitergabe und Aufbewahrung von Daten, Teil B Rdn 478) auch solche, die durch eine Verwaltungsvorschrift angeordnet werden, die jedem, den es angeht, bekannt werden kann und für jeden gleich gehandhabt wird, für die Verwaltung verbindlich ist und wie eine Norm als objektives Recht angewendet wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 EGGVG, Rn 5). Dies betrifft insbesondere die Einwendungen nach § 21 StrVollstrO (KG StV 1989, 26 27; OLG Hamburg MDR 1981, 607; OLG Hamm NStZ 1988, 380; OLG Oldenburg NStZ 1991, 512; OLG Stuttgart NStZ 1986, 141, 142), meint aber in manchen Ländern auch die Einwendungen im Gnadenverfahren. Die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde zählt hierzu nicht (OLG Celle Nds.Rpfl. 1965, 103; KK-Mayer, § 24 EGGVG Rn 8; → Dienstaufsichtsbeschwerde, Teil B Rdn 262).
Rdn 361
2. Eines solchen Vorverfahrens bedarf es nach nahezu einhelliger Auffassung indessen nicht, wenn sich die angegriffene Maßnahme vor Antragstellung erledigt hat und das Verwaltungsverfahren bloß auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerichtet werden könnte (KG, Beschl. v. 4.6.2009 – 1 VAs 22/09; OLG Stuttgart NStZ 1998, 212, 213; diff. LR-Böttcher § 24 EGGVG, Rn 16). Denn der Zweck der Vorschrift – die mögliche Selbstkorrektur der Behörde und infolgedessen die Entlastung der Gerichte – kann nicht mehr erreicht werden.
Rdn 362
3. Die Einleitung des Vorschaltverfahrens allein reicht für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nicht aus. Unschädlich ist aber, wenn der Bescheid der Behörde erst nach Antragstellung auf gerichtliche Entscheidung ergeht Er muss lediglich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen (KG Rpfleger 2009, 142; OLG Hamm NStZ 1982, 134135). Das Gericht ist allerdings bei Befassung nicht verpflichtet, das Ende des Vorschaltverfahrens abzuwarten (OLG Hamm NStZ-RR 2011, 191 [Ls.]).
Rdn 363
4. Wo die Beschwerde zu erheben ist, ist in den seltensten Fällen geregelt. Es empfiehlt sich, diese bei der Behörde zu erheben, die die Maßnahme getroffen hat (Volckart, Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Vollzug, Rn 482), und zwar entspr. § 306 Abs. 1 schriftlich (für Maßnahmen des BZR vgl. Götz/Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, 4. Aufl. 2001, § 25 Rn 35).
Rdn 364
5. Sieht das Verwaltungsverfahren eine Frist voraus und wird diese vom Antragsteller versäumt, hat auch ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG keinen Erfolg. Hier muss versucht werden, die Fristversäumnis über die Regeln der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beseitigen. Im Verfahren nach dem BZRG richtet sich dies in analoger Anwendung der §§ 44 ff. nach den üblichen Voraussetzungen (Götz/Tolzmann, a.a.O., § 25 Rn 37; → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Voraussetzungen, Teil B Rdn 1513). Teilweise wird aber auch eine analoge Anwendung der § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 bis 4 VwGO – mit längerer Antragsfrist – vertreten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 EGGVG Rn 4; Schmid NStZ 1990, 451). Über einen solchen Antrag hat die Justizbehörde zu befinden. Entscheidet diese trotz Fristversäumnis in der Sache, ist umstritten, ob dadurch der Mangel im Verfahren geheilt und die Möglichkeit der Anfechtung eines Justizverwaltungsaktes eröffnet wird (vgl. OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1968, 234, 235; OLG Stuttgart NJW 1970, 718; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. einerseits [Antrag unzulässig] und OLG Celle NJW 1969, 522; Radtke/Hohmann/Hagemeier, § 24 EGGVG Rn 6; LR-Böttcher, § 24 EGGVG Rn 9; Kissel/Mayer, § 24 EGGVG Rn 5 andererseits [Antrag zulässig]). Wendet man §§ 44 ff. an, ist wegen § 46 Abs. 2 von einer Bindungswirkung auszugehen (i.Ü. vgl. die Nachw. bei Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 70 VwGO Rn 13).
Siehe auch: → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 309, m.w.N; → Wiedere...