Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Rechtsbehelfe des Inhaftierten hinsichtlich der Vollstreckung der Untersuchungshaft sind differenziert geregelt. Soweit nicht das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist, kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (§ 119 Abs. 5). |
2. |
Zum Rechtsbehelf der Beschwerde gelten allgemein die Ausführungen zur Haftbeschwerde. |
3. |
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfasst in erster Linie diejenigen Fälle, in denen die Anordnung nicht vom Gericht getroffen wurde. |
4. |
Das Recht zum Antrag auf gerichtliche Überprüfung erfasst auch Entscheidungen im Vollzug der U-Haft. |
5. |
Auch bei Untätigkeit der Behörde kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. |
6. |
Auch für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung bedarf es eines Rechtsschutzbedürfnisses. Der Antragsteller muss beschwert sein. |
7. |
Die Zuständigkeit für die Entscheidung über Anträge nach § 119a richtet sich danach, ob die öffentliche Klage bereits erhoben ist. |
8. |
Der Prüfungsmaßstab für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist der gleiche wie bei § 119. |
9. |
Die Entscheidung über den Antrag ist dem Betroffenen gem. § 35 Abs. 2 S. 2 formlos mitzuteilen. Die mündliche Mitteilung durch die JVA ist nicht ausreichend. |
Rdn 996
Literaturhinweise:
Herrmann, Zur Reform des Rechts der Untersuchungshaft, StRR 2010, 4 ff.
Paeffgen, Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz vom 14.12.2007, StV 2009, 46
Seebode, Das "Recht des Untersuchungshaftvollzugs" im Sinne des Art. 74 GG, HRRS 2008, 236, 239
Tsambikakis, Moderne Einwirkungen auf die Strafprozessordnung – Beispiel Untersuchungshaft, ZIS 2009, 503 ff.
Weider, Das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts, StV 2010, 102 ff.
s.a. die Hinw. bei → Untersuchungshaft, Allgemeines, Teil B Rdn 806.
Rdn 997
1.a) Die Rechtsbehelfe des Inhaftierten hinsichtlich der Vollstreckung der U-Haft sind differenziert geregelt. Grds, gilt: Soweit nicht das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist (vgl. Rdn 999), kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (§ 119 Abs. 5; vgl. Rdn 1001 ff.).
Rdn 998
b) Der Beschuldigte ist im Rahmen der Haftbefehlseröffnung und dessen Verkündung über seine Rechte zu belehren. Die gilt sowohl hinsichtlich der Möglichkeit der Haftbeschwerde als auch des Antrages auf gerichtliche Entscheidung (vgl. § 115 Abs. 4).
☆ Aufgrund der schwierigen, nicht unproblematischen Rechtslage wird diese Belehrung ebenso differenziert wie ausführlich zu geschehen haben (s. auch die Kommentierung bei SSW-StPO/ Herrmann , §§ 119, 119a).Herrmann, §§ 119, 119a).
Rdn 999
2. Zum Rechtsbehelf der Beschwerde gelten allgemein die Ausführungen bei → Untersuchungshaft, Haftbeschwerde, Teil B Rdn 880 ff. (; s. auch noch → Beschwerde, Allgemeines, Teil B Rdn 453, m.w.N.).
Rdn 1000
Ergänzend ist Folgendes zu beachten:
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Ein Beschwerderecht steht hier auch dem von den angeordneten Auflagen betroffenen Dritten zu (BGHSt 27, 175 m. abl. Anm. Peters JR 1978, 83 [zum Besuchsrecht]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 119 Rn 36). |
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Der die Anordnung treffende Anstaltsleiter hat hingegen kein eigenes Beschwerderecht, da für diesen § 119a Abs. 3 gilt (AnwKomm-U-Haft/König, § 119 Rn 63; Meyer-Goßner/Schmitt, § 119 Rn 36). Der JVA kommt keine Regelungskompetenz zur Sicherung der Haftzwecke zu (Schlothauer/Weider, Rn 1012). |
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Handelt es sich um eine Entscheidung des erkennenden Gerichts i.S.v. § 305, dann ist der Begriff der "Verhaftung" weit auszulegen. Hierunter fallen sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der U-Haft (OLG Karlsruhe StV 1997, 312 [zur Höhe der Sicherheitsleistung]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 119 Rn 37 [mit Verweis auf § 305 Rn 7]; Radtke/Hohmann/Tsambikakis, § 119 Rn 19). |
Rdn 1001
3. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfasst in erster Linie diejenigen Fälle, in denen die Anordnung nicht vom Gericht getroffen wurde. Da es sich bei Anordnungen zur Beschränkung der U-Haft letztlich um einen Eingriff in die Grundrechte des Inhaftierten handelt, muss der Rechtsweg eröffnet sein (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG). Die Überprüfung kann sich gegen sämtliche allgemeinen und individuellen Anordnungen der Justizvollzugsanstalt richten (zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung allgemein → Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil B Rdn 93, m.w.N.).
☆ Damit unterliegen insbesondere Entscheidungen der StA oder der Anstaltsleitung einer gerichtlichen Kontrolle.
Rdn 1002
Darüber hinaus sind hiervon aber auch die Fälle erfasst, in denen ein Gericht entschieden hat, ohne dass eine Beschwerdemöglichkeit eröffnet ist. Dies trifft auf Entscheidungen in Haftsachen durch den Ermittlungsrichter beim BGH oder das OLG zu, die nunmehr gerichtlich überprüft werden können (vgl. § 304 Abs. 5; s. hierzu auch BT-Drucks 16/11644, S. 30).
☆ Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 119 Abs. 5 S. 3 und 4; § 119a Abs. 2 S. 1). Das Gericht kann aber nach vorläufige Anordnungen treffen (vgl. § 119 Abs. 5 S. 3 und 4; § 119a Abs. 2 S. 2).keine aufschiebend...