Das Wichtigste in Kürze:

1. Ein Wiederaufnahmeverfahren wird ausschließlich auf Antrag eingeleitet.
2. Die Antragsberechtigung setzt eine Beschwer voraus; die StA ist immer beschwert.
3. Zuungunsten des Angeklagten ist vor allem die StA berechtigt, mit der sich aus § 362 ergebenden Begründung einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen.
4. Der Antrag ist jederzeit nach Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung und damit auch unabhängig von einer möglicherweise bereits begonnenen oder gar abgeschlossenen Vollstreckung zulässig.
5. Der Wiederaufnahmeantrag ist formgebunden (§ 366).
6. Im Wiederaufnahmeantrag müssen insbesondere der Wiederaufnahmegrund, das Ziel und die Beweismittel benannt werden.
7. Die örtliche Zuständigkeit für den zu stellenden Antrag ergibt sich aus den möglichen Orten der Antragstellung.
 

Rdn 1072

 

Literaturhinweise:

Laubenthal, Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten eines vor Rechtskraft des verkündeten Urteils verstorbenen Angeklagten? GA 1989, 20

Miebach/Hohmann, Wiederaufnahme in Strafsachen, 2016

Nowak, Der Wiederaufnahmeantrag in Strafsachen zugunsten des Verurteilten (§ 359 Nr. 5 StPO), 2011

Strate, Wiederaufnahme des Verfahrens, in: Hamm/Leipold, Beck'sches Formularbuch für den Strafverteidiger, 5. Aufl. 2010, Kap. IX)

Pflüger, Auswirkungen des Todes des Angeklagten auf die Kostenentscheidung, NJW 1983, 1894

s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1054.

 

Rdn 1073

1. Ein Wiederaufnahmeverfahren wird ausschließlich auf Antrag eingeleitet. Der Kreis der Antragsberechtigten unterscheidet sich jeweils danach, ob der Antrag zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten eingelegt wird.

 

Rdn 1074

2.a) Antragsberechtigt ist nur, wer durch die angefochtene Entscheidung beschwert, also nachteilig betroffen ist. Die Beschwer folgt aus dem Entscheidungstenor, nicht aus den Urteilsgründen (LR-Gössel, vor § 359 Rn 125; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Beschwer, Teil A Rdn 1383 ff.). Eine Beschwer ist fraglich, wenn der Angeklagte mangels Schuldfähigkeit freigesprochen wurde (Marxen/Tiemann, Rn 53). Sie ist im Ergebnis aber zu bejahen, auch wenn sich die Beschwer in diesem Fall nicht aus dem Tenor ergibt, da der Freigesprochene durch die ansonsten nicht zu beseitigende Eintragung im Bundeszentralregister (§ 11 BZRG) rechtlich nachteilig betroffen wäre (Peters, Strafprozeß, S. 613 ff.).

 

Rdn 1075

b) Kreis der Antragsberechtigten:

der Verurteilte (§§ 365, 296 Abs. 1),
der Verteidiger (§§ 365, 297) – nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Verurteilten,
der gesetzliche Vertreter des Verurteilten (§§ 365, 298),
die Erziehungsberechtigten (§ 67 Abs. 3 JGG),
im Fall des Wiederaufnahmeantrags nach dem Tod des Verurteilten die Verwandten in auf- und absteigender gerader Linie, Geschwister und Ehegatten bzw. Lebenspartner (§ 361),
die StA (§§ 365, 296 Abs. 2).
 

☆ Hat der Verurteilte hierfür keinen Verteidiger, kann ihm das Gericht unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 364a, 364b einen Pflichtverteidiger beiordnen (→  Wiederaufnahme, Verteidigerbestellung , Teil B Rdn  1363  ff.).Pflichtverteidiger beiordnen (→ Wiederaufnahme, Verteidigerbestellung, Teil B Rdn 1363 ff.).

 

Rdn 1076

c) Sofern ein Wiederaufnahmeantrag durch den gesetzlichen Vertreter (ggf. auch gegen den Willen des Erziehungsberechtigten, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 365 Rn 4) gestellt wurde (§§ 298, 67 Abs. 3 JGG) und die gesetzliche Vertretung endet bzw. der Verurteilte volljährig wird, bevor nach § 370 über die Begründetheit des Antrags entschieden worden ist, wird der Antrag unzulässig, wenn der Verurteilte nicht selbst als Antragsteller in das Verfahren eintritt (so Marxen/Tiemann, Rn 42; Miebach/Hohmann, a.a.O., Kap. F. Rn 151; LR-Gössel, § 365 Rn 6; KK-Schmidt, § 365 Rn 5; a.A. HK-Krehl, § 365 Rn 4; Meyer-Goßner/Schmitt, § 365 Rn 4).

 

☆ Es ist daher in jedem Fall ratsam , als Verurteilter in den Antrag des gesetzlichen Vertreters einzutreten .ratsam, als Verurteilter in den Antrag des gesetzlichen Vertreters einzutreten.

 

Rdn 1077

d) Gem. § 361 kann die Wiederaufnahme auch beantragt werden, wenn der Verurteilte bereits verstorben oder für tot erklärt worden (§§ 2 ff. VerschG) ist. Denn in diesem Fall besteht gleichwohl ein Rehabilitationsinteresse, weshalb die Wiederaufnahme zugunsten eines Verstorbenen zulässig ist (zur Pflichtverteidigerbestellung für den antragstellenden Angehörigen des verstorbenen Verurteilten OLG Stuttgart NStZ 1999, 587; → Wiederaufnahme, Verteidigerbestellung, Teil B Rdn 1363 ff.). Die Wiederaufnahme zuungunsten (§ 362) eines Verstorbenen ist dagegen stets unzulässig.

 

Rdn 1078

Antragsberechtigt sind in diesem Fall ausschließlich die in § 361 Abs. 2 abschließend genannten Angehörigen, der Ehegatte, auch wenn er nach dem Tod des Verurteilten erneut geheiratet hat (nicht aber der geschiedene Ehegatte), der Lebenspartner, nicht aber nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft (§ 15 LPartG), Verwandte auf- und absteigender Linie, Geschwister. Diese haben zudem ein Eintrittsrecht in den noch zu Lebzeiten ...

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