Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
§ 359 Nr. 4 regelt die Wiederaufnahme nach Aufhebung eines Zivilurteils, das dem Strafurteil zugrunde lag. |
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Die Norm erfasst auch den Wegfall arbeits-, sozial-, verwaltungs- und finanzgerichtlicher Entscheidungen. Teilweise wird vertreten, dass auch der Wegfall eines Verwaltungsaktes § 359 Nr. 4 unterfallen soll. |
3. |
Der Wiederaufnahmeantrag muss das weggefallene Zivilurteil und die rechtskräftige aufhebende Entscheidung bezeichnen und darlegen, dass das Strafurteil auf der früheren Zivilentscheidung gründete. |
Rdn 1196
Literaturhinweise:
Arnhold, Strafbarer Ungehorsam gegen rechtswidrige Verwaltungsakte, JZ 1977, 789
Gerhards, Die Strafbarkeit des Ungehorsams gegen Verwaltungsakte, NJW 1978, 86
Laufhütte/Möhrenschläger, Umweltstrafrecht in neuer Gestalt, ZStW 921980, 912
Schenke, Strafbarkeit der Zuwiderhandlung gegen einen sofort vollziehbaren, nachträglich aufgehobenen strafbewehrten Verwaltungsakt?, JR 1970, 449
Weyand, Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Steuerstrafverfahren, PStR 2007, 189
s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1054.
Rdn 1197
1. Beruhte das Strafurteil auf einem Zivilurteil und ist dieses nach Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung aufgehoben worden, kann nach § 359 Nr. 4 eine Wiederaufnahme hierauf gestützt werden.
Rdn 1198
2.a) Neben Zivilurteilen sind über den Wortlaut der Norm hinaus auch arbeits-, sozial-, finanz- und verwaltungsgerichtliche Urteile erfasst. Dies beruht auf historischen Gründen, vor allem aber darauf, dass eine Differenzierung nicht sachgerecht wäre (ganz h.M., vgl. nur Marxen/Tiemann, Rn 160; Peters, Fehlerquellen, S. 53, KK-Schmidt, § 359 Rn 15; LR-Gössel, § 359 Rn 46; Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 17; a.A. KMR-Eschelbach, § 359 Rn 115; für finanzgerichtliche Urteile s.a. Weyand PStR 2007, 189).
Rdn 1199
b) Nicht erfasst sind nach überwiegender Auffassung dagegen aufgehobene Strafurteile (Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 17; KK-Schmidt, § 359 Rn 15; a.A. SK-Frister, § 359 Rn 33).
Rdn 1200
c) Ob aufgehobene Verwaltungsakte § 359 Nr. 4 unterfallen, ist umstr. Insoweit gilt folgender
Rdn 1201
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Der BGH und Teile der Lit. lehnen dies ab (Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 17; KK-Schmidt, § 359 Rn 15; BGHSt 23, 86, 94; vgl. dazu aber Schenke JR 1970, 449; wie der BGH a. OLG Karlsruhe JZ 1977, 478 m. abl. Anm. Arnhold JZ 1977, 789; vgl. dazu a. Gerhards NJW 1978, 86), wobei sich die Ablehnung auf alle strafrechtlich bedeutsamen Bereiche des öffentlichen Rechts erstreckt (vgl. etwa Laufhütte/Möhrenschläger ZStW 92, 912, 920 f. für das Umweltrecht). |
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Nach einer Entscheidung des BVerfG unterfallen aufgehobene Verwaltungsakte dagegen dem Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 4 (BVerfGE 22, 21, 27). Diese Ansicht hat weitgehend Zustimmung in der Lit. (LR-Gössel, § 359 Rn 47; Arnhold JZ 1977, 789; Peters, Fehlerquellen, S. 69; Schenke JR 1970, 449; Gerhards NJW 1978, 86) und teilweise auch in der Rspr. (OLG Frankfurt/Main NJW 1967, 262) gefunden. |
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Teilweise wird zwischen formell und materiell rechtswidrigen Verwaltungsakten differenziert (Marxen/Tiemann, Rn 161 f., dort Fn 274) und nur bei materiell rechtswidrigen Verwaltungsakten die Wiederaufnahme zugelassen. ☆ Dass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ebenfalls die Wiederaufnahme begründen kann, lässt sich auch damit rechtfertigen, dass die Aufhebung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung einer Wiederaufnahme erst recht zugänglich sein muss für eine Wiederaufnahme, wenn bereits der Wegfall einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 4 begründen kann ( Marxen/Tiemann , Rn 162 m.w.N.). Die Auffassung des BVerfG verdient daher Zustimmung .verwaltungsbehördlichen Entscheidung einer Wiederaufnahme erst recht zugänglich sein muss für eine Wiederaufnahme, wenn bereits der Wegfall einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 4 begründen kann (Marxen/Tiemann, Rn 162 m.w.N.). Die Auffassung des BVerfG verdient daher Zustimmung. |
Rdn 1202
d) Aufgehoben i.S. des § 359 Nr. 4 ist ein Urteil, wenn es nach §§ 578 ff. ZPO im zivilgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde oder das neue Urteil zumindest inhaltlich vom alten Urteil abweicht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 18; Marxen/Tiemann, Rn 163). Das neue Urteil muss zudem rechtskräftig sein.
Rdn 1203
e) Das Strafurteil gründete auf dem Zivilurteil, wenn jenes als Urkunde Beweisgrundlage war (§ 249 Abs. 1 S. 2) oder es sich um ein bindendes Gestaltungsurteil gehandelt hat (§ 262; vgl. LR-Gössel, § 359 Rn 49; Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 19; Marxen/Tiemann, Rn 165).
Rdn 1204
3.a) Für die Anforderungen an die Antragsbegründung gelten zunächst die allgemeinen Ausführungen zum Wiederaufnahmeantrag (→ Wiederaufnahmeverfahren, Antrag, Teil B Rdn 1071 ff.). Im Übrigen:
Rdn 1205
b)aa) Im Antrag muss das ältere Zivilurteil (o.ä.) sowie das neuere, abweichende, rechtskräftige Aufhebungsurteil benannt werden. Zudem ist es zwingend erforderlich, die K...