Dr. Harald Lemke-Küch, Dr. Michael Ch. Jakobs
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
§ 36 Abs. 1 S. 3 BtMG und § 36 Abs. 2 BtMG regeln die Möglichkeiten, die (Rest-) Strafen nach einer Therapie zur Bewährung auszusetzen. |
2. |
Sind durch die Anrechnung von Therapiezeiten zwei Drittel der Strafe erledigt, so ist die Vollstreckung des Restes der Strafe zu Bewährung auszusetzen, sobald dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 36 Abs. 1 S. 3 BtMG). |
3. |
§ 36 Abs. 2 BtMG ermöglicht eine Strafrestaussetzung zur Bewährung auch in den Fällen, in denen zwar die Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG förmlich zurückgestellt war, die Therapie jedoch nicht obligatorisch auf die Strafe angerechnet wird. |
4. |
Für die Aussetzung des Vollzugs der Unterbringung enthält § 36 BtMG keine ausdrückliche Regelung, nach unterschiedlicher Auffassung findet in diesen Fällen aber § 67d Abs. 2 S. 1 StGB entweder direkte oder analoge Anwendung. |
5. |
Zuständigkeit und Verfahren sind in § 36 Abs. 4 und 5 BtMG geregelt. |
Rdn 165
Literaturhinweise:
s. die Hinweise bei → BtM-Verfahren, Zurückstellung, Allgemeines, Teil B Rdn 92.
Rdn 166
1. § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG und § 36 Abs. 2 BtMG regeln die Möglichkeiten, die (Rest-) Strafen nach einer Therapie zur Bewährung auszusetzen (zur Anwendung im JGG-Verfahren → Jugendliche, Vollstreckung, Jugendstrafe, Teil B Rdn 786). Die Regelungen des BtMG sind lex specialis zu § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB und § 57 Abs. 2 StGB. Eine Strafaussetzung kann deshalb schon vor dem Halbstrafenzeitpunkt erfolgen (OLG Düsseldorf StV 1990, 214; OLG Stuttgart NStZ 1986, 187; OLG Celle StV 1986, 113; MüKo-StGB/Kornprobst, § 36 BtMG Rn 43; Weber, § 36 Rn 73; a.A. OLG München MDR 1984, 513; OLG Nürnberg MDR 1984, 513), wodurch sich für den betäubungsmittelabhängigen Verurteilten im Rahmen der Vollstreckung große Möglichkeiten der Haftverkürzung und unter Umständen sogar der vollständigen Haftvermeidung ergeben. Mit § 36 BtMG soll durch die Anrechnung von Therapiezeiten auf die Strafe und durch die Möglichkeiten einer Strafaussetzung zur Bewährung nach erfolgreicher Therapie der BtM-Abhängige motiviert werden, sich einer Behandlung zu unterziehen und es soll verhindert werden, dass ein etwaiger Erfolg der Therapie durch anschließende Strafvollstreckung gefährdet oder zunichte gemacht wird (MüKo-StGB/Kornprobst, BtMG, § 36 Rn 1; → BtM-Verfahren, Zurückstellung, Anrechnung von Therapiezeiten, Teil B Rdn 96).
Rdn 167
§ 36 BtMG unterscheidet – gesetzessystematisch wenig überzeugend – zwischen der Strafrestaussetzung nach Durchführung einer obligatorisch anzurechnenden Therapie gem. § 36 Abs. 1 S. 3 gem. § 36 Abs. 2 BtMG in den Fällen, in denen trotz Zurückstellung eine obligatorische Anrechnung nicht erfolgen kann, weil z.B. der Therapieeinrichtung die staatliche Anerkennung fehlt. Die Unterscheidung erscheint gesetzestechnisch überflüssig, da die Voraussetzungen und Wirkungen bei der Anrechnung identisch sind und der einzige dogmatische Unterschied darin besteht, dass nach § 36 Abs. 2 BtMG auch die gesamte Strafe zu Bewährung ausgesetzt werden kann, während sich § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG angesichts der obligatorisch vorzunehmenden Anrechnung zwangsläufig auf einen Strafrest bezieht (MüKo-StGB/Kornprobst, § 36 BtMG Rn 57).
Rdn 168
2.a) Sind durch die Anrechnung von Therapiezeiten zwei Drittel der Strafe erledigt (→ BtM-Verfahren, Zurückstellung, Anrechnung von Therapiezeiten, Teil B Rdn 96) oder ist eine Behandlung in der Einrichtung zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr erforderlich, so ist die Vollstreckung des Restes der Strafe zu Bewährung auszusetzen, sobald dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (Aussetzung der Reststrafe nach § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG). Die Aussetzung der Reststrafe ist danach unter dem gemeinsamen Erfordernis der "positiven Sozialprognose" in zwei Alternativen, namentlich der "Erledigung von zwei Drittel der Strafe" und der "Entbehrlichkeit weiterer Behandlung" möglich.
Rdn 169
b) Voraussetzung beider Alternativen ist eine positive Sozialprognose. Die Prognoseformel des § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG entspricht im Wesentlichen dem Maßstab des § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB. Die insoweit vorzunehmende Gesamtwürdigung aller Umstände orientiert sich im Unterschied zu § 57 Abs. 1 StGB jedoch weniger am Vorleben des Verurteilten und den Tatumständen, sondern vielmehr an der aus der vorausgegangenen Behandlung zu erwartenden Legalbewährung, der Persönlichkeit des Verurteilten, dem Verhalten während der Therapie und dem aufgrund der Therapie zu erwartenden Verhalten des Verurteilten. Dabei schließt weder das Fortbestehen der Betäubungsmittelabhängigkeit (BayObLG StV 1992, 15), so z.B., wenn der Verurteilte (weiter) an einer Therapie, einem Substitutions- und/oder Nachsorgeprogramm teilnimmt, noch die Unsicherheit eines evtl. Rückfalls die Aussetzung ohne weiteres aus; eine berechtigte Chance, dass der Betroffene eine drogenfreie Lebensführung einschlägt und beibehält, reicht aus (Körner/Pa...