Dr. Harald Lemke-Küch, Dr. Michael Ch. Jakobs
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Rechtzeitig vor dem sog. (ggf. gemeinsamen) Zweidritteltermin findet von Amts wegen eine Prüfung statt, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB vorliegen. |
2. |
Der Rechtspfleger der StA berechnet bei Einleitung der Vollstreckung den Zweidritteltermin. |
3. |
Im Fall mehrerer, nacheinander zu vollstreckender Freiheitsstrafen regelt § 454b Abs. 2 StPO, dass die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Strafe nach Verbüßung von zwei Dritteln – mindestens zwei Monaten – zu unterbrechen ist. |
4. |
Gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB kommt eine Strafaussetzung nur in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. |
5. |
§ 454 Abs. 1 StPO regelt eine Anhörungspflicht der Vollzugseinrichtung. |
6. |
Sofern eine zeitige Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten schweren Straftaten verhängt wurde, ist gem. § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO durch das Gericht grds. das Prognosegutachten eines – in der Regel externen – SV einzuholen. |
7. |
Liegen die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB vor, ist das Gericht zur Aussetzung verpflichtet. |
8. |
Gegen den Beschluss des Gerichts ist gem. § 454 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde statthaft |
Rdn 284
Literaturhinweise:
Artkämper/Herrmann/Jakobs/Kruse, Aufgabenfelder der Staatsanwaltschaft, 2008, Rn 882 ff.
Kamann, Handbuch für die Strafvollstreckung und den Strafvollzug, 2. Aufl. 2008, Rn 50 ff. Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn 71 ff.
Volckart/Pollähne/Wagner, Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug, 4. Aufl. 2008, Rn 443 ff.
Rdn 285
1. Rechtzeitig vor dem sog. (ggf. gemeinsamen) Zweidritteltermin findet von Amts wegen eine Prüfung statt, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB vorliegen und damit die Reststrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen ist. Grds. – immer dann, wenn sich der Verurteilte in Haft befindet – entscheidet die StVK. Es kommt aber durchaus vor, dass sich der Verurteilte, dessen angerechnete Untersuchungshaft bereits mindestens zwei Drittel der Strafe beträgt, auf freiem Fuß befindet. In diesem Fall ist das Gericht des ersten Rechtszuges für die Reststrafenaussetzung zuständig.
Rdn 286
2. Der Rechtspfleger der StA berechnet bei Einleitung der Vollstreckung den Zweidritteltermin (s.a. → Erwachsene, Freiheitsstrafe ohne Bewährung, Strafzeitberechnung, Teil B Rdn 310), den er im Fall nachträglicher Veränderungen entsprechend korrigiert, und setzt sich eine Wiedervorlagefrist, um rechtzeitig die Stellungnahme der JVA einzuholen. Hinsichtlich des Aussetzungstermins kommt es auf die verhängte Strafe an. Soweit U-Haft oder Therapiezeiten angerechnet wurden, gilt die Strafe insoweit als verbüßt. Anders verhält es sich nach h.M. allerdings bei Gnadenerweisen (vgl. Fischer, § 57 Rn 9 m.w.N.).
Rdn 287
3. Im Fall mehrerer, nacheinander zu vollstreckender Freiheitsstrafen regelt § 454b Abs. 2 StPO, dass die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Strafe nach Verbüßung von zwei Dritteln – mindestens zwei Monaten – zu unterbrechen ist, um sodann mit der Vollstreckung der weiteren Freiheitsstrafe zu beginnen (→ Erwachsene, Freiheitsstrafe ohne Bewährung, Strafzeitberechnung, Teil B Rdn 310). Liegen die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 StGB vor, wird bereits nach dem Halbstrafentermin unterbrochen.
Eine Prüfung der Strafaussetzung findet von Amts wegen in der Regel allerdings erst zum gemeinsamen Zweidritteltermin statt, d.h. wenn nach den jeweiligen Unterbrechungen zwei Drittel der letzten zu vollstreckenden Freiheitsstrafe verbüßt sind (§ 454b Abs. 3 StPO).
Rdn 288
4. Gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB kommt eine Strafaussetzung nur in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Insoweit ist eine Prognosentscheidung erforderlich, also eine Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Vollzuges und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit (BGH NStZ-RR 2003, 200 f.). Die wesentlichen Entscheidungskriterien finden sich in § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB. Pauschale Aussagen, wann eine Strafaussetzung in Betracht kommt, sind nicht möglich. Erforderlich ist immer eine Abwägung im Einzelfall.
☆ Zu beachten ist, dass eine Strafaussetzung keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraussetzt; es reicht aus, wenn eine naheliegende Chance für ein positives Ergebnis besteht (OLG Düsseldorf NStZ 1988, 272). Bei schwereren Taten sind allerdings höhere Anforderungen an die Erfolgswahrscheinlichkeit zu stellen. Allerdings kommt auch bei besonders gefährlichen Delikten, z.B. vorsätzlichen Tötungsdelikten sowie Sexualdelikten, grundsätzlich eine Strafaussetzung in Betracht.keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraussetzt; es reicht aus, wenn eine naheliegende Chance für ein positives Ergebnis besteht (OLG Düsseldorf NStZ 1988, 272). Bei schwereren Taten sind allerdings höhere Anforderungen an die Erfolgswahrscheinlichkeit zu stellen. Allerdings kommt au...