Dr. Harald Lemke-Küch, Dr. Michael Ch. Jakobs
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Verfahren zur Überstellung zum Zwecke der Verbüßung in einem anderen Staat richtet sich nach der völkerrechtlichen Verbundenheit Deutschlands mit dem Zielstaat. |
2. |
Ohne vertragliche Bindungen gelten die Vorschriften des IRG, insbesondere § 71 IRG unmittelbar. Zuständig für die Entscheidung ist das OLG. |
3. |
Bestehen zwischenstaatliche Vereinbarungen wie das ÜberstÜbk oder Vorschriften des Gemeinschaftsrechts gelten diese vorrangig. |
Rdn 703
Literaturhinweise:
Stange/Rilinger, Überstellung Strafgefangener in Theorie und Praxis, StV 2002, 109
s.a. die Hinw. bei → Internationale Vollstreckung, Allgemeines, Teil B Rdn 674.
Rdn 704
1. Die Überstellung zur Vollstreckung einer Strafe in das Heimatland des Verurteilten bedeutet, dass die Vollstreckung eines inländischen Urteils auf der Grundlage des internationalen Rechtshilfeverkehrs auf die Behörden des Heimatstaates des Verurteilten übertragen wird.
☆ Im Heimatstaat werden die Sanktionen nach dessen Recht vollstreckt.nach dessen Recht vollstreckt.
Rdn 705
Kommt es zu einer Übertragung der Vollstreckung einer Strafe in das Heimatland des Verurteilten, so erlischt der Strafanspruch für diese Tat durch das Heimatland, so dass das Risiko einer erneuten Bestrafung dort praktisch ausgeschlossen ist. Da andernfalls durchaus das Risiko besteht, dass wegen einer in Deutschland begangenen und abgeurteilten Tat im Heimatland erneut strafrechtliche Konsequenzen drohen, die auch erheblich schwerer wiegen können als in Deutschland, haben viele ausländische Verurteilte gerade deshalb ein Interesse an der Vollstreckung im Heimatland.
Rdn 706
Es gibt allerdings noch immer erhebliche praktische Probleme bei deren Umsetzung. Eine dieser Schwierigkeiten beginnt bereits bei der schon geschilderten Ermittlung der einschlägigen Rechtslage. Der Verfahrensablauf unterscheidet sich je nach der anzuwendenden rechtlichen Regelung.
Rdn 707
2.a) Bestehen keine zwischenstaatlichen Verträge über die Überstellung von Verurteilten zur Auslandsvollstreckung eines deutschen Urteils, gilt für die Überstellung § 71 IRG. Danach steht dem Verurteilten kein unmittelbares Antragsrecht zu, jedoch kann er – auch durch einen Verteidiger – die Überstellung gegenüber der für die Vollstreckung zuständigen StA anregen.
☆ Es empfiehlt sich, zur Unterstützung der Anregung eine Stellungnahme einer Behörde einzuholen , die sich zum Vollzugsverhalten des Verurteilten und seinen Resozialisierungschancen bei weiterer Inlandsvollstreckung im Vergleich zur Vollstreckung im Heimatland äußern kann. Bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist das die JVA, im Falle einer Bewährungsstrafe die Gerichtshilfe oder der Bewährungshelfer.empfiehlt sich, zur Unterstützung der Anregung eine Stellungnahme einer Behörde einzuholen, die sich zum Vollzugsverhalten des Verurteilten und seinen Resozialisierungschancen bei weiterer Inlandsvollstreckung im Vergleich zur Vollstreckung im Heimatland äußern kann. Bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist das die JVA, im Falle einer Bewährungsstrafe die Gerichtshilfe oder der Bewährungshelfer.
Rdn 708
b) Die inhaltliche Prüfung des Überstellungsersuchens umfasst die folgenden Punkte (§ 71 Abs. 1, 2 IRG):
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Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in dem Land, das um Vollstreckungshilfe ersucht wird, |
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keine Auslieferung vorgesehen, |
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Vollstreckung im ersuchten Staat liegt im Interesse des Verurteilten oder im öffentlichen Interesse, |
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Prüfung, ob politische Verfolgung im ersuchten Staat wahrscheinlich ist; dann wäre die Überstellung unzulässig (§§ 6 Abs. 2 IRG, 73 IRG), |
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Spezialitätsgrundsatz wird beachtet, d.h. über das zu vollstreckende Urteil hinausgehende Strafmaßnahmen gegen den Überstellten dürfen nur mit Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland erfolgen (§ 11 IRG). |
Rdn 709
c) Die Entscheidung trifft das OLG gem. § 71 Abs. 4 S. 2 IRG durch Beschluss. Bei Verurteilten in Freiheit ist das für den Sitz des Gerichts der Hauptsache zuständige OLG zur Entscheidung berufen. Verbüßt der Verurteilte eine Freiheitsstrafe, so ist gem. § 462a Abs. 1 StPO für die Zustimmungserklärung, die Belehrung, sowie für die Festsetzung der eventuellen Nachholung der Vollstreckung das für den Standort der JVA zuständige OLG örtlich zuständig. Das Gericht kann im schriftlichen Verfahren, aber auch aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, wenn es diese für geboten hält (§ 71 Abs. 4 S. 4 i.V.m. §§ 30, 31 IRG).
Erklärt das Gericht die Vollstreckung im Ausland für zulässig, trägt die Vollstreckungsbehörde, also die StA, der gem. § 74 IRG zuständigen Behörde vor und schlägt ein Vollstreckungshilfeersuchen vor. Auf diplomatischem Wege mit den notwendigen Übersetzungen wird sodann die Zustimmung des ersuchten...