Das Wichtigste in Kürze:

1. Eine der wichtigsten Vollstreckungsentscheidungen ist die Aussetzung des Strafrests einer Jugendstrafe zur Bewährung.
2. Die Vollstreckung von Freiheitsstrafe neben Jugendstrafe regelt § 89a JGG.
3. Bei Verurteilten unter 18 Jahren ist die Jugendstrafe stets nach den Vorschriften für den Jugendstrafvollzug zu vollziehen.
4. Bei über 24jährigen kann der Jugendrichter die Vollstreckung an die StA abgeben. Durch die Abgabe werden die StA und die StVK zuständig. Bei manchen OLG ändert sich auch der materielle Maßstab für die Reststrafenaussetzung.
5. Die Zurückstellung der Vollstreckung nach §§ 35, 36 BtMG ist auch bei Jugendstrafen möglich.
6. Bei Einheitsjugendstrafen kann im Rechtsmittelverfahren ein Teil der Strafe vor Rechtskraft als vollstreckbar erklärt werden (Teilvollstreckung).
 

Rdn 811

 

Literaturhinweise:

Böhm, Anm. zu OLG Düsseldorf, StV 1998, 348, JR 1997, 213

ders., Anm. zu OLG Frankfurt, NStZ 1984, 383

Claasen, Möglichkeiten der vorzeitigen Entlassung im Jugendstrafrecht, in: Gerken/Schumann (Hrsg.), Ein trojanischen Pferd im Rechtsstaat, 1988, 126

Erdmann-Degenhardt, Ermessenseinschränkung und Begutachtungspflicht bei Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 88 III n.F. JGG?, SchlHA 1999, 293

Frank/Neubacher, Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Abgabe der Vollstreckung gem. § 85 VI JGG, GA 2006, 737

Heinrich, Die Strafrestaussetzung nach Abgabe der Vollstreckung gem. § 85 VI JGG, NStZ 2002, 182

Hoffmann, Anmerkung zu OLG Düsseldorf StV 2001, 184, StV 2002, 449

Immel, Die Einholung und Verwertung von Prognosegutachten gem. § 454 II StPO, JR 2007, 185

Kamann, Vollstreckung und Vollzug der Jugendstrafe, 2009

Kühn, Vollstreckung nach Herausnahme aus dem Jugendvollzug, NStZ 1992, 526

Linhart, Abgabe der Vollstreckung in Jugendsachen an die StA, RpflStud 2000, 129

Maaß, Vollstreckung einer Jugendstrafe neben einer Freiheitsstrafe: Zuständigkeitskonzentration bei StA und StVK? NStZ 2008, 129

von Moers, Die vorzeitige Entlassung aus dem Jugendstrafvollzug, 1992

Nothacker, Zur Teilvollstreckung einer einheitlichen Jugendstrafe (§ 56 JGG), MDR 1982, 278

Ostendorf, Neue Rechtsprobleme bei der Entlassung auf Bewährung aus dem Jugendstrafvollzug, NJW 2000, 1090

Rzepka, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, StV 1998, 349

Schönberger, Anmerkung zu LG Berlin, NStZ 1999, 103

Sonnen, Schwere der Schuld und Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung in: Festschrift für Lieselotte Pongratz 1986, 289

Stelzel/Kerner, Die Anwendung der Ausnahme vom Jugendstrafvollzug nach § 89b JGG, ZJJ 2014, 246

Zieger, Verteidigung in Jugendstrafsachen, 6. Aufl. 2013

s.a. die Hinweise bei → Jugendliche, Vollstreckung, Allgemeines, Teil B Rdn 724 m.w.N.

 

Rdn 812

1. Eine der wichtigsten Vollstreckungsentscheidungen ist die Aussetzung des Strafrests einer Jugendstrafe zur Bewährung.

 

Rdn 813

a) Die materiell-rechtliche Voraussetzungen richten sich nach § 88 JGG. Diese gelten auch bei Heranwachsenden, die zu einer Jugendstrafe verurteilt wurden. Zur Anwendung von § 88 JGG bei der Abgabe der Vollstreckung nach § 85 Abs. 6 JGG s. die Ausführungen unter Rdn 845 ff.

 

Rdn 814

Voraussetzungen für eine Reststrafenaussetzung nach § 88 JGG sind:

Teilverbüßung
positive Sozialprognose
Ermessen des Vollstreckungsleiters
 

☆ Eine Einwilligung bzw. Antrag des Verurteilten i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist– im Gegensatz zu erwachsenen Verurteilten – nicht Voraussetzung für eine Strafaussetzung (OLG Dresden ZJJ 2006, 442). Allerdings sollte eine vorzeitige Entlassung nicht gegen den Willen des Verurteilten angeordnet werden ( Eisenberg , § 88 Rn 17; Brunner/Dölling, § 88 Rn 11; →  Erwachsene, Freiheitsstrafe ohne Bewährung, Aussetzung der Reststrafe, Allgemeines , Teil B Rdn  260 ).Antrag des Verurteilten i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist– im Gegensatz zu erwachsenen Verurteilten – nicht Voraussetzung für eine Strafaussetzung (OLG Dresden ZJJ 2006, 442). Allerdings sollte eine vorzeitige Entlassung nicht gegen den Willen des Verurteilten angeordnet werden (Eisenberg, § 88 Rn 17; Brunner/Dölling, § 88 Rn 11; → Erwachsene, Freiheitsstrafe ohne Bewährung, Aussetzung der Reststrafe, Allgemeines, Teil B Rdn 260).

 

Rdn 815

b)aa) Die Mindestverbüßungsgrenzen des allgemeinen Rechts nach § 57 StGB sind nicht anwendbar. § 88 JGG unterscheidet zwei Fälle der Teilverbüßung:

Sechs Monate sollen bereits verbüßt sein. Vor Ablauf dieser Teilverbüßung ist eine Reststrafenaussetzung nur aus besonders wichtigen Gründen möglich (§ 88 Abs. 2 S. 1 JGG). Diese können vorliegen, z.B. bei

außergewöhnlichen Leistungen
schweren Schicksalsschlägen
einmaliger Gelegenheit zur Resozialisierung in Freiheit
Versorgung naher Angehöriger
schädlichen Einwirkungen des Vollzuges auf die Persönlichkeitsentwicklung
nachträgliche Feststellungen, die Zweifel an der Richtigkeit des Urteils entstehen und eine weitere Vollstreckung als Verletzung des Gerechtigkeitsempfindens erscheinen lassen (OLG Schleswig SchlHA 2004, 262; Brunner/Dölling § 88 Rn 2)
Der vor Vollstreckun...

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