Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Organisationshaft ist nur so lange rechtmäßig, wie die Vollstreckungsbehörde unter Berücksichtigung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes realistischerweise benötigt, um in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Rechtskraft des Urteils einen Vollzugsplatz – ggf. auch in einem anderen Bundesland – zu finden und den Verurteilten dorthin zu überführen.
2. Steht ein solcher Platz (in angemessener Zeit) nicht zur Verfügung, muss der Verurteilte freigelassen werden.
 

Rdn 1084

 

Literaturhinweise:

S. die Hinweise bei → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 959 m.w.N.

 

Rdn 1085

1. Der Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckung eines Urteils, mit dem die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet wird, ist für die Vollstreckungsbehörde in der Regel nicht (sicher) vorhersehbar. Der Eintritt der Rechtskraft hängt von einigen – von ihr nicht zu beeinflussenden – Umständen wie dem Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts und einer etwaigen Rechtsmittelrücknahme durch den Angeklagten ab.

 

Rdn 1086

Die Vollstreckungsbehörde ist nicht verpflichtet, gleichwohl einen für den jeweiligen Verurteilten geeigneten Platz in einer Maßregelvollzugseinrichtung vorzuhalten (BVerfG NJW 2006, 427). Verfassungsrechtlich geboten ist es indes, dass die Vollstreckungsbehörde auf den konkreten, von der Rechtskraft des jeweiligen Urteils abhängigen Behandlungsbedarf unverzüglich reagiert und in beschleunigter Weise die Überstellung des Verurteilten in eine geeignete Einrichtung, welche sich unter Umständen auch außerhalb des jeweiligen Bundeslandes befinden kann, herbeiführt (BVerfG NJW 2006, 427). Bis dahin ist der Verbleib des Verurteilten in Haft ("Organisationshaft") zulässig. Eine gesetzwidrige und dem zu vollstreckenden Urteil widersprechende Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge liegt bei der "Organisationshaft" jedoch dann vor, wenn die Vollstreckungsbehörde in Umsetzung des gerichtlichen Rechtsfolgenausspruchs nicht unverzüglich die Überstellung des Verurteilten in den Maßregelvollzug einleitet und herbeiführt (BVerfG NJW 2006, 427):

 

☆ Das bloße Zuwarten auf einen frei werdenden Vollzugsplatz ist unzulässig (OLG Hamm NStZ-RR 2004, 381).Zuwarten auf einen frei werdenden Vollzugsplatz ist unzulässig (OLG Hamm NStZ-RR 2004, 381).

 

Rdn 1087

2. Welche Dauer Organisationshaft haben darf, ist nicht generell, sondern im Einzelfall zu bestimmen (OLG Hamm NStZ-RR 2004, 381; 2014, 358). Rechtmäßig ist die Vollstreckung nur so lange, wie die Vollstreckungsbehörde unter Berücksichtigung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes realistischer Weise benötigt, um in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Rechtskraft des Urteils einen Vollzugsplatz – ggf. auch in einem anderen Bundesland – zu finden und den Verurteilten dorthin zu überführen (OLG Hamm NStZ-RR 2004, 381; 2014, 358).

 

☆ Steht ein solcher Platz (in angemessener Zeit) nicht zur Verfügung, muss der Verurteilte freigelassen werden (OLG Brandenburg NStZ 2000, 500; OLG Celle NStZ-RR 2002, 349; OLG Dresden NStZ 1993, 511; OLG Hamm NStZ-RR 2004, 381).freigelassen werden (OLG Brandenburg NStZ 2000, 500; OLG Celle NStZ-RR 2002, 349; OLG Dresden NStZ 1993, 511; OLG Hamm NStZ-RR 2004, 381).

 

Rdn 1088

3. Indes kann der Vorwegvollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe auch während der sogenannten "Organisationshaft" angeordnet werden (OLG Hamm NStZ-RR 2014, 358; → Maßregeln, Erwachsene, Vorwegvollzug, Teil B Rdn 1140). Ist der Vorwegvollzug nicht angeordnet, gilt für eine Anrechnung nach § 67 Abs. 4 StGB Folgendes: Die vor Beginn des Maßregelvollzugs vollstreckte Untersuchungs- und sog. Organisationshaft ist in der Regel nur auf die Reststrafe, nicht aber auf die Maßregel anzurechnen. Übersteigt die verbüßte Untersuchungs- und/oder Organisationshaft allerdings das Restdrittel der Strafe, ist wegen des Übermaßverbotes die überschießende Zeit von der Höchstfrist für die Unterbringung abzuziehen (OLG Celle NStZ-RR 2006, 388; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2006, 251; zu vgl. auch BVerfG NStZ 1998, 77). Zur Anrechnung i.Ü. zu vgl. → Maßregeln, Erwachsene, Anrechnung, Teil B Rdn 980 ff.

Siehe auch: → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 958 m.w.N.; → Maßregeln, Erwachsene, Vorwegvollzug, Teil B Rdn 1140.

[Autor] Herrmann

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