Daniel Hagmann, Monika Oerder
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Frist zur Erhebung der Nichtigkeitsklage beträgt zwei Monate. |
2. |
Die Fristberechnung entspricht im Wesentlichen dem deutschen Recht. |
3. |
Maßgeblich für die Fristwahrung ist der Eingang in der Kanzlei. |
4. |
Mit Ablauf der Klagefrist wird der Rechtsakt bezüglich des Klageberechtigten bestandskräftig. |
Rdn 543
Literaturhinweise:
Happe, Lauf und Berechnung der Fristen bei Anfechtungen vor dem EuGH, EuZW 1992, 297
s.a. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 455.
Rdn 544
1.a) Die Wahrung der Klagefrist ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten ist (von der Groeben/Schwarze/Hatje/Gaitanides Rn 105). Die Frist zur Erhebung der Nichtigkeitsklage beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Rechtsakts, seiner Mitteilung an den Kläger oder dessen anderweitiger Kenntniserlangung, Art. 263 Abs. 6 AEUV. Sie soll der Rechtssicherheit dienen und die wiederholte Infragestellung von Rechtsakten der Union verhindern (EuGH, Urt. v. 12.10.1977 – C-156/77 [Kommission/Belgien Nr. 21/24], Slg. 1978, S. 2545; zur Fristberechnung s. Teil C Rdn 550 ff.).
Rdn 545
b) Die Bekanntgabe eines Rechtsakts i.S.v. Art. 263 Abs. 4 AEUV entspricht dessen Veröffentlichung im Amtsblatt der Union. Für diesen Fall bestimmt Art. 59 VerfO-EuG (Art. 50 VerfO-EuGH), dass sich die Frist sodann mit Ablauf des vierzehnten Tages nach der Veröffentlichung berechnet. Im Fall einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Union beginnt der Lauf der Klagefrist damit am vierzehnten Tag nach Erscheinen EuGH, Beschl. v. 17.5.2002 – C-406/01 [Deutschland/Parlament und Rat Nr. 15], Slg. 2002 I, S. 4563). Maßgebliches Veröffentlichungsdatum ist das Datum der entsprechenden Amtsblattnummer (EuGH, Urt. v. 9.1.1990 – C-337/88 [Società agricola fattoria alimentare SpA/Amministrazione delle finanze dello Stato Nr. 12], Slg. 1990, S. 14 m.w.N.).
Rdn 546
Beispiel:
Bei einer Veröffentlichung am 1. eines Monats beginnt die Klagefrist am 15. zu laufen (Streinz/Ehricke, Art. 263 AEUV Rn 33).
Rdn 547
c) Wurde der Rechtsakt dem Kläger schon früher individuell mitgeteilt, beginnt die Klagefrist mit dem früheren Ereignis (Streinz/Ehricke Art. 263 AEUV Rn 33 m.w.N.).
Rdn 548
Die Mitteilung an den Kläger entspricht der individuellen Information des Betroffenen gem. Art. 297 Abs. 2 Unter-Abs. 3 AEUV. Diese Bekanntgabe erfolgt i.d.R. schriftlich, ausreichend ist aber bereits die mündliche Unterrichtung und schlüssiges Verhalten (Streinz/Ehricke Art. 263 AEUV Rn 33 m.w.N.).
☆ Fristbeginn ist dann der Tag, der auf den Tag der individuellen Bekanntgabe folgt (Geiger/Khan/Kotzur/ Kotzur , Art. 263 AEUV Rn 44). ist dann der Tag, der auf den Tag der individuellen Bekanntgabe folgt (Geiger/Khan/Kotzur/Kotzur, Art. 263 AEUV Rn 44).
Rdn 549
d) Erlangt der Kläger i.Ü. tatsächlich Kenntnis von einem ihn betreffenden Rechtsakt, ohne dass ihm dieser bekannt gegeben oder mitgeteilt worden wäre, beginnt die Klagefrist zu laufen, sobald er dem Kläger bei Ergreifen zumutbarer Bemühungen hätte bekannt sein müssen (Calliess/Ruffert/Cremer, Art. 263 AEUV Rn 84 m.w.N.). Der Kläger muss daher zur Erhaltung der Klagefrist den vollständigen Wortlaut des Rechtsakts anfordern und darf hiermit nicht zu lange warten (EuGH, Beschl. v. 5.3.1993 – C-102/92 [Ferriere Acciaierie Sarde SpA/Kommission Nr. 18 f.], Slg. 1993, S. 802 [zwei Monate zu lange]). Versäumt ein Kläger diese sogenannte "Anforderungsfrist", ist die Klage unzulässig. Eine genaue Angabe bezüglich der Länge dieser Anforderungsfrist lässt sich der Rspr. nicht entnehmen. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass bei einem Zuwarten von zwei Monaten die Anforderungsfrist weit überschritten sei. Im Fall der Anforderung beginnt die Klagefrist sodann mit Zugang des Rechtsakts (Grote/Marauhn/Schorkopf, Kap. 30 Rn 145 m.w.N.).
Rdn 550
2.a) Die Fristberechnung entspricht im Wesentlichen dem deutschen Recht (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Fristberechnung, Teil A Rdn 1557): Nach Art. 49 Abs. 1 lit. b) VerfO-EuGH bzw. Art. 58 Abs. 1 lit. b) VerfO-EuG endet die Frist mit Ablauf des Tages, der im übernächsten Monat dieselbe Zahl trägt wie der Tag, an dem das fristauslösende Ereignis eingetreten ist. Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist gem. Art. 49 Abs. 2 VerfO-EuGH bzw. Art. 58 Abs. 2 VerfO-EuG mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Dabei genügt die Aufgabe der Klageschrift bei der Post zur Wahrung der Klagefrist nicht. Erforderlich ist gem. Art. 57 Abs. 6 VerfO-EuGH bzw. Art. 72 Abs. 2 VerfO-EuG vielmehr der Eingang der Klageschrift bei der Kanzlei des EuGH bzw. EuG innerhalb der Klagefrist, s.a. → Menschenrechtsbeschwerde, Frist, Teil C Rdn 180).
Rdn 551
b) Alle Verfahrensfristen, also auch die Klagefrist, werden um eine zehntägige Entfernungspauschale verlängert, Art. 111 VerfO-EUGH, Art. 73 VerfO-EuGH.
☆ Fristen, die nicht Verfahrensfristen sind, werden nicht um die Entfernungspauschale verlängert . Dies betrifft beispiel...