Daniel Hagmann, Monika Oerder
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Verfahren vor Gericht und Gerichtshof sieht die mündliche Verhandlung vor. Diese ist grds. öffentlich. |
2. |
Die mündliche Verhandlung umfasst die Vorlage des Sitzungsberichts des Berichterstatters, die Anhörung der Parteivertreter und Beistände und den Schlussantrag des Generalanwalts, sowie ggf. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. |
Rdn 610
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 454
→ Nichtigkeitsklage, Klageschrift, Teil C Rdn 576.
Rdn 611
1.a) Das Verfahren vor dem Gerichtshof sieht die mündliche Verhandlung vor (Art. 106 Abs. 1VerfO-EuG; Art. 75 f.; Art. 20 Abs. 1 Satzg-EuGH). Sie dient dazu, Fragen des Gerichts zu klären und gibt den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte zusammenzufassen, zu vertiefen oder Argumente zu verdeutlichen sowie neu vorzutragen, sofern sie sich aus Tatsachen ergeben, die erst nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens eingetreten sind (Nr. 196 PA-EuG).
Rdn 612
b) Die Verhandlung ist grds. öffentlich (Art. 109 VerfO-EuG; Art. 79 VerfO-EuGH). Die Öffentlichkeit kann jedoch von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien aus wichtigen Gründen vom EuGH ausgeschlossen werden (Art. 31 Satzg-EuGH). In diesem Fall darf der Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht veröffentlicht werden (Art. 109 Abs. 3 VerfO-EuG; Art. 79 Abs. 2 VerfO-EuGH). Die Verhandlungsleitung obliegt dem Präsidenten (Art. 110 Abs. 1 VerfO-EuG; Art. 78 VerfO-EuGH).
☆ Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht zwingend vorgegeben. Sieht das erkennende Gericht selbst keinen entsprechenden Aufklärungsbedarf, wird eine mündliche Verhandlung nur auf begründeten Antrag angesetzt. Dieser Antrag muss beim Gericht binnen drei Wochen nach Schluss des schriftlichen Verfahrens gestellt werden (Nr. 142 PA-EuG).nur auf begründeten Antrag angesetzt. Dieser Antrag muss beim Gericht binnen drei Wochen nach Schluss des schriftlichen Verfahrens gestellt werden (Nr. 142 PA-EuG).
Rdn 613
2.a) Die mündliche Verhandlung umfasst die Vorlage des Sitzungsberichts des Berichterstatters (vgl. dazu Teil C Rdn 615), die Anhörung der Parteivertreter und Beistände (Teil C Rdn 616 ff.) und den Schlussantrag des Generalanwalts (vgl. Teil C Rdn 624 ff.), sowie ggf. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen (vgl. a. Teil C Rdn 622).
Rdn 614
Ist der Vertreter einer Partei aus Gesundheitsgründen (z.B. Verhinderung aus individuellen medizinischen Gründen oder aufgrund von Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit einer Epidemie), aus Sicherheitsgründen oder aus anderen triftigen Gründen (z.B. Streik im Luftverkehrssektor) daran gehindert, physisch an einer mündlichen Verhandlung, zu der er geladen wurde, teilzunehmen, so muss er mit gesondertem Schriftsatz einen begründeten Antrag stellen, um per Videokonferenz an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können (Nr. 167a PA-EuG). Damit der Antrag vom Gericht sachdienlich bearbeitet werden kann, muss er eingereicht werden, sobald der Grund für die Verhinderung bekannt ist, und Folgendes enthalten: – die genaue und substantiierte Angabe der Art des geltend gemachten Hindernisses; – die Kontaktdaten einer Kontaktperson, mit der vor der mündlichen Verhandlung gegebenenfalls Technik- und Dolmetschtests durchgeführt werden können; – gegebenenfalls die Ordnungsnummer der letzten Rechtssache, in der der Vertreter an einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz vor dem Gericht oder dem Gerichtshof teilgenommen hat (Nr. 167b PA-EuG). Weitere Einzelheiten sind in den Art. 167c-f PA-EuG geregelt.
Rdn 615
b) Der Sitzungsbericht dient der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung. Er wird den Parteien bereits vor der Verhandlung schriftlich zur Kenntnis gegeben, was etwa drei Wochen vor dem Termin der Fall ist (Nr. 147 PA-EuG). Er beinhaltet eine Darstellung der Klagegründe und eine kurze Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien (Nr. 148 PA-EuG). Am Tag der Verhandlung wird er vor dem Sitzungssaal öffentlich zugänglich gemacht (Nr. 150 PA-EuG).
☆ Zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Verhandlung sind die Parteivertreter gehalten, den Bericht inhaltlich zu überprüfen . Bemerkungen der Parteien zum Bericht in der mündlichen Verhandlung werden beurkundet (Nr. 149 PA-EuG).inhaltlich zu überprüfen. Bemerkungen der Parteien zum Bericht in der mündlichen Verhandlung werden beurkundet (Nr. 149 PA-EuG).
Mit Einwänden gegen seine Richtigkeit, die zuvor nicht erhoben wurden, sind die Parteien im Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen (EuGH, Urt. v. 22.4.1999 – C-161/97 P [Kernkraftwerke Lippe-Ems/Kommission Nr. 58], Slg. 1999 I, 2057).
In der Praxis erfolgt die Verlesung des Berichts in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH bereits seit 30 Jahren nicht mehr, weswegen er in seinem Entwurf von Änderungen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28.3.2011 vorschlägt, auf die Verlesung künftig zu verzichten (s. dort, S. 3).
Rdn 616
c)aa) Vor Beginn der Sitzung werden die Parteivertreter zu eine kurzen Besprechung...