Dr. Andreas Geipel, Daniel Hagmann
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Konvention bindet nur solche Staaten, die Mitglieder des Europarates sind (Art. 59 EMRK). |
2. |
Auf dem Gebiet der, im Rahmen gegenseitiger Anerkennung stetig zunehmenden, grenzüberschreitenden Strafverfolgung können sich mit Blick auf die Verfahrensgarantien der EMRK Besonderheiten ergeben. |
3. |
Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit gilt nicht uneingeschränkt. |
Rdn 73
Literaturhinweise:
Nagler, Verteidigung gegen im Ausland gewonnene Ermittlungsergebnisse, StV 2013, 324
Sommer, Zur Frage der Einbeziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention in den deutschen Strafprozess, StraFo 2012, 284
s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2.
Rdn 74
1. Die Konvention bindet nur solche Staaten, die Mitglieder des Europarates sind (Art. 59 EMRK). Tritt ein Staat dem Europarat bei, so ist er verpflichtet, die EMRK zu unterzeichnen und innerhalb eines Jahres zu ratifizieren. Dementsprechend sind alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarats Vertragsparteien der EMRK. Sie sind somit durch die Konventionsrechte Verpflichtete (Karpenstein/Meyer/Arndt/Schubert, Art. 59 Rn 1 f.) und im Verfahren über eine Menschenrechtsbeschwerde grds. passivlegitimiert.
Rdn 75
Zu beachten ist, dass allein Staaten in die Verantwortung genommen werden können, deren Organe gehandelt haben. Für transnationales Handeln – etwa im Rahmen des SDÜ – auf völkerrechtlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Grundlage ist immer nur der Staat verantwortlich, dessen Organ auch gehandelt hat. Innerhalb praktizierter Rechtshilfe findet somit keine Zurechnung statt. Dies ist in Ansehung der stetig zunehmenden grenzüberschreitenden Strafverfolgung und dem kooperativen Sinn und Zweck der Rechtshilfe mit Blick auf die Wirksamkeit des Art. 6 EMRK unbefriedigend (Karpenstein/Mayer/Meyer, Art. 6 Rn 31). Die strikte Trennung der Verantwortlich- und Zuständigkeiten kann durch ein kollusives zwischenstaatliches Zusammenspiel der jeweils "verantwortlichen" Stellen leicht zu einer Sanktionslosigkeit einzelner Verletzungen der EMRK führen.
☆ Der Gerichtshof verlangt aber bei nicht zurechenbaren Verfahrensverstößen einen Nachweis, ob der in seinem nationalen Strafverfahren hieraus partizipierende Konventionsstaat alle im Rahmen seiner Einflussmöglichkeiten zumutbaren Handlungen unternommen hat, seine Pflicht nach der Konvention zu erfüllen (EGMR, Entsch. v. 17.11.2005 – 73047/01 [ Haas /Deutschland], NJW 2006, 2753). Diese liegen zunächst in einer angemessenen Kompensation.nicht zurechenbaren Verfahrensverstößen einen Nachweis, ob der in seinem nationalen Strafverfahren hieraus partizipierende Konventionsstaat alle im Rahmen seiner Einflussmöglichkeiten zumutbaren Handlungen unternommen hat, seine Pflicht nach der Konvention zu erfüllen (EGMR, Entsch. v. 17.11.2005 – 73047/01 [Haas/Deutschland], NJW 2006, 2753). Diese liegen zunächst in einer angemessenen Kompensation.
Rdn 76
2. Auf dem Gebiet der, im Rahmen gegenseitiger Anerkennung stetig zunehmenden, grenzüberschreitenden Strafverfolgung können sich hier mit Blick auf die Verfahrensgarantien der EMRK Besonderheiten ergeben. Die Zurechnung einzelner Konventionsverletzungen im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander findet auch nach der Rspr. des BGH nicht statt (BGHSt 55, 70; krit. Sommer StraFo 2010, 284). Hierdurch werden zwingende Folgerungen aus der Konvention, mit der Gefahr einer regelmäßigen Sanktionslosigkeit konventionswidrigen Zusammenwirkens zwischen einzelnen Vertragsstaaten, nicht gezogen. Der gegenseitigen Anerkennung mangelt es an entsprechender gegenseitiger Verantwortung. Der Maßstab der konventionsrechtlichen Überprüfung beschränkt sich auf den unmittelbaren Vertragsstaat.
Rdn 77
Bei der Frage der Verpflichtung ist aber zu beachten, dass zwischen Erhebung und Verwertung eines Beweismittels zu unterscheiden ist. Einer Vertragspartei ist es grds. untersagt, ein nicht zurechenbar konventionswidrig gewonnenes Beweismittel in Kenntnis dieses Makels in einem innerstaatlichen Strafverfahren ohne Weiteres zu verwerten. Der Grundsatz, nach dem ein Konventionsstaat keine Verantwortung für autonomes konventionswidriges Verhalten seiner Vertragspartner zu übernehmen verpflichtet ist, steht dem nicht entgegen. Die Verwertung des bemakelten Beweismittels ist eine ebenso eigenständige wie eigenverantwortliche strafprozessuale Maßnahme, welche einer umfassenden konventionsrechtlichen Kontrolle unterliegt.
Rdn 78
3.a) Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit gilt nicht uneingeschränkt. Das gezielte "outsourcing" einer Verletzung von Konventionsrechten entbindet die Konventionsstaaten nicht von ihrer Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten. Dies ist z.B. bei zielgerichteten Aktionen, wie etwa staatlichen Entführungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten eines Vertragsstaates in einem Auslandsstaat der Fall (EGMR [GK], Urt. v. 23.3.1995 – 15318/89 [Loizidou/Türkei Nr. 60 f.], ÖJZ 1995, 629). Ebenso wenig dürfen andere Staaten bei einem Konventionsverstoß unterstü...