Das Wichtigste in Kürze:

1. Klagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union haben keine aufschiebende Wirkung (Art. 278 S. 1 AEUV). Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes stellt das EU-Verfahrensrecht aber verschiedene Maßnahmen zur Verfügung.
2. Gegenstand eines Antrags auf Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Handlung gem. Art. 278 S. 2 AEUV können alle belastenden Maßnahmen der Unionsorgane sein, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können.
3. In Betracht kommen kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. Art. 279 AEUV.
4. Der EuGH kann auch den Vollzug der angefochtenen Handlung aussetzen.
5. Die Anordnung eines beschleunigten Verfahrens ist nach Art. 151 Abs. 1 VerfO-EuG; Art. 133 Abs. 1 VerfO-EuGH möglich.
6. In besonderen Fällen kann das Gericht anordnen, dass eine Rechtssache mit Vorrang entschieden wird.
7. Die Aussetzung der Zwangsvollstreckung gem. Art. 299 Abs. 4 AEUV stellt eine weitere Form vorläufigen Rechtsschutzes dar.
 

Rdn 482

 

Literaturhinweise:

Burianski, Vorläufiger Rechtsschutz gegen belastende Rechtsakte – Lasset alle Hoffnung fahren?, EWS 2006, 304

Lengauer, Einstweiliger Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit im Gemeinschaftsrecht, EuR 2008 Beiheft 3, 69

Sandner, Probleme des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Gemeinschaftsrecht vor deutschen Gerichten, DVBl 1998, 262

Schlemmer-Schulte, Gemeinschaftsrechtlicher vorläufiger Rechtsschutz und Vorlagepflicht, EuZW 1991, 307

Sladic, Anmerkungen zum beschleunigten Verfahren im EG-Prozessrecht, EuZW 2005, 712

Wägenbauer, Die jüngere Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes, EuZW 1996, 327

v. Winterfeld, Möglichkeiten der Verbesserung des individuellen Rechtsschutzes im europäischen Gemeinschaftsrecht, NJW 1988, 1409

s.a. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 458.

 

Rdn 483

1. Klagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union haben keine aufschiebende Wirkung (Art. 278 S. 1 AEUV). Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes stellt das EU-Verfahrensrecht verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Neben der Außervollzugsetzung der angefochtenen Handlung (Art. 278 S. 2 AEUV; vgl. Rdn 484 ff.) kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung (Art. 279 AEUV) (vgl. Rdn 486 ff.) und die Anordnung eines beschleunigten Verfahrens (Art. 151 Abs. 1 VerfO-EuG; Art. 133 Abs. 1 VerfO-EuGH) in Betracht (Rdn 502 ff.). Im Übrigen kann die Aussetzung der Vollstreckung (Art. 299 Abs. 4 AEUV) (Rdn 509) oder die vorrangige Behandlung der Rechtssache (Art. 67 Abs. 2 VerfO-EuG; Art. 53 Abs. 3 VerfO VerfO-EuG/EuGH) erfolgen (Rdn 509).

 

Rdn 484

2.a) Gegenstand eines Antrags auf Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Handlung gem. Art. 278 S. 2 AEUV können alle belastenden Maßnahmen der Unionsorgane sein, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können.

 

Rdn 485

b) Voraussetzung ist, dass die angegriffene Handlung Rechtswirkungen erzeugt, sie also insbesondere verbindlich ist (EuG, Beschl. v. 22.11.1995 – T-395/94 R II [Atlantic Container Line AB u.a./Kommission Nr. 39]). Überdies muss der angegriffene Rechtsakt zum Vollzug geeignet sein. Dies sind Rechtsakte nicht, die bereits vollzogen (EuGH, Beschl. v. 22.5.1978 – C-92/78 R [Simmenthal/Kommission Nr. 7]) oder (noch) nicht vollzugsfähig sind (EuGH, Beschl. v. 21.3.1972 – C-6/72 R [Europemballage Corporation u.a./Kommission Nr. 2]). Ablehnende Entscheidungen haben grds. keinen vollzugsfähigen Inhalt (EuGH, Beschl. v. 5.10.1969 – C-50/69 R [Deutschland/Kommission]).

 

☆ Der Antrag ist spezieller als der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. Rdn  486 ) und geht diesem vor.spezieller als der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. Rdn 486) und geht diesem vor.

 

Rdn 486

3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. Art. 279 AEUV kann grds. auf jedes Ge- oder Verbot gerichtet sein, das zur vorläufigen Sicherung oder Gestaltung streitiger Rechtsverhältnisse geeignet und erforderlich ist (Calliess/Ruffert/Wegener, Art. 279 AEVU Rn 10 m.w.N.).

 

Rdn 487

4.a) Der EuGH unterscheidet nicht streng zwischen der Prüfung einer Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Handlung und einer einstweiligen Anordnung. Er unterzieht beide Arten des vorläufigen Rechtsschutzes einer einheitlichen Untersuchung (EuGH – C-180/96 [Vereinigtes Königreich/Kommission Nr. 2, 41 bis 45] zu den entsprechenden Art. 185 f. EWGV). Nach seiner ständigen Rspr. setzt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus, dass ihre Notwendigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht ist und feststeht, dass entsprechende Maßnahmen in dem Sinn dringlich sind, als sie zur Vermeidung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers – unter Berücksichtigung sonst bestehender Interessen – bereits vor der Entscheidung in der Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten müssen (EuGH, Beschl. v. 29.4.2005 – C-404/04 P-R [Technische Glaswerke Ilmenau GmbH/Kommission Nr. 10] m.w.N.).

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