Dr. Andreas Geipel, Daniel Hagmann
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Verfahren vor Gericht und Gerichtshof sieht die mündliche Verhandlung vor. Diese ist grds. öffentlich. |
2. |
Die mündliche Verhandlung umfasst die Vorlage des Sitzungsberichts des Berichterstatters, die Anhörung der Parteivertreter und Beistände und den Schlussantrag des Generalanwalts, sowie ggf. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. |
Rdn 613
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 457
→ Nichtigkeitsklage, Klageschrift, Teil C Rdn 579.
Rdn 614
1.a) Das Verfahren vor dem Gerichtshof sieht die mündliche Verhandlung vor (Art. 106 Abs. 1VerfO-EuG; Art. 75 f.; Art. 20 Abs. 1 Satzg-EuGH). Sie dient dazu, Fragen des Gerichts zu klären und gibt den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte zusammenzufassen, zu vertiefen oder Argumente zu verdeutlichen sowie neu vorzutragen, sofern sie sich aus Tatsachen ergeben, die erst nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens eingetreten sind (Nr. 196 PA-EuG).
Rdn 615
b) Die Verhandlung ist grds. öffentlich (Art. 109 VerfO-EuG; Art. 79 VerfO-EuGH). Die Öffentlichkeit kann jedoch von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien aus wichtigen Gründen vom EuGH ausgeschlossen werden (Art. 31 Satzg-EuGH). In diesem Fall darf der Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht veröffentlicht werden (Art. 109 Abs. 3 VerfO-EuG; Art. 79 Abs. 2 VerfO-EuGH). Die Verhandlungsleitung obliegt dem Präsidenten (Art. 110 Abs. 1 VerfO-EuG; Art. 78 VerfO-EuGH).
☆ Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht zwingend vorgegeben. Sieht das erkennende Gericht selbst keinen entsprechenden Aufklärungsbedarf, wird eine mündliche Verhandlung nur auf begründeten Antrag angesetzt (Nr. 47 PA-EuGH), dieser Antrag muss beim Gericht binnen drei Wochen nach Schluss des schriftlichen verfahrens gestellt werden (Nr. 180 PA-EuG).nur auf begründeten Antrag angesetzt (Nr. 47 PA-EuGH), dieser Antrag muss beim Gericht binnen drei Wochen nach Schluss des schriftlichen verfahrens gestellt werden (Nr. 180 PA-EuG).
Rdn 616
2.a) Die mündliche Verhandlung umfasst die Vorlage des Sitzungsberichts des Berichterstatters (vgl. dazu Rdn 617), die Anhörung der Parteivertreter und Beistände (Rdn 618 ff.) und den Schlussantrag des Generalanwalts (vgl. Rdn 626 ff.), sowie ggf. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen (vgl. a. Rdn 624).
Rdn 617
b) Der Sitzungsbericht dient der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (Nr. 187 S. 2 PA-EuG). Er beinhaltet eine Darstellung der Klagegründe und eine kurze Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien (Nr. 188 PA-EuG). Er wird den Parteien bereits vor der Verhandlung schriftlich zur Kenntnis gegeben, was etwa drei Wochen vor dem Termin der Fall ist (Nr. 187 S. 1 PA-EuG). Am Tag der Verhandlung wird er vor dem Sitzungssaal öffentlich zugänglich gemacht (Nr. 190 PA-EuG).
☆ Zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Verhandlung sind die Parteivertreter gehalten, den Bericht inhaltlich zu überprüfen . Bemerkungen der Parteien zum Bericht in der mündlichen Verhandlung werden beurkundet (Nr. 189 PA-EuG).inhaltlich zu überprüfen. Bemerkungen der Parteien zum Bericht in der mündlichen Verhandlung werden beurkundet (Nr. 189 PA-EuG).
Mit Einwänden gegen seine Richtigkeit, die zuvor nicht erhoben wurden, sind die Parteien im Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen (EuGH, Urt. v. 22.4.1999 – C-161/97 P [Kernkraftwerke Lippe-Ems/Kommission Nr. 58], Slg. 1999 I, 2057).
In der Praxis erfolgt die Verlesung des Berichts in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH bereits seit 30 Jahren nicht mehr, weswegen er in seinem Entwurf von Änderungen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28.3.2011 vorschlägt, auf die Verlesung künftig zu verzichten (s. dort, S. 3).
Rdn 618
c)aa) Vor Beginn der Sitzung werden die Parteivertreter zu eine kurzen Besprechung mit dem Gericht gebeten, worin der Verlauf der Sitzung kurz erörtert wird (Rengeling/Middeke/Gellermann/Hackspiel, § 25 Rn 9; vgl. auch Nr. 194 PA-EuG).
Rdn 619
bb) Nach dem Aufruf zur Sache folgen grds. zunächst die Plädoyers der Parteivertreter (Rengeling/Middeke/Gellermann/Hackspiel, § 25 Rn 9). Das Gericht kann aber auch bereits zu Beginn der Verhandlung seine Fragen stellen. Die Parteivertreter haben dem dann in ihren anschließenden Vorträgen Rechnung zu tragen.
Rdn 620
cc) Inhaltlich sind die Parteien in ihren Vorträgen auf ihr Vorbringen im schriftlichen Verfahren begrenzt: Neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel dürfen nur dann vorgebracht werden, wenn sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind (→ Nichtigkeitsklage, Verfahrensgang, Teil C Rdn 694).
☆ Allerdings ist es den Parteivertretern nicht verwehrt, ihre bereits vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel mit neuen Argumenten zu untermauern (EuGH, Urt. v. 12.7.2001 – T-204/99 [ Olli Mattila /Rat und Kommission Nr. 67], Slg. 2001 II, 2265).untermauern (EuGH, Urt. v. 12.7.2001 – T-204/99 [Olli Mattila/Rat und Kommission Nr. 67], Slg. 200...