Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Rdn 72
Literaturhinweise:
Häßler/Keipe/Schläfke, Maßregelvollzug für Jugendliche, ZJJ 2004, 24
Meyer, Zur Rechtslage bei der Unterbringung drogenabhängiger Jugendlicher, die nach § 93a JGG vollzogen wird, MDR 1982, 177
Stöver/Weissbeck/Wendt, Wo steht der Jugendmaßregelvollzug in Deutschland aktuell?, FPPK 2008, 255
Tessenow, Jugendliche und Heranwachsende im psychiatrischen Maßregelvollzug, 2003
Tessenow/Ostendorf, Maßregelvollzug bei Jugendlichen in Deutschland – erste Einblicke in eine verborgene Praxis, NK 2003, 59
Tondorf/Tondorf, Brauchen wir Gesetze zum Jugend- und Frauenmaßregelvollzug?, ZJJ 2009, 54
Weissbeck, Jugendmaßregelvollzug in Deutschland, 2009
Weissbeck/Günter, Maßregelvollzug bei Jugendlichen und Heranwachsenden, RuP 2010, 10
s.a. die Hinweise bei → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 959, bei → Maßregeln, Jugendliche, Teil B Rdn 1207 und bei → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 2.
Rdn 73
1.a) Für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) fehlen spezielle Vorschriften im JGG. Insofern gelten über § 2 JGG die jeweiligen landesrechtlichen Unterbringungsvorschriften (→ Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 9 ff.), welche allerdings keine speziellen Vorschriften für Jugendliche enthalten (daher auch die Forderung nach einem eigenen Gesetz zum Jugendmaßregelvollzug Tondorf/Tondorf ZJJ 2009, 54). Ausnahme: In Baden-Württemberg regelt § 1 JVollzGB-I-BW auch den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung.
Rdn 74
b) Rechtstatsächlich werden freiheitsentziehende Maßregeln gegen Jugendliche und Heranwachsende eher selten verhängt. Im Jahr 2000 wurde bei 21 Jugendliche bzw. 53 Heranwachsenden die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und bei 10 Jugendlichen bzw. 92 Heranwachsenden die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, wobei die Unterbringungszahlen bei Jugendlichen über die Jahre hinweg gleich bleiben, bei Heranwachsenden jedoch ansteigen (Tessenow/Ostendorf NK 2003, 60).
Rdn 75
2.a) Nach § 93a JGG wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) in einer Einrichtung vollzogen, in der die für die Behandlung suchtkranker Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen. Die Vorschrift gilt auch für Heranwachsende, sofern auf sie Jugendstrafrecht angewendet wurde (§ 110 Abs. 1 JGG).
Rdn 76
In der Praxis existieren jedoch kaum spezialisierte Suchtkliniken für Jugendliche. Seit Anfang 1980 besteht in Bayern das mehr geschlossene Behandlungszentrum für suchtkranke Jugendliche und Heranwachsende Bezirkskrankenhaus Parsberg II (Oberpfalz; http://www.medbo.de/68.0.html) mit 56 Plätzen. 1981 wurde aufgrund eines Länderabkommens zwischen Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz im niedersächsischen Landeskrankenhaus Brauel (Kreis Uelzen) eine Station mit 76 Plätzen eingerichtet. Freie Plätze können hier auch von Drittländern wahrgenommen werden. Später kam noch eine Anstalt in Marsberg (NRW) mit ca. 80 Plätzen hinzu. In den anderen Bundesländern wird die Maßregel gem. § 64 StGB auch bei Jugendlichen und Heranwachsenden ganz überwiegend in psychiatrischen Krankenhäusern durchgeführt.
Rdn 77
b) Nach § 93a Abs. 2 JGG kann – um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen – der Vollzug aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeführt werden. Dieser freien Form sollte eine besondere Bedeutung zukommen, um der Abhängigkeit, Passivität und permanenten Reglementierung, die eine geschlossene Unterbringung kennzeichnen, entgegenzuwirken (Eisenberg, § 93a Rn 8). Der Formulierung kann eine Aufforderung entnommen werden, die Entziehungsanstalt für Jugendliche so aufgelockert und offen wie nur möglich zu konzipieren. Dies dient nicht nur dem therapeutischen Zweck, sondern beugt auch der Gefahr einer Überbetonung von Sicherheitsaspekten vor. Allerdings existiert in keinem Bundesland eine "freie Form" der Entziehungsanstalt für Jugendliche (zu Alternativen, z.B. "Therapie auf dem Bauernhof" HK-JGG/Wulf, § 93a Rn 23).
Rdn 78
3. Die Rechtsbehelfe gegen Vollzugsmaßnahmen richten sich nach § 92 JGG (S. → Strafvollzug, Jugendliche, Rechtsschutz, Teil C Rdn 531 ff.).
Siehe auch: → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 958; → Maßregeln, Jugendliche, Teil B Rdn 1205; → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 1.