Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Verteidiger benötigt bei der Mandatsführung Einfühlungsvermögen gegenüber dem Mandanten und Durchhaltevermögen sowie Kampfgeist gegenüber der Klinik und der Justiz.
2. Auch im Maßregelvollzug genießt das Anwalts-Mandanten-Verhältnis absoluten Vertrauensschutz. Eine Postkontrolle, auch eine bloße Sichtkontrolle, findet nicht statt.
3. Wer als Verteidiger Mandate aus dem Maßregelvollzug führt, muss mit vielen Widrigkeiten leben und diese wo erforderlich ansprechen und bekämpfen.
 

Rdn 113

 

Literaturhinweise:

S. die Hinweise bei → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil B Rdn 2.

 

Rdn 114

1. Übernimmt der Verteidiger ein Mandat im Maßregelvollzug, ist evident, dass der Umgang mit dem Mandanten nicht immer einfach sein wird. Hier braucht der Verteidiger vor allen Dingen großes Einfühlungsvermögen. Darüber hinaus ist Durchhaltevermögen von Vorteil. Denn Verteidigung im Maßregelvollzug ist Kampf – und leider oft Kampf gegen Windmühlen. Der engagierte Verteidiger, der das Mandat eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten übernimmt, braucht eine hohe Bereitschaft, sich auf mitunter schwierige Mandaten einzustellen und zugleich eine hohe Frustrationstoleranz in Bezug auf Entscheidungen des Krankenhauses und der Justiz über den eigenen Mandanten. Steck-Bromme kommt zu dem Schluss, dass es keinen zweiten Bereich in der Justiz geben dürfte, in dem dermaßen viel im Argen liegt.“ (Steck-Bromme, Verteidigung im Maßregelvollzug des § 63 StGB, 33. Strafverteidigertag, Köln 2009). Pollähne konstatiert: "Die Verteidigung braucht einen langen Atem." (StraFo 2007, 486, 495).

 

Rdn 115

2. Auch im Kontakt mit dem untergebrachten Mandanten besteht der besondere Vertrauensschutz zwischen Anwalt und Mandant.

 

Rdn 116

Eine Hausordnung, die das Anhalten von Verteidigerpost und die Aufforderung, diese nur in Anwesenheit von Angestellten der Klinik zu öffnen, enthält, ist daher rechtswidrig (LG Deggendorf, Beschl. v. 23.2.2015 – StVK 206/14; vgl. zu auf den Maßregelvollzug übertragbaren Entscheidungen aus dem Strafvollzug in LNNV/Laubenthal, Abschn. E Rn 75 m.w.N.; zur Postkontrolle auch LG Hamburg StraFo 2006, 124; diff. OLG Hamburg StraFo 2006, 172). Verboten sind danach auch bloße Sichtkontrollen.

 

☆ Der gesamte Schriftverkehr zwischen Verteidiger und Mandant ist von der Überwachung ausgenommen .gesamte Schriftverkehr zwischen Verteidiger und Mandant ist von der Überwachung ausgenommen.

 

Rdn 117

3. Wer als Verteidiger Mandate aus dem Maßregelvollzug führt, beginnt zuweilen, am Rechtsstaat zu zweifeln. Denn die Verteidigung muss mit vielen Widrigkeiten leben und diese wo erforderlich ansprechen und bekämpfen.

 

Rdn 118

a) Die behandelnden Ärzte, die jährlich zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung (§ 67e StGB) eine ärztliche Stellungnahme abgeben, haben kein gesteigertes Interesse, den Mandanten "gesund zu schreiben", weil sie sich bei erfolgreicher Therapie letztendlich selbst überflüssig machen würden. Hinzu kommen ggf. wirtschaftliche Erwägungen, denn für einen untergebrachten Straftäter werden von den Ländern erhebliche Beträge an die Kliniken gezahlt. Während früher Tagespauschalen gezahlt wurden, beispielsweise in Bayern ca. 400,00 DM pro Tag im Jahr 2000 (vgl. Kammeier R&P 2002, 168), erfolgte später eine Budgetierung in einigen Bundesländern. Heute geht man von Kosten in Höhe von ca. 100.000,00 EUR pro Patient und pro Jahr aus. Gleichwohl werden die behandelnden Ärzte von den StVK wie "Gutachter" gesehen.

 

Rdn 119

b) Den externen Gutachtern wiederum, die im Falle einer Unterbringung nach § 63 StGB alle fünf Jahre beauftragt werden sollen (§ 463 Abs. 4 StPO) fehlt häufig der Mut, in Grenzfällen zugunsten der Untergebrachten zu entscheiden. Dramatische Fälle wie im Frühjahr 2013 in München, als ein im Maßregelvollzug nach § 64 StGB Untergebrachter am Tag seiner Entlassung ein Tötungsdelikt in einem Nachtclub unmittelbar gegenüber der St München II beging, prägen völlig losgelöst von ihren rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten die öffentliche Wahrnehmung, so dass das Dogma der "gefühlten Sicherheit" zum Schutzpanzer wird. Dazu Barton/Groß-Bölting, a.a.O. "Gutachter, die keine Repressalien zu fürchten haben, wenn ein Betroffener zu lange verwahrt wird, jedoch sofort in ihrer gesamten Existenz bedroht sind, wenn jemand zu früh gelockert/entlassen und dann auffällig wird, können einen gewissen Eigenschutz nicht ignorieren."

 

Rdn 120

c) Die Staatsanwälte in den Vollstreckungsabteilungen schließen sich zumeist ohne eigene Prüfung den ärztlichen bzw. gutachterlichen Stellungnahmen an. Hinzu kommt das Problem, dass ihnen als Vollstreckungsstaatsanwalt ausschließlich die Akten und bestenfalls ein ausführliches aktuelles Gutachten vorliegt. Einen persönlichen Eindruck vom Untergebrachten haben sie nicht.

 

Rdn 121

d) Die Richter schließlich, die (mindestens) jährlich über die Fortdauer der Unterbringung nach § 63 StGB bzw. halbjährlich über die Unterbringung nach § 64 StGB zu entscheiden haben, verfügen...

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