Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Wird über die Maßregel der Besserung und Sicherung entschieden, ist in der Regel ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Die Beiordnung erfolgt über § 140 Abs. 2 StPO analog. |
2. |
Das Gericht muss begründen, wenn aus seiner Sicht ausnahmsweise kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt. |
3. |
Einziger gesetzlicher Fall ist die Überprüfung der Fortdauer der Maßregel, nachdem ein externes Gutachten eingeholt wurde (Fünf-Jahres-Grenze, § 463 Abs. 4 S. 5 StPO). |
4. |
Für die Rücknahme der Bestellung gelten die allgemeinen Grundsätze. |
5. |
Neben den Gebühren gemäß der Anlage 1 zum RVG kann auch eine Pauschgebühr (§ 51 RVG) geltend gemacht werden. |
Rdn 125
Literaturhinweise:
Pollähne, Verteidigung in Maßregelvollstreckung und -vollzug, StraFo 2007, 486
s.a. die Hinweise bei → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 2, und bei Burhoff, EV, Rn 2813.
Rdn 126
1.a) Die Pflichtverteidigerbestellung aus dem Erkenntnisverfahren endet mit rechtskräftigem Abschluss des Erkenntnisverfahrens (Meyer-Goßner/Schmitt, § 140 Rn 33 m.w.N.). Anders als in der "normalen" Strafvollstreckung üblich, ist bei Entscheidungen zur (weiteren) Vollstreckung von Maßregeln i.d.R. ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben. Eine Generalklausel, vergleichbar mit § 140 Abs. 2 StPO, bezogen auf den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln, existiert nicht (vgl. zu allem a. Burhoff, EV, Rn 2812 ff.).
Rdn 127
b) Es gibt lediglich eine Konstellation, in der eine Beiordnung von Gesetzes wegen erfolgen muss: Wird nach fünf Jahren in der Unterbringung für die Entscheidung über die Fortdauer der Maßregel gem. § 63 StGB ein externes Gutachten eingeholt, bestimmt § 463 Abs. 4 S. 5 StPO, dass dem Untergebrachten ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist (→ Maßregelvollzug, Fortdauerentscheidung, Teil C Rdn 39; → Maßregelvollzug, Lockerungen, Teil C Rdn 89).
Rdn 128
c) Es kommt aber regelmäßig eine Beiordnung analog § 140 Abs. 2 StPO in Betracht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 140 Rn 33a m.w.N.; Burhoff, EV, Rn 2812 ff.; → Maßregeln, Erwachsene, Pflichtverteidiger, Teil B Rdn 1089), wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, insb. im Diagnose- und Prognosebereich (vgl. BVerfG R&P 2006, 154) oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte wahrzunehmen, es gebieten (BVerfG NJW 2002, 2773; OLG Köln NStZ-RR 2010, 326; OLG Schleswig NStZ-RR 2008, 253).
Rdn 129
Dabei ist auf die Schwere des Vollstreckungsverfahrens abzustellen, was insbesondere dann zu bejahen ist, wenn ein SV-Gutachten eingeholt wird (OLG Celle StraFo 2012, 523; vgl. zum Zeitpunkt der Beiordnung OLG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 355 [spätestens im Stadium der Gutachterauswahl; zu unterschiedlichen Auffassungen zur Kriminalprognose OLG Karlsruhe NStZ-RR 2002, 336; differenzierend: OLG Dresden NStZ-RR 2005, 318). Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO sollen allerdings einschränkend auszulegen sein, da das Verfahren anders als das Erkenntnisverfahren nicht darauf ausgelegt sei, kontradiktorisch geführt zu werden (BVerfG NJW 2002, 2773), was bezweifelt werden darf.
☆ Die verfassungsrechtlichen Vorgaben führen daher letztlich dazu, dass die Gerichte zu begründen haben, weshalb ausnahmsweise keine Beiordnung erfolgen solle ( Pollähne StraFo 2007, 486, 494). Vorgaben führen daher letztlich dazu, dass die Gerichte zu begründen haben, weshalb ausnahmsweise keine Beiordnung erfolgen solle (Pollähne StraFo 2007, 486, 494).
Rdn 130
2.a) Auf folgende Konstellationen für eine Bestellung ist hinzuweisen:
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Im Verfahren über die Aussetzung der Maßregel nach §§ 67c Abs. 1, 67d Abs. 2, 3 und 67e StGB wurde eine Pflichtverteidigerbeiordnung ebenfalls bejaht (vgl. statt vieler BVerfG NJW 1986, 767, 771; OLG Hamm StV 2001, 20; OLG Köln NStZ 2005, 466; → Maßregelvollzug, Bewährungsaussetzung, Teil C Rdn 17). |
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Soll die Maßregel gem. § 64 StGB abgebrochen werden, ist ebenfalls von einem Fall notwendiger Verteidigung auszugehen (OLG Karlsruhe StraFo 2005, 423). |
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Für die Erledigung der Unterbringung nach § 64 StGB vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2006, 416. |
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Soll über die Fortdauer der befristeten Maßregel gem. § 64 StGB entschieden werden, muss eine Einzelfallentscheidung getroffen werden (KG StV 2015, 230). |
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Liegt ein Fall der unverhältnismäßig langen Unterbringung (Rdn 162) vor, ist nach BVerfG StV 2006, 426 [Freiheitsentzug von 19 Jahren, davon 13 Jahre im Maßregelvollzug]) ebenfalls ein Pflichtverteidiger beizuordnen. |
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Überprüft das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung gem. § 63 StGB, ist regelmäßig von einem Fall notwendiger Verteidigung auszugehen (st. Rspr.; vgl. zuletzt KG StV 2015, 230). |
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Die Beiordnung ist auch dann erforderlich, wenn das Gericht den Widerruf einer früher erfolgten Aussetzung einer Maßregel gem. § 67g StGB erwägt (OLG Bremen NStZ 1986, 379; OLG Celle StV 1987, 400). |
Rdn 131
b) Die Grundsätze zum Widerruf (vgl. OLG Bremen NStZ 1986, 379; OLG Celle StV 1987, 400) wird man auch anwenden müssen, wenn das Gericht eine Krisenintervention nach § 67...