Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Rechtsschutzsystem im Maßregelvollzug unterscheidet sich letztlich nicht von demjenigen im "normalen" Strafvollzug. |
2. |
Über §§ 138 Abs. 3, 109 ff. StVollzG kann auf Antrag die gerichtliche Überprüfung eingreifender Maßnahmen im Maßregelvollzug erreicht werden. |
3. |
Gegen eine ggf. ablehnende Entscheidung der kleinen Strafvollstreckungskammer besteht das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde (§ 116 StVollzG). |
4. |
Für Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerden gelten die allgemeinen Regeln. |
Rdn 154
Literaturhinweise:
S. die Hinweise bei → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 2, und bei → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 180.
Rdn 155
1. Das Rechtsschutzsystem im Maßregelvollzug unterscheidet sich letztlich nicht von demjenigen im "normalen" Strafvollzug. Da die Entscheidungen der Kliniken, etwa Lockerungen zu versagen, Ermessensentscheidungen sind, ist der Prüfungsumfang aber eingeschränkt (zu den Rechtsmitteln eingehend(er) a. → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 179 m.w.N.).
Rdn 156
2.a) Über §§ 138 Abs. 3, 109 ff. StVollzG kann auf Antrag die gerichtliche Überprüfung eingreifender Maßnahmen im Maßregelvollzug erreicht werden (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, § 109 StVollzG; Eilverfahren § 112 StVollzG), so z.B. bei Versagung von Lockerungen oder bei Angriffen gegen Disziplinarmaßnahmen, Rdn 26).
☆ Das Rechtsmittel wird nicht dadurch unzulässig, dass die angegriffene Maßnahme bereits erledigt ist. Es wird stattdessen – wenn der Untergebrachte die Sache nicht für erledigt erklärt – von der Strafvollstreckungskammer auf Antrag festgestellt, dass die Maßnahme rechtswidrig war (§ 115 Abs. 3 StVollzG), sofern ein anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art besteht (sog. Feststellungsinteresse).nicht dadurch unzulässig, dass die angegriffene Maßnahme bereits erledigt ist. Es wird stattdessen – wenn der Untergebrachte die Sache nicht für erledigt erklärt – von der Strafvollstreckungskammer auf Antrag festgestellt, dass die Maßnahme rechtswidrig war (§ 115 Abs. 3 StVollzG), sofern ein anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art besteht (sog. Feststellungsinteresse).
Rdn 157
b) Zuständig ist die kleine StV (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG), in deren Bezirk die Klinik ihren Sitz hat, deren Maßnahme angegriffen wird (§ 462a StPO). Soweit der Untergebrachte die Aussetzung der Maßregel oder die Erledigung anstrebt, ist die große StVK zuständig (§§ 463 Abs. 3, 454 StPO).
Rdn 158
c) Der Prüfungsumfang der StVK beschränkt sich dann auf die Fragen, ob die Klinik einerseits vom zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und andererseits ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt, also insbesondere die entgegenstehenden Rechtsgüter gegeneinander abgewogen und deren Gewicht und den Grad der ihnen drohenden Gefahren berücksichtigt hat. Das Rechtsstaatsprinzip, die materiell berührten Grundrechte und das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Strafvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfG NStZ 1999, 428; NStZ-RR 2007, 92 f.).
☆ Allgemein ist zu beachten, dass im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung über die Versagung von Vollzugslockerungen für einen im psychiatrischen Maßregelvollzug Untergebrachten die StVK nur zu prüfen hat, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist , ob sie den richtigen Begriff des Ablehnungsgrundes zugrunde gelegt und die Grenzen des ihr zu zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Hierzu gehört auch die Einstellung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in die angestellten Überlegungen.nur zu prüfen hat, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den richtigen Begriff des Ablehnungsgrundes zugrunde gelegt und die Grenzen des ihr zu zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Hierzu gehört auch die Einstellung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in die angestellten Überlegungen.
Ein eigener Beurteilungsspielraum steht der StVK nicht zu. Sie ist auch nicht befugt, eigene Feststellungen zu treffen. Genügt die Begründung einer Ermessensentscheidung nicht den Anforderungen, die das Gesetz an sie stellt, darf eine weitere Begründung im gerichtlichen Verfahren nach § 109 Abs. 1 StVollzG nicht mehr nachgeschoben werden (LG Leipzig R&P 2013, 115; für die Notwendigkeit, ausnahmsweise aus Gründen des fairen Verfahrens selbst ein SV-Gutachten einzuholen, wenn der Antragsteller den fachlichen, z.B. prognostischen oder diagnostischen, Sachvortrag der Maßregelvollzugseinrichtung bestreitet, weil dann die Einschätzung der Maßregeltherapeuten alleine keine verlässliche Entscheidungsgrundlage sein kann...