Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Für den Antrag nach § 109 StVollzG gelten die Formvorschriften des § 112 Abs. 1 StVollzG. |
2. |
Es besteht kein Anwaltszwang. |
3. |
Der Antrag muss in deutscher Sprache verfasst sein. |
4. |
Der Antrag muss einen Tatsachenvortrag enthalten, der es dem Gericht ermöglicht, den entsprechenden Sachverhalt ohne Zuhilfenahme weiterer Unterlagen und Erklärungen zumindest in den wesentlichen Punkten zu erkennen. |
5. |
Ein Vorverfahren ist nicht erforderlich. |
Rdn 230
Literaturhinweise:
Müller, Begründung als Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 StVollzG, ZfStrVo 1993, 211
s.a. die Hinw. bei → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 180.
Rdn 231
1. Für den Antrag nach § 109 StVollzG gelten die Formvorschriften des § 112 Abs. 1 StVollzG.
Rdn 232
2. Für die Einhaltung der Form des Antrags gilt kein Anwaltszwang. Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. Neben dem für die Entscheidung zuständigen LG (→Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Zuständigkeit des Gerichts, Teil C Rdn 353 ff.) können Strafgefangene – also nicht deren Verfahrensbevollmächtigte (Arloth, § 112 Rn 4) – ihren Antrag auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG abgeben, in dessen Bezirk die JVA liegt (§ 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 299 StPO). Befinden sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung aufgrund Ausgangs oder Urlaub auf freiem Fuß, greift § 299 StPO nicht ein (OLG Rostock Beschl. v. 4.12.2014 – 20 Ws 328/14). Dass der Antrag eigenhändig unterschrieben ist, ist keine Voraussetzung für die Einhaltung der Schriftform (OLG Karlsruhe MDR 1980, 604; OLG Zweibrücken NStZ 1984, 576). Der Verfasser muss aber aus dem Schreiben hinreichend erkennbar sein. Der Antrag kann auch mittels Telefax gestellt werden (LNNV/Bachmann, Abschn. P, Rn 48). Str. ist die Wirksamkeit bei Nutzung des E-Mail-Verkehrs (zulässig: LNNV/Bachmann, Abschn. P, Rn 48; einschränkend Arloth, § 112 Rn 5).
Rdn 233
3. Der Antrag muss in deutscher Sprache verfasst sein (§ 184 Satz 1 GVG). Das Gericht kann einem erkennbar der deutschen Sprache nicht mächtigen Strafgefangenen zwar aufgeben, eine Übersetzung nachzureichen, es muss aber nicht selbst für eine Übersetzung sorgen (OLG Nürnberg ZfStrVo 1989, 187; a.A. AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, § 109 Rn 8; LR/Wickern, § 184 GVG Rn 18). Bei fremdsprachigen Eingaben können es aber die Fürsorgepflicht und der Grundsatz des fairen Verfahrens gebieten, den Absender auf § 184 Satz 1 GVG hinzuweisen oder Hilfe zu gewähren (SBJL/Laubenthal, § 112, Rn 4). Andernfalls kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumnis der Frist in Betracht (BVerfG StV 1995, 394, 395; → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Frist, Teil C Rdn 248 ff.).
Rdn 234
4. Dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss eine Begründung zu entnehmen sein. Gem. § 109 Abs. 2 StVollzG muss der Antragsteller geltend machen, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Hierzu muss er Tatsachen vortragen, die, wenn sie gegeben wären, eine Rechtsverletzung als möglich erscheinen lassen (OLG Frankfurt am Main ZfStrVo 1981, 317, 318; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 186; Arloth, § 109 Rn 13). Die hierzu entwickelte Rechtsprechung fordert demnach einen hinreichend substantiierten und aus sich heraus verständlichen Sachvortrag (OLG Celle NStZ 1992, 378 [Bu]); OLG Hamm NStZ 2002, 531 (Ma); a.A. Müller ZfStrVo 1993, 211, 214), der es dem Gericht ermöglicht, den Sachverhalt ohne Zuhilfenahme weiterer Erklärungen und Unterlagen zu erkennen (KG NStZ-RR 2010, 61; OLG Hamm StV 2014, 351, 352). Der geltende Untersuchungsgrundsatz enthebt den Antragsteller nicht von der Verpflichtung, sein Begehren in der vorgeschriebenen Form einzureichen (KG StraFo 2013, 303).
Rdn 235
Indessen dürfen die Anforderungen auch nicht überspannt werden (OLG Zweibrücken ZfStrVo 1993, 58, 59). Einer "schlüssigen" Darstellung bedarf es daher nicht (KG NStZ-RR 2010, 61; OLG Hamm, a.a.O.; a.A. Treptow NJW 1977, 1037, 1038; Peglau NJW 2014, 2012). Im Fall eines von der Vollzugsbehörde abgelehnten Verpflichtungsbegehrens bedarf es für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im gerichtlichen Verfahren bei Schilderung des konkreten Begehrens keiner vertiefenden Ausführungen. Die mögliche Rechtsverletzung ergibt sich dann nämlich bereits aus der Ablehnung eines vermeintlichen Anspruchs (OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2014 – 1 Ws 379–381/14).
Rdn 236
Die Begründung kann zwar nach Ablauf der Frist (→ Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Antrag, Frist, Teil C Rdn 241) ergänzt, grds. aber nicht nachgeholt werden (Arloth, § 112 Rn 4). Aufgrund der bestehenden Fürsorgepflicht hat das Gericht gerichtsunerfahrene Antragsteller auf etwaige Mängel hinzuweisen, bevor es den Antrag als unzulässig zurückweist (KG StraFo 2013, 303; OLG Hamburg ZfStrVo SH 1979, 56). Ausnahmsweise ist es dann auch ...