Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Im Fall eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehrens muss der Antrag binnen zwei Wochen nach schriftlicher Bekanntgabe oder Zustellung erhoben werden. |
2. |
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist möglich. Dessen Regeln weichen von denen der §§ 44, 45 StPO ab. Ein Verschulden des Rechtsanwalts an der Fristversäumnis wird dem Antragsteller grundsätzlich zugerechnet. |
Rdn 240
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 180.
Rdn 241
1.a) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss im Fall eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehrens (→ Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Antragsarten, Teil C Rdn 256 ff.) binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheids gestellt und begründet werden (§ 112 Abs. 1 StVollzG).
Rdn 242
Die Fristberechnung bestimmt sich nach § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 43 StPO (SBJL/Laubenthal, § 112 Rn 1). Die Zustellung ist eine formstrenge schriftliche Mitteilung und erfolgt nach § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO, §§ 168 Abs. 1 Satz 2, 176 Abs. 1, 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, demnach bei Inhaftierten über einen Bediensteten der JVA (vgl. SBJL/Laubenthal, § 112 Rn 2). Im Falle nur schriftlicher Bekanntgabe gilt die Fiktion des § 41 Abs. 2 VwVfG nicht (OLG Koblenz, FS 2015, 64; LNNV/Bachmann, Abschn. P, Rn 46).
Rdn 243
b) Fehlt es an einer schriftlichen Bekanntgabe oder Zustellung der Entscheidung – etwa bei mündlicher Eröffnung der Maßnahme oder bei Realakten –, wird die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG nicht in Gang gesetzt (OLG Koblenz ZfStrVo 1992, 321, 322; AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, § 112 Rn 2). Allerdings kann dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 113 Abs. 3 StVollzG nur bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden (OLG Frankfurt am Main NJW 2003, 2843, 2844; OLG Jena NStZ 2001, 414 (Ma); OLG Nürnberg FS 2015, 64; Arloth, § 112 Rn 3).
Rdn 244
Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Entscheidung der Vollzugsbehörde schriftlich mitgeteilt wird (OLG Bamberg ZfStrVo SH 1979, 111; OLG Hamm NStZ 2014, 631 [Ro]; OLG Jena NStZ 2001, 414 [Ma]; OLG Nürnberg NStZ 1998, 592), es sei denn, es besteht ein überwiegendes Interesse des Antragstellers hieran (OLG Koblenz ZfStrVo 1981, 62, 63), etwa bei Entscheidungen von erheblicher Tragweite für einen Strafgefangenen, die in ihrer Zusammensetzung rechtlich und tatsächlich schwierig zu beurteilen sind (OLG Hamm NStZ 1999, 447; SBJL/Laubenthal, § 112 Rn 3; weitergehend AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, § 109 Rn 17: analog § 37 Abs. 2 VwVfG bereits bei unverzüglichem Verlangen und bestehendem rechtlichen Interesse).
Weigert sich der Antragsteller ohne sachlichen Grund, den ihm schriftlich angebotenen Bescheid anzunehmen, hindert dies den Fristlauf nicht. Der Zugang wird dann fingiert (OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2002, 351).
Rdn 245
c) Die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG kann der Antragsteller bis zum Schluss ausschöpfen (SBJL/Laubenthal, § 112 Rn 2). Allerdings schließt das Ausschöpfen der Frist den Zeitraum mit ein, der erforderlich ist, um den Rechtsbehelf in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bei Gericht anzubringen (OLG Celle StraFo 2011, 417, 418). Entscheidet sich ein Inhaftierter, die Antragsfrist als Abwägungsfrist bis zum Ende auszuschöpfen, trifft ihn deshalb eine besondere Sorgfaltspflicht, alles Erforderliche zu tun, um die Einhaltung der Frist durch Eingang des Antrags bei Gericht sicherzustellen. Wählt er die Möglichkeit, seinen Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts zu erheben, muss er ein hierfür erforderliches Gesuch um Ausführung so rechtzeitig anbringen, dass die Ausführung durch die JVA in zumutbarer Weise noch bis zum Ablauf der Frist vorgenommen werden kann (OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.2015 – 1 Vollz (Ws) 248/15: rechtzeitig ist ein Antrag fünf Werktage vor Ablauf der Frist).
Rdn 246
d) KeineFristen sind im Fall eines Feststellungs- oder allgemeinen Leistungsantrags zu beachten (SBJL/Laubenthal, § 112 Rn 2; → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Antragsarten, Teil C Rdn 262 ff.).
Rdn 247
e) Weniger die Frist als vielmehr die Bestandskraft der Entscheidung der Vollzugsbehörde steht im Mittelpunkt, wenn ein Strafgefangener Vollzugslockerungen erstrebt, obwohl im Vollzugsplan seine Eignung hierfür verneint worden ist. Ist der Vollzugsplan bestandskräftig geworden, wäre ein dann gestellter, isolierter Antrag auf Gewährung von Vollzugslockerungen nur zulässig, wenn neue Umstände geltend gemacht werden, die bei der Vollzugsplanerstellung noch nicht berücksichtigt werden konnten. Ein ohne ein solches, neues Vorbringen gestellter Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre unzulässig (OLG Celle, Beschl. v. 1.4.2015 – 1 Ws 110/15).
Rdn 248
2.a) War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG einzuhalten, hat er die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 112 Abs. 2 ...