Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Rdn 352
Literaturhinweise:
S. die Hinweise bei → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 180.
Rdn 353
1. Die Zuständigkeit des Gerichts für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung richtet sich nach § 110 StVollzG.
Rdn 354
2. Sachlich zuständig ist die StVK des LG (§ 78a Abs. 1 Nr. 2 GVG). Sie ist gem. § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG mit einem Richter besetzt ("kleine StVK"; zu den Anforderungen an die Geschäftsverteilung siehe OLG Celle NStZ 2013, 184).
Rdn 355
3. Die örtlicheZuständigkeit der StVK richtet sich nach dem Sitz der beteiligten Vollzugsbehörde (§ 110 StVollzG). Im Fall einer beteiligten JVA ergibt sich der Sitz aus dem Vollstreckungsplan (OLG Naumburg FS 2010, 52). Die StVK, in deren Bezirk die Hauptanstalt liegt, ist auch für Anträge von Strafgefangenen zuständig, die in einer Außenanstalt untergebracht sind (BGHSt 28, 135, 137).
Rdn 356
4. Schwierig gestaltet sich die Bestimmung der zuständigen StVK im Falle einer Verlegung des Strafgefangenen.
Rdn 357
a) Erfolgt die Verlegung nur kurzfristig, hat dies auf die Zuständigkeit der StVK (und der beteiligten Behörde) keinen Einfluss (BGHSt 36, 229, 231). Zuständig bleibt die StVK, in deren Bezirk die JVA liegt, in der der Strafvollzug gegen den Strafgefangenen stattfindet.
Wendet sich der Strafgefangene aber während der Verlegung gegen eine Maßnahme der JVA, in der er sich vorübergehend befindet, wird diese Verfahrensbeteiligte im Sinne des § 111 Nr. 2 StVollzG und damit auch die StVK, in deren Bezirk sich diese JVA befindet, für Anträge auf gerichtliche Entscheidung zuständig.
Rdn 358
b) Wird der Strafgefangene während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens dauerhaft verlegt, ist das Rechtsschutzziel des Strafgefangenen für die Frage nach der Zuständigkeit mitentscheidend.
Rdn 359
aa) Bei einem Verpflichtungsbegehren, welches die ursprünglich beteiligte JVA nunmehr nach der Verlegung nicht mehr erfüllen kann, findet ein gesetzlicher Parteiwechsel statt. Beteiligte im Sinne des § 111 Nr. 2 StVollzG ist nunmehr die JVA, in die der Strafgefangene verlegt worden ist. Dies hat bei unterschiedlicher Landgerichtsbezirkszugehörigkeit der JVA zur Folge, dass die mit der Sache befasste StVK für eine Entscheidung in der Sache nicht mehr berufen ist, da die Fortwirkungsregelung des § 462a Abs. 1 S. 1 StPO nicht gilt. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 83 VwGO an die nunmehr zuständige StVK zu verweisen (BGHSt 36, 33, 37). Str. ist in diesen Fällen, ob die Verweisung einen Antrag des Antragstellers erfordert. Zunehmend scheint sich in der Rspr. die Auffassung durchzusetzen, dass ein Antrag entsprechend § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG nicht erforderlich ist (OLG Celle, Beschl. v. 7.4.2011 – 1 Ws 115/11; OLG Frankfurt am Main FS 2009, 41; OLG Jena OLG-NL 2006, 190, 191; a.A. OLG München FS 2015, 63, 64).
Rdn 360
Die entgegenstehende Auffassung der Lit. (SBJL/Laubenthal, § 110 Rn 6; Arloth, § 110 Rn 4) verweist auf den geltenden Verfügungsgrundsatz und abweichende BGH-Entscheidungen (etwa BGHSt 36, 33, 36; NStZ 1989, 196, 197; NStZ 1999, 158). Dies überzeugt indessen nicht, da der Verfügungsgrundsatz auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt, bei dem § 83 VwGO durch den Verweis auf § 17a Abs. 2 GVG einen Antrag gerade entbehrlich macht und die genannte Regelung des § 83 VwGO i.V.m. § 17a GVG zeitlich erst nach Erlass der Entscheidung BGHSt 36, 33in Kraft getreten ist (LNNV/Bachmann, Abschn. P, Rn 42). Die danach getroffene Entscheidung des BGH v. 23.11.1998 (2 ARs 466/98, NStZ 1999, 158) nimmt die vormalige Entscheidung in Bezug, ohne die eingetretene Rechtsänderung zu berücksichtigen.
Rdn 361
bb) Bei einem Anfechtungsbegehren verbleibt es grds. bei der Zuständigkeit der ursprünglichen StVK. Greift der Strafgefangene gerade die Verlegung als solche an, liegt dies auf der Hand. Aber auch in sonstigen Fällen findet kein Wechsel der beteiligten Behörde und ggf. damit verbunden der StVK statt, selbst wenn die angefochtene Maßnahme Wirkungen in der neuen Anstalt entfaltet (z.B. Widerruf von Vollzugslockerungen); KG NStZ 1993, 100, 101; OLG Jena ZfStrVo 1996, 311, 313). Anders ist dies bei sog. Dauermaßnahmen, bei denen die neue JVA über den Streitgegenstand verfügen und die belastende Maßnahme aufheben kann (z.B. die Anordnung optischer Besuchsüberwachung). Im Sinne eines möglichst effektiven Rechtsschutzes muss es in diesen Fällen zu einem Wechsel der beteiligten JVA und damit ggf. auch der gerichtlichen Zuständigkeit kommen (OLG Celle ZfStrVo 2002, 245; OLG Saarbrücken ZfStrVo 2004, 119, 121; OLG Stuttgart NStZ 1989, 496).
Rdn 362
cc) Bei einem Feststellungsbegehren verbleibt es immer bei der Zuständigkeit der ursprünglichen StVK (Arloth, § 110 Rn 4).