Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Gerichtlicher Rechtsschutz im Jugendstrafvollzug ist – wie bei Erwachsenen – über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu erhalten. |
2. |
Die Stellung der Erziehungsberechtigten ist dieselbe wie im Erkenntnisverfahren. |
3. |
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung entscheidet die Jugendkammer. |
4. |
Gegen die Entscheidung der Jugendkammer ist nur die Rechtsbeschwerde zum OLG möglich. |
5. |
Die Jugendstrafvollzugsgesetze sehen als "informelle Konfliktlösung" die Möglichkeit einer Beschwerde bei der Anstaltsleitung bzw. Vollzugsbehörde vor. |
Rdn 532
Literaturhinweise:
Kretschmer, Ergänzungen und Alternativen zum strafvollzugsrechtlichen Rechtsschutzsystem, ZfStrVo 2005, 217
s.a. die Hinweise bei → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 180, bei → Strafvollzug, Erwachsene, Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 364, und bei → Strafvollzug, Jugendliche, Allgemeines, Teil C Rdn 437.
Rdn 533
1.a) § 92 JGG regelt den gerichtlichen Rechtsschutz für
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den Jugendarrest, |
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die Jugendstrafe, |
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die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, |
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die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. |
Rdn 534
Ziel des § 92 JGG ist es, entsprechend den Vorgaben des BVerfG (NJW 2006, 2093) den Rechtsweg durch eine ortsnahe Gerichtszuständigkeit und durch die Möglichkeit der mündlichen Kommunikation neu zu bestimmen (Ostendorf/Rose, Grundlagen zu den §§ 89b und 92, Rn 3).
Rdn 535
§ 92 JGG gilt jedoch nicht für diejenigen,
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an denen eine Jugendstrafe gem. § 89b Abs. 1 JGG nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen wird (→ Jugendliche, Vollstreckung, Jugendstrafe, Teil B Rdn 838) oder |
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die im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel das 24. Lebensjahr vollendet haben. |
Hier ist ausschließlich das allgemeines Vollzugsrecht anzuwenden (§ 92 Abs. 6 JGG).
Rdn 536
b) Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Jugendvollzug gelten die §§ 109, 111 bis 120 StVollzG sowie § 67 Abs. 1 – 3 und Abs. 5 JGG (Stellung des Erziehungsberechtigten) entsprechend.
Rdn 537
Allerdings kann das Landesrecht vorsehen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach einem Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung zulässig ist. Von der Möglichkeit des Güteverfahrens vor einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat nur das Saarland Gebrauch gemacht. Gem. § 87 Abs. 4 JStVollzG Saarland kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach einem Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung gestellt werden. Dieses Schlichtungsverfahren wird vom Vollstreckungsleiter, also dem Jugendrichter, durchgeführt.
Rdn 538
NRW hat gem. § 97 Abs. 2 JStVollzG NRW die "Ombudsperson "für den Strafvollzug“ eingeführt. Dieses Verfahren stellt jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung dar.
☆ Gerichtlicher Rechtsschutz besteht daher – wie bei Erwachsenen – besteht daher – wie bei Erwachsenen –
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im Antrag auf gerichtliche Entscheidung (vgl. a. → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 179 m.w.N.) und |
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in der Rechtsbeschwerde (→ Strafvollzug, Erwachsene, Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 363 m.w.N.). |
Rdn 539
2. Die Stellung des Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreters ist die gleiche wie im jugendgerichtlichen Erkenntnisverfahren. Dies bedeutet,
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soweit der Gefangene ein Recht darauf hat, gehört zu werden, Fragen und Anträge zu stellen oder bei Untersuchungshandlungen anwesend zu sein, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertretern zu (§ 67 Abs. 1 JGG), |
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ist eine Mitteilung an den Gefangenen vorgeschrieben, so soll die Mitteilung auch an die Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter gerichtet werden (§ 67 Abs. 2 JGG), |
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die Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter können einen Verteidiger wählen oder |
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Rechtsmittel einlegen. |
Rdn 540
3. Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung entscheidet die Jugendkammer. Im Einzelnen gilt:
Rdn 541
a) Örtlich und funktionell zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist grds. die Jugendkammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde (JVA) ihren Sitz hat. Im Grundsatz entscheidet die Jugendkammer durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter. Die gesamte Kammer entscheidet nur bei besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art oder bei besonderer Bedeutung der Sache (§ 92 Abs. 4 JGG).
☆ Die Jugendkammer ist auch für Entscheidungen nach § 119a StVollzG (Strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung ) zuständig (§ 92 Abs. 2 S. 2 JGG; → Strafvollzug (Erwachsene), Gerichtliche Entscheidung, Besonderheiten beim Strafvollzug mit angeordneter oder vorgehaltener Sicherungsverwahrung , Teil C Rdn 270 ff.). In diesen Fällen entscheidet immer die gesamte Jugendkammer.§ 119a StVollzG (Strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung) zuständig (§ 92...