Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der "genetische Fingerabdruck" kann die zweifelsfreie Zuordnung menschlicher Spuren ermöglichen! |
2. |
Die Methode zur Gewinnung des genetischen Fingerabdrucks nennt sich Genom-Analyse. |
3. |
Die Genom-Analyse ermöglicht, weitergehende Erkenntnisse über den Betroffenen wie etwa die Neigung für bestimmte Erkrankungen zu gewinnen. |
4. |
Im Strafverfahren sind molekulargenetische Untersuchungen nur zulässig, soweit sie zur Täteridentifizierung erforderlich sind. |
Rdn 7
Literaturhinweise:
Goerdeler/Laubach, Im Datendschungel – Zur Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung von genetischen Untersuchungen, ZRP 2002, 115
Keller, Die Genomanalyse im Strafverfahren, NJW 1989, 2289
Krehl/Kolz, Genetischer Fingerabdruck und Verfassung, StV 2004, 447
Rath/Brinkmann, Strafverfahrensänderungsgesetz – DNA-Analyse ("Genetischer Fingerabdruck") und DNA-Identitätsfeststellungsgesetz aus fachwissenschaftlicher Sicht, NJW 1999, 2697
Schneider/Schneider/Fimmers/Brinkmann, Allgemeine Empfehlungen der Spurenkommission zur statistischen Bewertung von DNA-Datenbank-Treffern, NStZ 2010, 433
Steinke, Genetischer Fingerabdruck und § 81a StPO, NJW 1987, 2914
Sternberg-Lieben, "Genetischer Fingerabdruck" und § 81a StPO, NJW 1987, 1242
vgl. a. die Hinweise bei Burhoff, EV, Rn 1292 u. 1329.
Rdn 8
1. Insbesondere die erheblichen technisch-naturwissenschaftlichen Fortschritte haben ab den 80iger Jahren dazu geführt, dass den sogenannten genetischen Daten als Unterfall der personenbezogenen Daten im Rahmen des Strafverfahrensrecht eine stetig wachsende Bedeutung zukommt (vgl. etwa Sternberg-Lieben NJW 1987, 1242 ff.). Unter genetischen Daten ist der sogenannte genetische Fingerabdruck zu verstehen, der ähnlich wie der Fingerabdruck im Rahmen der Daktyloskopie die zweifelsfreie Zuordnung von Spurenmaterial zu einer bestimmten Person ermöglichen kann (Steinke NJW 1987, 2914; zur Bewertung der Trefferwahrscheinlichkeit Schneider/Schneider/Fimmers/Brinkmann NStZ 2010, 433, 435 ff.). Neben der Gewinnung solcher Daten zum Zwecke der Strafverfolgung (hierzu → Daten, Datengewinnung, repressive, genetische Daten, Teil D Rdn 73 ff.) ist die Gewinnung oder Umwidmung ehemals zur Strafverfolgung gewonnener Daten zu präventiven Zwecken möglich (vgl. hierzu → Daten, Datenumwidmung, genetische Daten, Teil D Rdn 260 ff.).
Rdn 9
2. Gene stellen einen Teil der Zellkernsubstanz der DNA dar und steuern einerseits die Funktion der Körperzellen und geben andererseits die Erbinformationen der Lebewesen weiter (Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242; vgl. zu den molekulargenetischen Grundlagen der DNA-Analytik Rath/Brinkmann NJW 1999, 2697). Die Gesamtheit der Erbinformationen der Menschen nennt man Genom (Keller NJW 1989, 2289). Die sog. Genom-Analyse ermöglicht es, anhand der Einzigartigkeit von DNA-Sequenzen menschliche Spuren wie etwa Blut, Speichel, Sperma, aber auch Haare oder Schweiß einem bestimmten Menschen zuzuordnen, sofern eine entsprechende Vergleichsprobe des Betroffenen vorliegt (vgl. zur Technik Keller NJW 1989, 2289 f.). Die Ergebnisse einer entsprechenden Zuordnung sind deshalb so sicher, weil die DNA-Struktur bei jedem Menschen einzigartig ist und die DNA in jeder Körperzelle eines Menschen identisch aufgebaut ist. Dies ermöglicht den Abgleich der etwa aus Spermaspuren gewonnen DNA mit der aus dem Blut des Tatverdächtigen gewonnen DNA-Probe (Sternberg-Lieben NJW 1987, 1242, 1243). Diese individuelle DNA-Struktur ist gemeint, wenn im Strafverfahren von dem "genetischen Fingerabdruck" die Rede ist.
Rdn 10
3. Die Genom-Analyse ermöglicht Feststellungen über den Betroffenen, die Auswirkungen auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche haben kann. Denn über die reine Feststellung des individuellen DNA-Musters hinaus, können hierüber weitergehende Informationen über den Betroffenen gewonnen werden; wie etwa
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Informationen über Erbanlagen, |
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Empfindlichkeit für bestimmte Umwelteinflüsse, |
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genetische Bedingungen für bestimmte psychische Krankheiten, wie bestimmte Formen der Depression oder Schizophrenie, |
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Feststellung der Herkunft aus Europa, Afrika oder Asien und |
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Verwandtschaft mit dem Spurenverursacher (vgl. zum sog. "Beinahetreffer" BGHSt 58, 84 = NJW 2013, 1827). |
Rdn 11
4. Die Reichweite der Informationen führt dazu, dass die Genom-Analyse nicht nur für Juristen und Mediziner von Bedeutung ist, sondern auch Versicherer oder Arbeitgeber ein Interesse daran haben könnten einen Gentest von ihren künftigen Versicherungs- oder Arbeitnehmern zu verlangen (vgl. Goerdeler/Laubach ZRP 2002, 115, 118 f.; Keller NJW 1989, 2289, 2290).
Rdn 12
Die Freigabe und Nutzung der Erkenntnisse, die die Genom-Analyse liefern kann, birgt große Gefahren. Denn zumindest im Hinblick auf bestimmte Dispositionen des Betroffenen, etwa für bestimmte psychische Erkrankungen, darf nicht vergessen werden, dass der Eintritt entsprechender Erkrankungen maßgeblich von weiteren – nicht anhand der Genom-Analyse feststellbaren – Umständen, wie Sozialisation und Lebensweise, abhängen.