Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Soziale Daten erfassen sämtliche gesammelten Informationen des Betroffenen zur Außenwelt. |
2. |
Im Strafverfahren kommt der Erhebung, Speicherung und Auswertung von Telekommunikationsdaten besonders große Bedeutung zu. |
3. |
Grds. gilt bei staatlichen Datensammlungen der Zweckbindungsgrundsatz. |
4. |
Sowohl die Verwendung als auch die Verarbeitung der im Strafverfahren erlangter Daten setzt im Falle der Umwidmung stets eine Ermächtigungsgrundlage voraus. |
Rdn 19
Literaturhinweise:
Abdallah/Gercke, Strafrechtliche und strafprozessuale Probleme der Ermittlung nutzerbezogener Daten im Internet, ZUM 2005, 368
Erd, Datenschutzrechtliche Probleme sozialer Netzwerke, NVwZ 2011, 19
Lundevall/Tranvik, Was sind personenbezogene Daten? Die Kontroverse um IP-Adressen, ZD-Aktuell, 2012, 03004
Mallmann/Walz, Schutz der Sozialdaten nach dem Sozialgesetzbuch, NJW 1981, 1020
Meyerdierks, Sind IP-Adressen personenbezogene Daten, MMR 2009, 8
Sieber, Straftaten und Strafverfolgung im Internet, NJW-Beil. 2012, 86
Singelnstein, Möglichkeiten und Grenzen neuerer strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen – Telekommunikation, Web 2.0, Datenbeschlagnahme, polizeiliche Datenverarbeitung & Co, NStZ 2012, 593.
Rdn 20
1. Die sozialen Daten machen den größten Teil der personenbezogenen Daten aus, die in § 3 Abs. 1 BDSG legal definiert sind. Unter sozialen Daten werden hier sämtliche Informationen verstanden, die Auskunft über die Beziehungen des Betroffenen zur Außenwelt enthalten. Damit mutet der Begriff der sozialen Daten beinahe uferlos weit an und erfasst grds. sämtliche Informationssammlungen, die alle Lebensbereiche betreffen und die von Privaten wie auch staatlichen Stellen über Personen zu unterschiedlichen Zwecken erhoben und gesammelt werden. Der weite hier verwendete Begriff der sozialen Daten ist damit nicht völlig Deckungsgleich mit der Legaldefinition in § 67 Abs. 1 SGB X, der voraussetzt, dass die Sozialdaten von einer Sozialbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (hierzu ausführlich Mallmann/Walz NJW 1981, 1020 ff.). Im Strafverfahren kommt, legt man einen weiten Sozialdatenbegriff zugrunde, heute vor allem den Telekommunikationsdaten besonders große Bedeutung zu (kritisch dazu, ob IP-Adressen personenbezogenen Daten sind und damit dem BDSG unterfallen Meyerdierks MMR 2009, 8, 9 ff.; hierzu auch Lundevall/Tranvik ZD-Aktuell 2012, 03004). Aufgrund der Zunahme unterschiedlicher Möglichkeiten der Datenverarbeitung nehmen elektronische gespeicherte Daten quantitativ zu und werden auch im Ermittlungsverfahren mehr und mehr herangezogen und ausgewertet (Sieber NJW-Beil. 2012, 86 ff.; Singelnstein NStZ 2012, 593), wie etwa im Bereich der Computerkriminalität (Abdallah/Gercke ZUM 2005, 368 ff.; Sieber NJW-Beil. 2012, 86 ff.).
Rdn 21
☆ Neben dem Abhören von Telefongesprächen oder des gesprochenen Wortes allgemein, gewinnt die Erhebung von Standortdaten im Mobilfunkverkehr, die Überwachung des E-Mail-Verkehrs , des Surfens im Internet und die Nutzung sozialer Netzwerke zunehmend an Bedeutung ( Singelnstein NStZ 2012, 593, 594; zu sozialen Netzwerken Erd NvWZ 2011, 19 ff.; vgl. dazu Burhoff , EV, Rn 532 ff.; Rn 3493 ff.).Erhebung von Standortdaten im Mobilfunkverkehr, die Überwachung des E-Mail-Verkehrs, des Surfens im Internet und die Nutzung sozialer Netzwerke zunehmend an Bedeutung (Singelnstein NStZ 2012, 593, 594; zu sozialen Netzwerken Erd NvWZ 2011, 19 ff.; vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 532 ff.; Rn 3493 ff.).
Rdn 22
2. Die Erhebung, Speicherung und Auswertung sozialer Daten, insbesondere Telekommunikationsdaten, ist insbesondere im EV von elementarer Bedeutung (vgl. → Daten, Datengewinnung, repressive, soziale Daten, Teil D Rdn 85 ff.; vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 532 ff.; Rn 3493 ff.). Strafprozessual muss hierbei zwischen
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der Datenerhebung während des Datenübertragungsvorgangs (vgl. → Daten, Datengewinnung, repressive, soziale Daten, Teil D Rdn 85 ff.), |
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der Datenerhebung beim Anbieter (vgl. → Daten, Datengewinnung, repressive, soziale Daten, Teil D Rdn 85 ff.) und |
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der Datenerhebung bei den an der Telekommunikation Beteiligten (vgl. → Daten, Datengewinnung, repressive, soziale Daten, Teil D Rdn 85) unterschieden werden. |
Rdn 23
3.a) Grds. sind die im EV oder im Hauptverfahren zur Strafverfolgung gewonnenen Daten spätestens mit rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens bzw., sofern sie unmittelbarer Aktenbestandteil geworden sind, mit Ablauf der Archivierungsfristen (→ Daten, Datenlöschung, Allgemeines, Aufbewahrungsfristen, Teil D Rdn 149 ff.) zu vernichten bzw. zu löschen. Hier gilt allgemein, wie bei allen staatlichen Datensammlungen auch, der Zweckbindungsgrundsatz, nach dem Daten nur für den Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie auch erhoben wurden (vgl. Singelnstein NStZ 2012, 593, 604). Die Weiterverarbeitung bzw. Speicherung oder Übertragung über den Abschluss des Strafverfahrens hinaus setzt eine entsprechende Rechtsgrundlage voraus (vgl. hierzu → Daten, Datenübermitt...